Sein eigener Chef zu sein, davon träumen viele. Den Schritt in die Selbstständigkeit wagen aber nur wenige. Zwei Frauen mit der Leidenschaft für Nordeuropa haben es getan – und das Reiseunternehmen „Fjordkind" gegründet.
Corinna Windisch und Anna Hollensteiner kennen sich schon lange. Die beiden Gründerinnen von Fjordkind haben sich am ersten Tag ihres Studiums in Berlin getroffen und sind seitdem befreundet. Seit Kurzem sind sie auch Geschäftspartnerinnen. Da sie Skandinavistik studiert haben, ist es nur folgerichtig, dass sich auch in ihrem Unternehmen alles um den Norden dreht.
Die Fjordkind-Frauen vermitteln maßgeschneiderte Reisen nach Nordeuropa an Familien. Sie verkaufen damit ein absolutes Nischenprodukt. Doch genau das ist ihr Vorteil. „Eine direkte Konkurrenz gibt es nicht", sagt Hollensteiner. Außerdem, und das spielt den beiden Frauen zusätzlich in die Karten, nehme der Tourismus in den Norden seit Jahren zu. Noch einen weiteren Vorteil haben Windisch und Hollensteiner ausgemacht: „In unserer Zielgruppe arbeiten meist beide Elternteile. Die haben keine Lust, nach der Arbeit noch stundenlang vor dem Computer zu sitzen, um nach passenden Urlaubszielen zu recherchieren." Fjordkind übernimmt diese Arbeit. Die Kunden müssen nur sagen, welche Art von Urlaub sie machen und was sie erleben wollen. Windisch und Hollensteiner schnüren dann genau das passende Paket. Die beiden 38-jährigen Frauen haben selbst beide zwei Kinder und sind mit ihren Familien oft in Nordeuropa unterwegs. Viel von dem, was sie verkaufen, haben sie selbst ausprobiert.
Zudem sind die beiden keine Neulinge im Geschäft. Bevor sie sich selbstständig gemacht haben, hatten sie schon viele Jahre bei einem Island-Reiseveranstalter gearbeitet. Weil die beiden Angestellten aber auch Dinge vertreten mussten, hinter denen sie nicht so unbedingt standen, haben sie die Idee entwickelt, gemeinsam einen Laden aufzumachen. „Wir wollten aus einer Situation herauskommen, in der wir beide unglücklich waren", sagt Windisch. Sie lacht und ergänzt: „Jetzt müssen wir nicht lange herumdiskutieren. Wir können machen, was wir für richtig halten." Für sie sei es wichtig, dass sie als Unternehmerinnen Ideen umsetzen und neue Produkte entwickeln könnten. Bereut haben die beiden ihre Selbständigkeit bislang keine Sekunde. Der Weg in den Chefsessel, der für beide nach wie vor im heimischen Arbeitszimmer steht, war aber nicht leicht. Als erstes haben die beiden „Arbeitsbienen" – so bezeichnen sich Windisch und Hollensteiner selbst – ihren eigenen Gründungsfahrplan aufgestellt. Darin haben sie exakt ausgearbeitet, was wann zu erledigen ist, welche Behörden sie ansprechen müssen und bei wem sie welche Anträge stellen müssen.
Schon bald stellten sie fest, dass man ein Unternehmen nicht nebenbei gründen kann. „Entweder wir stecken jetzt alle Energie dort hinein und sind mutig, oder es wird nichts", beschreibt Hollensteiner die Gefühle, die sie damals hatten. Wie für die meisten Jungunternehmer war auch für die beiden Fjordkind-Frauen das erste und größte Problem die Finanzierung ihrer Geschäftsidee. Da sie ohne große Rücklagen in die Selbständigkeit starteten, waren sie auf Kredite und Förderungen angewiesen.
„Wer, wie wir, aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Firma gründen will, kann einen Gründungszuschuss beantragen", rät Windisch eventuellen Nachahmerinnen. Den Antrag auf den Zuschuss gibt’s bei den Sachbearbeitern der Arbeitsagentur. Die Seite gruenderkueche.de warnt allerdings: „Ende 2011 hat die Bundesregierung Einsparungen beim Gründungszuschuss vorgenommen. Seitdem versuchen Berater bei den Arbeitsagenturen, Gründungswillige abzuwimmeln, oft mit fragwürdigen Argumenten."
