Dass ein deutscher Koch zum besten französischen Nachwuchskoch gekürt wurde und 2009 einen Michelin-Stern erhielt, war damals eine kleine Sensation. Lutz Janisch hat sich seither weiterentwickelt, ist aber im „Le Strasbourg" in Bitche seinen Wurzeln treu geblieben.
Bitche liegt inmitten des Naturparks Nordvogesen, einen Steinwurf von romantischen kleinen Waldweihern entfernt. Noch bis in den Oktober lädt die Stadt ein, 18 Themengärten zu besuchen, unter anderem den Garten der Mahlzeiten, den Heilpflanzengarten, den Meteorischen Garten oder den Wandervogelgarten. „Jardin pour la paix" heißt das Gesamtkunstwerk. Ansonsten gibt es in der „ville fleurie" noch einen Golfplatz, viele kleine Geschäfte, gastfreundliche Einwohner und in der deutsch-französischen Grenzlandschaft jede Menge zu entdecken.
Seit 21 Jahren betreiben Cynthia und Lutz Janisch ihr Hotel-Restaurant „Le Strasbourg". Nach der letzten Erweiterung vor drei Jahren verfügt das Haus nun über neun Zimmer und vier Suiten. Die Zimmer sind Unikate, heißen etwa „Afrika" oder „Asien". Das Haus verfügt auch über einen herrlichen Garten mit schöner Terrasse und liegt nur ein paar Meter vom Garten der Zitadelle entfernt.
Lutz Janisch kocht eine klassische und zugleich zeitgemäße französische Küche. Dabei ist für ihn Stillstand Rückschritt. Alles ist im Fluss, alles entwickelt sich weiter. Seine Grundprodukte bezieht er – wenn es irgendwie möglich ist – von regionalen Produzenten. Und diese gibt es immer häufiger und oft mit solch guter Qualität, dass es dem Koch richtig Spaß macht, bei diesen kleinen „Genusshandwerkern" zu kaufen. So bekommt er sein Wild von Jägern aus dem Bitcher Land, sein Lamm stammt von Steffen Uhl aus dem nahe gelegenen deutschen Bliesgau. Viele Kleintierzüchter, Hobbygärtner und Pilzsammler versorgen ihn mit saisonalen und zumeist biologisch produzierten Lebensmitteln.
„Heute weiß ich, wer wo in der Gegend gute Produkte zu verkaufen hat, die unseren Ansprüchen genügen", erzählt Lutz Janisch. „Sie alle habe ich mit der Zeit hier gefunden. Den einen in Walschronn, den anderen in Sturzelbronn. Einer macht Ziegenkäse, andere machen Gemüse. Ich kann mich mit ihnen einfach identifizieren, denn unsere Qualitätsansprüche decken sich."
„Suche Elemente, die sich auf dem Teller ergänzen"
Janisch stammt aus Brandenburg, seine Kochkunst erlernte er in Strasburg. Schon ab 2005 stand er bei vielen Gastro-Journalisten auf dem Zettel. Schnell sprach sich damals herum, welch genialer Koch im „Le Strasbourg" am Herd steht. Es dauerte auch nicht lange, und die bedeutendsten Restaurantkritiker fanden den Weg nach Bitche. Unter anderem Gilles Pudlowski, der Janisch, den Ostdeutschen, zum besten französischen Nachwuchskoch erklärte. Welch eine Ehre! Im Jahr 2009 bekam er als erster Ostdeutscher in Frankreich den Michelin-Stern. Doch Lutz Janisch war mit dem Erreichten nicht zufrieden, er wollte seine Kochkunst immer weiter entwickeln. „Ich suche ganzjährig einzelne Elemente, die sich auf dem Teller hervorragend ergänzen", skizziert er seine Philosophie.
So gibt es auch jetzt wieder Neuigkeiten aus Bitche. Vor sieben Jahren lernte er Grégoire Rick kennen. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, führt ein kleiner Weg runter zum Garten an der Place des Tanneurs. In dem großen Hausgarten pflanzt Grégoire Rick – mittlerweile die gute Seele des „Le Strasbourg" – seltene Kräuter und Gemüsesorten an, die sich ideal mit Lutz Janischs Küche verbinden lassen. Rick ist in Lothringen als Mann mit grünem Daumen bekannt. Die regionale Presse hat schon oft über ihn berichtet. Ich verlasse das Restaurant und mache mich auf den Weg zu dem Mann, der so viel von Pflanzen und Tieren versteht. 160 Kräuter aus allen Erdteilen hat er hier angepflanzt, viele davon für Lutz Janischs Küche. Grégoire Rick zeigt mir einen Lauch, der sich immer wieder von selbst aussät. Auch der Sellerie wird gern verarbeitet. Wir gehen von Beet zu Beet, von Erdteil zu Erdteil. Hier wächst Minze mit Bergamotte-Geschmack, typisch regional aus Lothringen, aber auch schottische Petersilie, Basilikum aus Kenia oder Koriander aus Vietnam.
