Für die saarländischen Ringer Etienne Kinsinger und Genna Cudinovic endeten die Europameisterschaften nicht zufriedenstellend. Beide wollen Lehren aus ihren Niederlagen ziehen.
Die Ringer-Europameisterschaften im russischen Kaspijsk endeten für den Deutschen Ringerbund (DRB) durchaus zufriedenstellend – Martin Obst aus Luckenwalde unterlag erst im Finale der Klasse bis 79 Kilo Freistil gegen den Russen Akhmed Gadzhimagomedov. Es war das beste Ergebnis eines deutschen Freistilringers seit elf Jahren. Damals in Bulgarien holte Marcel Ewald Silber. „Dieses Abschneiden freut uns natürlich alle besonders. Mich persönlich freut es sehr, dass der jahrelange Einsatz von Freistil-Bundestrainer Jürgen Scheibe nun auch im Seniorenbereich Früchte trägt.
Kinsinger geriet aus dem Kozept
Er hat es geschafft, mit viel Engagement und der notwendigen Empathie Trainer und Athleten „mitzunehmen", ihnen das Vertrauen zu schenken und so für eine tolle Entwicklung und Stimmung im Team zu sorgen. Die Athleten danken es ihm mit Leistung", sagte der Sportdirektor des DRB, Jannis Zamanduridis, der als Aktiver auch für den KSV Köllerbach auf die Matte ging. „Auch für Martin Obst hat es mich sehr gefreut", so der frühere Publikumsliebling in der Kyllberghalle, „er hat ein bärenstarkes Turnier gerungen und war in jedem Kampf von der ersten bis zur letzten Sekunde voll da. Auch im unterlegenen Finale verfolgte er klar die Vorgaben, geriet durch die viel zu frühe Aktivitätszeit allerdings in Zugzwang und unterlag dem Lokalmatador nach großem Kampf nur mit 3:6."
Außer Obst erntete in Kaspijsk auch Nackenheimer Dennis Kudla gegen Islam Abbasov (Aserbaidschan) in der Klasse bis 87 Kilo griechisch-römisch die Früchte seiner harten Trainingsarbeit: Bronze – die zweite Medaille für den DRB. „Grundsätzlich waren wir auf Grund unterschiedlicher Konstellation nicht mit einer zu hohen Erwartungshaltung hier nach Kaspijsk gereist. Mit insgesamt acht Finalteilnahmen und davon zwei Medaillen haben wir unsere Erwartungen allerdings weit übertroffen", zog DRB-Sportdirektor Zamanduridis ein positives Fazit, „unser klarer Saisonhöhepunkt in diesem Jahr ist die Weltmeisterschaft in Budapest. Um allerdings klare Prognosen für die WM zu stellen, ist es noch zu früh. Unser Ziel ist es selbstverständlich, dort wieder mit der stärksten Mannschaft an den Start zu gehen und ähnlich erfolgreich zu sein wie in der jüngsten Vergangenheit. Fernziel bleiben natürlich die Olympischen Spiele 2020."