Solche Erfahrungen mussten Windisch und Hollensteiner nicht machen. Dennoch war auch bei ihnen der Weg bis zur Bewilligung des Antrages nicht leicht. „Wir haben zwischendurch schon mal Flüche ausgestoßen", sagt Hollensteiner. Windisch fragt sich: „Wie kann man es Unternehmensgründerinnen nur so schwer machen?"
Maßgeschneiderte Reisen für Familien
Der erste Fallstrick ist schon bei der Antragstellung ausgelegt. Der Antrag muss nämlich eingereicht werden, bevor die Unternehmung startet. Stellt man erst nach der Gründung fest, dass die eigenen Mittel nicht ausreichen, zeigt sich Vater Staat unnachgiebig. Zuschüsse gibt es dann keine mehr. Die besten Chancen auf staatliche Hilfen haben Gründer, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar gelten. Windisch lacht und sagt: „Zumindest damit hatten wir als Skandinavistinnen keine Probleme."
Wenn man den Antrag endlich in den Händen hält, geht die Arbeit erst richtig los. Um den staatlichen Zuschuss zu erhalten, muss ein detailliert ausgearbeiteter Businessplan eingereicht werden. Er zwingt die potenziellen Gründer dazu, sich schon im Vorfeld Gedanken über die Umsetzung und Finanzierbarkeit der eigenen Pläne zu machen. Einen Businessplan zu schreiben, ist gar nicht so einfach – deswegen waren Windisch und Hollensteiner froh, dass sie vom Amt für Wirtschaftsförderung in Potsdam – dort ist das Unternehmen der beiden angesiedelt – einen Existenzgründungscoach zur Seite gestellt bekamen.
Speziell bei wirtschaftlichen Fragen brauchten die beiden Hilfestellung. „BWL war immer eine Schwäche von uns", lacht Hollensteiner. Fast 50 Stunden stand ihnen ihre persönliche Beraterin zur Seite – kostenfrei. „Zusätzlich hat jede von uns einen Monat in die Arbeit am Businessplan investiert", rechnet Windisch nach. Dennoch war das keine Zeitverschwendung. „Wir wissen jetzt genau, wo wir stehen und fühlen uns in schwierigen Situationen sicherer", sind beide überzeugt. Und: „In keinem BWL- oder Management-Studium hätten wir so viel lernen können."
Bevor sie den Förderantrag abgeben konnten, benötigten die beiden eine Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer. Die bekamen sie zwar schnell, aber danach hieß es: warten. Und nochmals warten. Der Zeitpunkt der geplanten Firmengründung rückte näher und trotz mehrfachen Nachfragens blieb die Antwort vom Amt aus. Die Zuteilung der Steuer-Identifikationsnummer ließ ebenso auf sich warten. „Erst als wir in unserer Verzweiflung eine Anwältin einschalteten, ging alles ganz schnell. Ein Anruf und schwuppdiwupp hatten wir was wir wollten", so Windisch.
Nicht jeder Antrag wird aber genehmigt. Ein Rechtsanspruch auf Förderung besteht nicht. Wer letztlich unterstützt wird und wer leer ausgeht, liegt allein im Ermessen des zuständigen Sachbearbeiters. Auf die Glücklichen wartet am Ende ein beachtliches Sümmchen. Wie hoch das im Einzelfall ausfällt, hängt von der Höhe des Arbeitslosengeldes ab, das vorher bezogen wurde. Der Betrag wird monatlich ausbezahlt. Insgesamt können Alleinstehende aber bis zu 15.000 Euro bekommen, Verheiratete mit Kind sogar bis zu 18.000 Euro – steuerfrei und nicht rückzahlbar. Hollensteiner hat noch einen Tipp parat: „Wer den Gründungszuschuss bekommt, kann bei der Krankenkasse eine Beitragsreduzierung beantragen." Auch so lassen sich nochmals ein paar Hundert Euro sparen.
Einen Teil der Förderung haben Windisch und Hollensteiner gleich in die SEO-Optimierung ihrer Webseite gesteckt. Im Internet gefunden zu werden, ist bei einem Spezialreiseveranstalter wie Fjordkind das A und O. Dennoch entscheidet meist die anschließende telefonische Beratung darüber, ob jemand bucht oder nicht. Der Kontakt zum Kunden liegt den beiden dauergutgelaunten Frauen. „Es gibt nichts Besseres, als den Menschen die schönsten Wochen des Jahres zu verkaufen", sagt die eine strahlend. Die andere ergänzt: „Lieber verdienen wir ein bisschen weniger Geld und sind glücklich." Zumindest das zweite Ziel scheinen die beiden Fjordkind-Frauen mit der Unternehmensgründung schon erreicht zu haben.