Es macht Spaß, dem Experten zuzuhören. „Wir machen einen Kräutersalat mit mehr als 30 Kräutern. Mit einer schönen Vinaigrette abgeschmeckt, natürlich kein schweres Öl, sondern mit einem Spritzer Haselnussöl, etwas Zitrone, leicht gewürzt", schwärmt er.
Von Juli bis September gibt es jeden Mittwoch eine Führung durch den Garten. Zweisprachig versteht sich. So lässt sich im Garten lernen und danach im „Le Strasbourg" speisen. Anmeldungen laufen über das Restaurant. Doch Grégoire Rick geht es nicht nur um die Kräuter fürs Restaurant. Er baut auch Insektenhotels im Garten. „Wir haben hier etwa Mauerbienen. Mir ist es ungemein wichtig, Insekten zu schützen. Wir brauchen Streuobstwiesen und solche Gärten für die Insekten. Man kann doch nicht alles vergiften!"
Im Garten lernen und danach speisen
Dann erzählt er noch, dass er an einem Projekt in München mitmacht, bei dem es um Bohnen geht. Die Projektleiter senden ihm Bohnensorten zu, die vom Aussterben bedroht sind. Grégoire Rick zieht sie groß und sendet dem Münchener Projekt jede Menge Setzlinge zurück. Ich bin so gefesselt von seinen Ausführungen, dass ich bestimmt eine Stunde in seinem Garten verbringe.
Doch zurück zu Familie Janisch ins Restaurant. Der Chef hat uns ein Menü vorbereitet. „Apotheose von hier und da" heißt es. Ein Menü in Harmonie. Nach einer Variation von Amuse-Bouches folgt der erste Gang: „der Hühnerstall". Das sind gebratene Wachtelbrust, Umami-Sesam, geräuchertes Entenfilet, gefüllter Entenhals, Löwenzahn und Dinkelkörner.
Dann gibt es „Endlich Frühling", Royal von Taubnesseln, wilder Schnittlauch und frittierter Bärlauch, frische Froschschenkel. Anschließend „Paris-Berlin": Entenleber, Trüffel, Pinot-noir-Zwiebeln, leichtes Kartoffelpüree. Anschließend lautet das Motto „Terre et Mer", das sind Morchel-Lasagne, Elsässer Spargel und pochierte Langustine.
Als Hauptgang wird „Lilly Fuchs" serviert, Bioland-Schweinerücken aus dem Bitcher Land, Zitronenzesten, Curry-Schweinsfuß – kross gebraten. Es folgt zum Dessert ein leichtes Ziegenmilch-Espuma, Himbeeren und Gudbrandsdalen (norwegischer Karamellkäse) namens „Amélie". Und zum Abschluss – mitten am Tag – „Gute Nacht", Irish Baba, ein köstliches Küchlein.
Sehr beeindruckend! Hier geht ein Koch seinen Weg. Janisch hat seinen Stil verändert, ist aber bei seinen Wurzeln geblieben. Eine Evolution also, keine Revolution. „Man darf nie stehenbleiben, muss sich aber treu bleiben", betont der Meisterkoch.
„Ich koche nicht mehr wie in meiner Sturm- und Drangzeit. Vor allem will ich nicht auf der Stelle treten. Ich werde aber auch keiner Mode folgen. Ich will auf meinen Tellern meine eigene Handschrift sehen. Das ist auch der Grund, warum manche Gäste zu dem oder dem hinfahren. Die Individualität spielt heute eine große Rolle. Selbst bei sich zu sein, ist enorm wichtig."
350 Weine vorrangig aus Frankreich
Cynthia Janisch und ihr Team im Restaurant sind für den perfekten Service zuständig. Sie verantwortet auch den Weinkeller und kredenzt etwa 350 verschiedene Weine, vorrangig aus Frankreich. Viele davon werden auch glasweise serviert. Ich bestelle im „Le Strasbourg" immer die Weinbegleitung zum Menü. Dabei kann nichts schiefgehen, denn Cynthia Janisch kennt sich richtig gut aus.