Den Traum von Olympia haben auch Sportler aus dem Saarbrücker Stadtwald. Aus saarländischer Sicht hatte aber nur Etienne Kinsinger eine Hand am Edelmetall. Der 21-jährige Greco-Spezialist vom deutschen Mannschafts-Vize-Meister KSV Köllerbach hatte bei seinen ersten Europa-Wettkämpfen bei den Männern das kleine Finale erreicht. Und das gegen einige Widerstände. Denn eigentlich sollte Kinsinger in der Vorrunde gegen einen ukrainischen Athleten ringen, der durchaus machbar gewesen wäre. „Dann hat man einen Fehler auf den Meldelisten festgestellt. Da stand noch ein Portugiese drauf, der erst gar nicht angereist war", erzählte der Saarländer, der dann in Runde eins ausgerechnet auf den Topfavoriten Sergij Emelin traf: „Ich hatte mich mich halt auf diese andere Auslosung eingestellt. Die Änderung hat mich ein wenig aus dem Konzept geworfen. Und Emelin ist am Boden einfach Weltklasse." Nach der 0:8-Niederlage musste Kinsinger in die Hoffnungsrunde, setzte sich dort gegen den starken Ungarn Erik Torba aber ebenso deutlich mit 8:0 durch und stand damit in einem der beiden kleinen Finale. Der Gegner: Dato Chkartishvili aus Georgien. In der ersten Runde machte Kinsinger mächtig Druck, Chkartishvili wurde wegen Passivität verwarnt, doch zu einer technischen Wertung reichte es für den Studenten der Universität des Saarlandes nicht. Nach der Pause kam der Georgier, sorgte für die entscheidende Verwarnung gegen Kinsinger und stellte dann wieder auf Defensivmodus. „Ich hätte ihn schlagen können. Ich war mehrfach nah dran am Punkt, aber ich habe ihn halt nicht gemacht", sagte Kinsinger tief enttäuscht mit Platz fünf am Ende: „Ich hatte vor der EM gesagt, ich mache den Erfolg nicht an der Platzierung, sondern an der Leistung fest. Und weil halt im Kampf um Platz drei so viel mehr drin gewesen wäre, bin ich nicht zufrieden."
Direkt nach dem Kampf hatte der Köllerbacher noch vom „bittersten Moment" seiner Karriere gesprochen, aber auch eingesehen „manchmal muss man erst verlieren, um zu wissen, wie man gewinnt". Nach den Wettkämpfen hat der Saarländer erst einmal Urlaub gemacht. „Ich habe mir drei Aufgaben gestellt: Pool, Bar und Bett", konnte er vor dem Abflug in die Türkei schon wieder scherzen, „wobei meine Kernkompetenz sicher nicht an der Bar liegt, aber ich werde meine Möglichkeiten austesten." Um dann mit freiem Kopf in die Vorbereitung Richtung Weltmeisterschaften im Herbst zu starten.
Die WM fest im Blick
Auch Gennadij Cudinovic bleibt nur, die Erfahrungen aus Kaspijsk für die kommenden Aufgaben zu verarbeiten und auszunutzen. Der 97-Kilo-Freistil-Mann war als Geheimtipp nach Russland gefahren. „Genna" hat Talent, kann an einem guten Tag fast jeden schlagen. Aber derzeit halt nur an einem guten. Im Achtelfinale gab es gegen den bärenstarken Weißrussen Aliaksandr Hushtyn ein 0:5, in der Hoffnungsrunde setzte es gegen den Makedonier Magomedgadji Nurov sogar ein 0:11. Der Traum vom kleinen Finale endete für den Köllerbacher mit einem harten Erwachen.
„Es war die komplette europäische Elite am Start. Die starken Russen kämpfen ja mittlerweile nicht mehr nur für ihr Land, sondern sind in halb Europa verstreut. Für Italien startet ein Ex-Kubaner. Das ist schon ein Stück weit Weltklasse", sagt Cudinovic, der von seiner ersten Herren-EM kein Edelmetall, dafür eine ordentliche Erkältung mitgebracht hat, „ich konnte im letzten Jahr halt wegen der Handverletzung und der Polizeiausbildung nicht immer so trainieren, wie es nötig gewesen wäre. Aber die Ausbildung ist jetzt abgeschlossen." Kommissar Cudinovic gehört zur Sportfördergruppe der saarländischen Polizei, hat somit optimale Trainingsbedingungen. „Die nächste Station sind die Deutschen Meisterschaften, dazu gibt es einige Trainingslager", sagte Cudinovic und richtet den Blick nach dem Rückschlag von Russland wieder nach vorne: „Der Bundestrainer hat gesagt, wer bei der WM für Deutschland ringt, ist völlig offen. Ich werde alles dafür tun, dass ich dabei bin."
Für Cudinovic und Kinsinger war die EM kein Erfolg, aber auch kein wirklicher Rückschlag. Oder wie Kinsinger es sagte: „Wer gewinnen will, muss wissen, wie sich verlieren anfühlt."