Mit einem Doppelsieg in Spanien – Lewis Hamilton vor Valtteri Bottas – reist das Formel-1-Team Mercedes zum Großen Preis von Monaco an diesem Sonntag. Ferrari-Star Sebastian Vettel hat als WM-Zweiter vor dem Klassiker und Saison-Höhepunkt im Fürstentum bereits 17 Punkte Rückstand auf Weltmeister Hamilton.
Der Europa-Auftakt in Spanien war für das Weltmeister-Team Mercedes eine Machtdemonstration. Nach einem Stotterstart in den ersten drei Saisonrennen hat die Sterne-Truppe zu alter Stärke zurückgefunden. Zweiter Sieg in Folge nach Baku/Aserbaidschan und Barcelona für Lewis Hamilton, erster Saison-Doppelerfolg seit Abu Dhabi 2017 mit Teamkollege Valtteri Bottas. Hamilton war nach seinem 64. GP-Triumph, seinem zweiten nach 2014 im Spanien-GP (Mercedes), aus dem Häuschen. „Ja, so mag ich das", funkte der Weltmeister nach dem Fallen der Zielflagge und lobte den „fantastischen Job" seines Mercedes-Teams. Später zeigte er sich vor der RTL-Kamera hochzufrieden und stellte fest: „Das Auto und ich waren eine Einheit, erstmals in diesem Jahr. Jetzt müssen wir genauso weitermachen. Mercedes ist wieder auf Kurs. Wir haben uns in die richtige Richtung bewegt und in allen Bereichen gesteigert. Wir hatten ein tolles Tempo, klasse Boxenstopps, eine gute Strategie und gute Starts. Genauso hatte ich mir das vorgestellt." Dann geht Hamilton zur Attacke über: „Wir machen jetzt wieder Druck auf Ferrari. Es ist großartig zu sehen, dass wir im Team die Kraft haben, das zu leisten."
Teamkollege Valtteri Bottas bläst ins gleiche Horn, wenn auch weniger vollmundig: „Das war eine perfekte Teamleistung. Wir haben eine super Leistung gebracht und strategisch gut reagiert, so darf es jetzt gern weitergehen. Und bei mir werden sich bald Siege einstellen."
Doch noch bemerkenswerter war die Aussage des bulligen Finnen, die wir den FORUM-Lesern nicht vorenthalten möchten. So sagte der stets wie sein finnischer Landsmann Kimi Räikkönen etwas wortkarge und zurückhaltende Nordländer Bottas nach seinem von Teamkollege Hamilton „gestohlenem" Aserbaidschan-Sieg: „Enttäuschungen können die beste Möglichkeit sein, um stärker zu werden, wenn man richtig mit ihnen umgeht."
Nebenbei bemerkt: Bottas wurde in der Woche vor dem Spanien-GP im italienischen Brisighella mit dem prestigeträchtigen Bandini-Preis ausgezeichnet. Der Finne erhielt die Anerkennung für seine überragende Leistung, mit der er in der Saison 2017 seine ersten Formel-1-Siege und Pole Positions eingefahren hat. Bottas ist der 25. Preisträger des Bandini-Preises, mit dem in den vergangenen Jahren auch Lewis Hamilton (2010) geehrt wurde. Der Bandini-Preis wird seit 1992 von der „Associazione Trofeo Lorenzo Bandini" in Gedenken an den italienischen Rennfahrer Lorenzo Bandini verliehen. Der Formel-1-Rennsieger (Österreich 1964) und Gewinner der 24 Stunden von Le Mans verlor mit 31 Jahren beim Großen Preis von Monaco 1967 (10. Mai) auf tragische Art und Weise sein Leben.
Zurück zur aktuellen Situation. Mercedes-Sportchef Toto Wolff zeigte sich mit dem Spanien-Ergebnis ebenfalls zufrieden, war aber nicht ganz so euphorisch wie seine beiden Lenker und zog schon mal die Handbremse. „Es scheint, als wären wir zurück im Geschäft. In Spanien waren wir sehr gut. Wir dürfen daher nicht in Euphorie verfallen. Aber warten wir erst einmal Monaco ab. Das ist wieder eine komplett andere Geschichte. Dieser Kurs war in der Vergangenheit schwierig für uns."
