Die Insel Werder, die ihr 700-jähriges Jubiläum feiert, ist berühmt für ihr Kirschblütenfest. Tatsächlich lohnt sich ein Besuch aber auch außerhalb dieser Festtage.
Mit dem 1. Juni beginnt die Saison. Sie beginnt, von Raritäten abgesehen, mit Erdbeeren. Dann folgen die süßen Kirschen aller Grade und Farben; Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren schließen sich an. Ende Juli ist die Saison auf ihrer Höhe", schreibt Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg". Und kommt dann auf die „Schuten" zu sprechen, die Kähne, mit der die Werderanerinnen (es waren immer Frauen) das Obst mit der Kraft ihrer Arme nach Berlin schifften, um es dort auf dem Werder’schen Markt zu verkaufen. Abgefüllt wurde das Obst in Holztienen, einer Art Eimer, und pro Tag war die Menge von 3.000 Holztienen nicht unüblich. Die Bezeichnung „Schuten" deute darauf hin, so Fontane, dass Holländer in dieser Gegend einwanderten und ihre Kenntnisse der Agrikultur einbrachten. Mitte des 19. Jahrhunderts lösten dann Dampfschiffe die Ruderboote ab.
Da die Insel nur rund einen Kilometer lang und 400 Meter breit ist, kann sie heute einfach mit dem Boot umrundet werden. An der Brücke, die auf die Insel führt, gibt es einen Bootsverleih, der vom Paddelboot über Elektroboote und Flöße auch Motorboote verleiht. Auf der anderen Seite der Brücke ist ein kleiner Platz am Ufer, auf dem man durch einen Bilderrahmen auf das Panorama der Insel mit Kirche und Mühle schauen kann, den sogenannten Postkartenblick.
Ehemaliges Gefängnis als Attraktion
Postkarten mit diesem Blick schickten Berliner schon Anfang des 20. Jahrhunderts an ihre Verwandtschaft, wenn sie Werder zum Kirschblütenfest besuchten. Heute sieht es in den schmalen Gassen des Inselortes nicht viel anders aus. Das Kopfsteinpflaster wurde überall belassen, und am Marktplatz in der Mitte des Dorfes sitzt man äußerst gemütlich neben einem Springbrunnen unter der Dorflinde und hat praktisch den gesamten Inselort im Blick. Vor den kleinen Häuschen der Inselbewohner stehen Tonkrüge mit Blumen, daneben Bänke zum Ausruhen – ein südländisches Flair ist hier nicht zu verleugnen. Höchst romantisch ist auch der Platz am höchsten Punkt der Insel vor der Heilig-Geist Kirche. Daneben das Rathaus, das 1879 aus einer alten Fachwerkschule umgebaut wurde. Daran schließt sich das ehemalige Gefängnis an, das heute die Tourismus-Information beherbergt.
Heute gibt es in Werder noch ganze fünf Fischer – auf der Insel lautet die Institution, die es schon zu DDR-Zeiten gab, „Arielle". Am Eingang des Fischrestaurants an der Uferpromenade kommt man an einer imposanten Sammlung von Fischköpfen vorbei, weiter hinten hängen riesige Reusen von hohen Gestellen herab, daneben staken Holzlatten zirkelförmig im Boden, mit denen die Reusen befestigt werden. Auf der Karte dominiert allerdings Fisch aus Meeresgewässern. Einheimischer Fisch scheint bei der Kundschaft wenig gefragt zu sein, obwohl er sogar im Haus geräuchert wird. Ihre Ruppigkeit scheint sich das Fischweib an der Theke allerdings noch aus DDR-Zeiten bewahrt zu haben, Serviceorientierung ist hier ein Fremdwort.
Um zu sehen, wie Obstwein hergestellt wird, fährt man am besten zu Bauer Schultz, dessen Hof in der nahe gelegenen Elisabethhöhe liegt. „Der Wein ist auch in der Feinschmeckeretage im Berliner KaDeWe erhältlich", betont Schultz, sichtlich stolz auf sein süffiges Produkt. Auch Wein wird in Werder wieder angebaut: und zwar auf dem Wachtelberg, nur einen Kilometer von der Insel entfernt. Auf Sanddorn hat sich dagegen Christine Berger in Petzow spezialisiert. Da viele Ortsansässige den Sanddorn, den es auch zu DDR-Zeiten schon gab, nicht mehr mögen, exportiert sie ihre supergesunden Produkte jetzt in die ganze Republik. Rund 70 verschiedene Produkte stellt sie aus der leuchtend orangen Beere her – von Sanddornsaft über Marmelade bis zur Sanddorn-Salami.
Den schönsten Blick über die gesamte Insel hat man von der Bismarckhöhe, zu der eine Straße von der Gaststätte „Zum Scharfrichter" führt. „Die Bismarckhöhe war eine von sechs Höhengaststätten, die vor 100 Jahren zahlreiche Ausflügler anlockten", erzählt Jürgen Raßbach, der auf der Bismarckhöhe das Christian Morgenstern Literaturmuseum leitet. Nun sei nur noch die Bismarckhöhe übrig, allerdings weist in Werder noch kein Schild auf dieses Museums-Kleinod hin. Morgenstern, übrigens ein enger Vertrauter von Rudolf Steiner, besuchte Werder einen Tag lang im Jahr 1895. Vom Bahnhof Werder lief er mit einigen Freunden auf den Galgenberg, weil ihn die Bezeichnung neugierig machte. Hier gründeten die Kumpane den Bund der „Galgenbrüder", später folgten daraus Morgensterns „Galgenlieder". „Zu den patriotischen Kaiserzeiten war die freigeistige Literatur Morgensterns ein starker Antipol, in weiten Kreisen der Bevölkerung war Morgenstern nicht gut angesehen", erzählt Raßbach. So ist auch überliefert, dass die Kumpane sehr schnell aus dem damaligen Restaurant Galgenberg hinausbefördert wurden. Im Gebäude ist noch ein Ballsaal in riesigen Dimensionen original erhalten, der heute für Hochzeiten genutzt wird.