Staatlich regulierte Medien oder doch besser freies Spiel der Märkte? USA und Deutschland gehen hier unterschiedliche Wege. Regulierungen erlauben jedoch mehr individuelle Freiheiten, stellte US-Generalkonsul Jim Herman auf Abschiedsbesuch im Saarland fest. Sein Heimatland jedoch dereguliert gerade, was das Zeug hält.
Das hatte sich Jim Herman sicher anders vorgestellt. Bei seinem vorerst letzten Besuch im Saarland als Generalkonsul der USA zeigte man ihm den Youtube-Film „Make Saarland Great Again". Darin veralbert die saarländische Youtuber-Truppe „Ungekocht genießbar" US-Präsident Donald Trump und seine nationalistische Agenda. „America first – aber können wir uns auf ‚Saarland second‘ einigen?" Jim Herman lacht über die Satire. Seinen Posten als Chef des weltweit größten US-Konsulats der Welt trat er im August 2015 an, als im Weißen Haus Barack Obama residierte, der sich außenpolitisch eher in Richtung Pazifik denn Richtung Nordatlantik orientierte. Dass sich nun, zwei Jahre später, ein kleiner Bundesstaat in der Mitte Europas über seinen neuen Dienstherren so lustig macht, war damals nicht abzusehen. Auch nicht, dass die USA in Sachen Pressefreiheit nach wiederholten Attacken des US-Präsidenten und seinem Pressekorps im weltweiten Vergleich Plätze eingebüßt hat.
„Man muss einander verstehen, um sich über den anderen lustig machen zu können", sagt Herman beim Besuch der Landesmedienanstalt des Saarlandes. Uwe Conradt, der Hausherr, hat den Film ausgewählt um aufzuzeigen, dass eine Debatte notwendig ist. Pressefreiheit, Netzneutralität und Medienregulierung sind für ihn Bausteine demokratischer Debattenkultur. Die derzeitige US-Administration aber setzt auf Medienschelte und Deregulierung im Sinne der großen Telekommunikationsanbieter in den Vereinigten Staaten. Jüngstes Beispiel ist die Aufhebung der Netzneutralität durch die Netzregulierungsbehörde FCC.
Jim Herman blickt also nun auf ein anderes Amerika, in dem sich liberale und rechtskonservative Medien eine beispiellose Schlacht liefern: in der linken Ecke die großen Networks CNN und MSNBC, die Moderatoren Rachel Maddow, Jake Tapper, Wulf Blitzer; in der rechten Fox News mit Laura Ingraham, Tucker Carlson und Sean Hannity. Der Grund für die Grabenkämpfe: „Es ist eine Sache des Geldes", so Herman. Das extreme Polarisieren bescherte den Sendern höhere Einschaltquoten, mehr Zuschauer, mehr Werbeeinnahmen. Der Lokalsender-Gigant Sinclair, der über ein weitverzweigtes Netzwerk von 200 Sendestationen in den Bundesstaaten verfügt und bald 72 Prozent aller Haushalte erreicht, gilt als Trump-freundlich und steht im Verdacht, Fox sogar rechts überholen zu wollen. „Aber die wenigsten Amerikaner informieren sich politisch über das Fernsehen, das mag in den 60er- und 70er-Jahren so gewesen sein. Heute ist selbst das politische Fernsehen mehr Entertainment", so Herman. Beruhigend klingt dies trotzdem nicht, noch immer gehören die US-Amerikaner zu den weltweiten Spitzenreitern in Sachen Fernsehkonsum, Fox News ist der am meisten gesehene Kabelsender in den USA und erreicht 90 Millionen Haushalte. Doch auch Zeitungen und Newsseiten im Netz feuern pausenlos für oder gegen Trump. Die liberalen Blätter „Washington Post" und die „New York Times" sind beliebte Ziele für Trumps Twitter-Tiraden von „Fake News", genüsslich ausgeschlachtet von rechtslastigen Seiten wie The Daily Caller oder Breitbart. Newsseiten wie Politico, Axios und The Hill bemühen sich um Neutralität.
Ist also die deutsche, die regulative Variante die bessere? Jim Herman neigt dazu zuzustimmen. Seine Erfahrung ganz praktisch: Eine Regulierung der US-Visabestimmungen für Firmen in Indien kostete die dort bereits tätigen Unternehmen viel Geld, öffnete aber gleichzeitig den Markt für andere, neue Firmen. „Ursprünglich wollten die Unternehmen nichts an den Bestimmungen ändern – um den Markt alleine zu beherrschen", so der Konsulatschef. Sein Fazit: Freie Marktkräfte tendieren zum Egoismus und damit zu weniger Freiheit für alle Teilnehmer. „Klar aber ist: die USA neigen eher dazu, nicht zu regulieren. Starke Unternehmen und Industrien sorgen dafür, dass es so bleibt. Manchmal vergessen wir, dass Regulierungen vor allem Menschen unterstützen und weniger Organisationen."
Deregulierung wie jüngst durch die FCC bewirkt nun eher eine beginnende Informationskonzentration in den Händen weniger Großkonzerne. Das Argument des FCC-Vorsitzenden Ajit Pai: Katzenvideos könne immer noch jeder ansehen, unterschiedliche Geschwindigkeiten jedoch würden die Service Provider dazu anregen, mehr in schnellere Netze zu investieren. Dem Endkunden bleibt so vermutlich eine riesige Auswahl an Serviceleistungen, von denen „je schneller dein Netz, desto teurer" nur eine unter vielen sein könnte. Gleiche Surfgeschwindigkeit für alle aber wird zum Luxusgut. Keine optimalen Voraussetzungen für eine Demokratie, in der die Verständigung über die Fakten für alle Teilnehmer am demokratischen Prozess grundlegend ist.
Schon die grundsätzlichen deutschen Regeln, der Mix aus öffentlichem und privatem Rundfunk, stellen für Uwe Conradt die Grundsteine der deutschen Demokratie dar. Das Problem hierzulande aber sei: „Wie finanzieren wir heute Qualitätsjournalismus?" Dieser sei bedeutend für eine freie Demokratie. „Anonyme Trolle und von Algorithmen gesteuerte Bots können die öffentliche Kommunikation massiv beeinträchtigen und demokratische Strukturen zersetzen", so der Leiter der Landesmedienanstalt anlässlich des Tages der Pressefreiheit am 3. Mai. Aus Gründen der Prävention spreche vieles dafür, die persönliche Verantwortung für beispielsweise Hassbotschaften stärker als bisher ins Zentrum der zuständigen staatsfern organisierten Medienaufsicht, der Staatsanwaltschaften und Gerichte zu stellen. „Die Durchsetzung der Anbieterkennzeichnung auf Twitter, Youtube, Facebook und Co. ist dabei eine zentrale Aufgabe, will man individuelle Verantwortung wiederherstellen." Die Anbieter dieser Dienste werden sich gegen die deutschen und europäischen Regulierungsanstrengungen wehren: Es sind ausnahmslos US-Unternehmen.