Da dürfte sich der „böse Wolf"(f) doch leicht geirrt haben. Zur Erinnerung: Sein Mercedes-Team hat von den vergangenen fünf Rennen vier gewonnen (2013 bis 2015 Nico Rosberg, 2016 Hamilton). Im vergangenen Jahr hieß der Sieger Sebastian Vettel/Ferrari und 2011 war es ebenfalls Vettel, damals mit Red Bull.
Ob mit dem Mercedes-Doppelerfolg in Spanien eine Trendwende eingeläutet wurde, nachdem Ferrari und Red Bull in den ersten drei Rennen im Revier der Silberpfeile gewildert hatten? Hamilton gibt sich auf diese Frage noch zurückhaltend. Der Vierfach-Champion will Ferrari nicht schlechtreden: „Es wird nicht einfacher für Ferrari. Aber es ist noch ein bisschen früh für ein Urteil. Doch ich hoffe natürlich, dass unsere Leistung zuletzt dazu beiträgt. Aber schon beim nächsten Rennen in Monaco könnten wir mit den Reifen wieder Probleme bekommen und ins Niemandsland abrutschen."
Vettel hatte nicht den Hauch einer Chance
Gewaltig abgerutscht ist Ferrari. Sebastian Vettel fuhr nach seinen zwei Saisonsiegen in Australien und Bahrain zuletzt in Aserbaidschan und in Spanien nur auf Platz vier.
Und Teamkollege Kimi Räikkönen kam nach einem Motorschaden im kargen Katalonien nicht ins Ziel: Enttäuschung pur vor dem Monaco-GP an diesem Sonntag (15.10 Uhr/RTL) beim italienischen Renommier-Rennstall. „Das Ergebnis ist weit weg von dem, was wir erwartet hatten", räumt das Traditionsteam in einer Pressemitteilung ein. Wegen erneut strategischer Fehler seines Rennstalls hatte Vettel nicht den Hauch einer Chance gegen den souveränen und nie gefährdeten Hamilton-Sieg bei seiner Sonntags-Spazierfahrt im Schongang und mit gefühlt einer Hand am Lenkrad.
Vettel, für den Platz zwei möglich gewesen wäre, musste durch ungünstige Boxenstopps Bottas (Mercedes) und Max Verstappen (Red Bull) vorbeiziehen lassen. Die Kurzfassung im Renntempo: Der Heppenheimer wurde nach zwei Dritteln des Rennens erneut an die Box beordert. Der Befehl kam in der virtuellen Safety-Car-Phase, in der die Piloten wegen eines Vorkommnisses auf der Strecke auf ihrem Display eine um 40 Prozent reduzierte Geschwindigkeit angezeigt bekommen. Bottas und „Bulle" Verstappen mit einem kaputten Frontflügel blieben auf der Strecke – und Vettel hatte das Nachsehen. Da hatten sich die Ferrari-Strategen am roten Kommandostand wieder einmal verzockt. Trotz frischer Reifen konnte Vettel keinen Angriff auf den Dritten Verstappen starten. „Wir waren einfach nicht schnell genug", meinte der Hesse lapidar und erklärte: „Meine Reifen waren zwar frischer als jene, die vor mir fuhren. Doch ich konnte trotzdem nichts mehr aus ihnen herausholen." Insgesamt sei Spanien jedoch ein „ordentliches Wochenende" gewesen. Trotz Strategiefehler stellte sich Vettel vor sein Team, brachte aber unmissverständlich zum Ausdruck: „Es war ein schlechtes Wochenende in Sachen Zuverlässigkeit (Räikkönen-Defekt, Anm. d. Red.), da gibt es keine Entschuldigung. Wir sind auch nicht mehr schnell genug." Die spanische Zeitung „El Mundo Deportivo" brachte es auf den Punkt: „Vettel verlässt Barcelona mir einem bitteren Beigeschmack, er konnte einem stratosphärischen Hamilton nicht die Stirn bieten."
Hausaufgaben aus Barcelona nimmt der Heppenheimer mit nach Monte Carlo. Und die lauten: „Wir müssen verstehen, was wir mit den Reifen anstellen können." Die Überlegenheit von Mercedes spielte er dennoch etwas herunter. Vettel: „Sie (die Überlegenheit, Anm. d. Red.) ist nicht alarmierend. Es ist nur ein Rennen. Es war eher überraschend, dass sie so schwer in die Saison gestartet sind."
Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen, letzter Ferrari-Weltmeister 2007, machte seinem Ärger Luft. Der 20malige GP-Sieger und seit Australien 2013 oder 98 Rennen ohne Sieg (nur der Italiener Riccardo Patrese hält den Negativ-Rekord von 99 sieglosen Rennen für ein Intervall zwischen zwei Siegen) war nach seinem Ausfall angefressen. Der gewohnt wortkarge und einsilbige Finne gab sich vor den Kameras völlig losgelöst: „Der Defekt ist natürlich alles andere als ideal. Wir versuchen, Rennen zu gewinnen. Und wenn du nicht ins Ziel kommst, dann berauben wir uns jeder Chance. Leider ist das jetzt schon zweimal im fünften Rennen geschehen. Dadurch geraten wir ganz schön ins Hintertreffen."
„Geraten ganz schön ins Hintertreffen"
Des einen Pech, des anderen Glück. Über den Fauxpax (Fehlgriff) der Ferrari-Strategie-Abteilung freute sich als lachender Dritter Max Verstappen. „Wir hatten Glück, dass Räikkönen ausgefallen ist", gestand der Red-Bull-Pilot. Allerdings habe sein „Bullen"-Bolide auch „sehr gut funktioniert", so der Niederländer. Der Schaden am Frontflügel, den er sich beim Überrunden von Lance Stroll im Williams zugezogen hatte, habe ihn nicht zu sehr behindert. In jedem seiner vier Saisonrennen hatte „Mad Max" (verrückter, wahnsinniger, unvernünftiger Max) bisher einen verheerenden Moment. In Australien drehte er sich in der ersten Kurve, in Bahrain geriet er mit Hamilton aneinander und schied aus, in China drehte er Vettel und in Baku nahmen sich die beiden „Bullen" Daniel Ricciardo und Verstappen gegenseitig auf die Hörner – Totalausfall. In Barcelona, wo der „fliegende Holländer" 2016 seinen ersten F1-Premierensieg feierte – damals im ersten Rennen nach seiner Beförderung von Toro Rosso in den Mutter-Rennstall Red Bull – hat der 20-Jährige endlich für positive Schlagzeilen gesorgt. „Es ist natürlich klasse, auf dem Podium zu stehen. Es war ein gutes, sauberes Rennen. Wir hoffen, weitere gute Ergebnisse erzielen zu können", so der aktuelle WM-Sechste (33 Punkte). Sein Stallkollege Daniel Ricciardo, in Spanien Fünfter, ist auch in der Fahrerwertung Fünfter (47), hinter Räikkönen (48). Nebenbei: Nach dem Super-Gau der beiden „Bullen" in Baku werden Verstappen und Ricciardo als „Strafe" für ihre Kollision für eine sechsstellige Summe für einen guten Zweck zur Kasse gebeten.
Fakt ist: Das Kräfteverhältnis zwischen den großen Drei – Mercedes, Ferrari, Red Bull – scheint sich nach fünf von 21 Rennen geändert zu haben. Hamilton hatte Vettel in Barcelona fest im Griff. Und Spanien gilt als Gradmesser schlechthin für den weiteren Verlauf des Jahres. Das bedeutet für die Formel 1: Wer auf dem Circuit de Catalunya schnell ist, ist auch auf dem Rest der Rennstrecken schnell. Denn: Mit der Europa-Saison beginnt auch die Zeit, in der die Teams die größten Veränderungen für ihre Autos bringen. Fast alle Rennställe haben in Barcelona eine neue Technik-Ausbaustufe gezündet: Ferrari mit den (in Monaco für illegal erklärten) Rückspiegeln am Cockpitschutz Halo. McLaren mit einer komplett neuen Frontpartie und Red Bull mit völlig überarbeiteten Windabweisern – um einige zu nennen. Das ist der erste Schritt des Entwicklungsrennens, das womöglich bis zum Saisonende anhalten wird.
In der Konstrukteurswertung führt Mercedes mit 153 Punkten vor Ferrari (126) und Red Bull (80). Der frühere erfolgverwöhnte Williams-Rennstall (4) ist nach einer weiteren besorgniserregenden Vorstellung in Spanien mit sieben Punkten Rückstand auf den Vorletzten Sauber (11) unverändert Schlusslicht.