Die Home-Lifestyle-Boutiquen im vornehmen Apartment-Rahmen gelten als vielversprechendes Konzept für die Zukunft von Mode- und Designmarken. Zudem sind Apartment Stores eine kommunikative und luxuriöse Shopping-Alternative zum anonymen Online-Einkauf.
Wer kennt das nicht: Man ist bei Freunden oder Bekannten eingeladen, die ein traumhaft ausstaffiertes Domizil ihr Eigen nennen. Am liebsten möchte man gleich den einen oder anderen Einrichtungsgegenstand mit nach Hause nehmen, in den man sich spontan verliebt hat. Was auf privater Ebene kaum möglich ist, haben einige innovative Köpfe inzwischen weltweit in einem pfiffigen Home-Boutique-Konzept umgesetzt. Die neuen Shopping-Locations wurden „Apartment Stores" getauft, weil sie nichts mehr mit klassischen Geschäften samt Ladentheke und vollgestopften Regalen gemein haben, sondern eher wie vornehme Privatwohnungen daherkommen. Mit dem feinen Unterschied, dass alles, was der Kunde beim relaxten Schlendern durch die geschmackvoll gestalteten Räumlichkeiten sieht – Einlass in der Regel nur nach Voranmeldung –, auch käuflich erworben werden kann: von Bett oder Sofa über Hosenanzug oder Morgenmantel bis hin zu Parfüm, Ohrringe oder Coffee Table Book.
In Zeiten, in denen der traditionelle Einzelhandel immer mehr durch den scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug des E-Commerces ins Hintertreffen gerät, sind neue Ideen für stationäres Einkaufen fraglos ebenso erfreulich wie notwendig. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass es offenbar Alternativen zu den vergleichbaren Concept Stores bedarf, die seit Ende der 1990er-Jahre mit ihrer Mixtur von Mode und Kunst, Beauty und Inneneinrichtungsdesign für Furore gesorgt hatten – allerdings noch in klassischem Ladenambiente. Seit der berühmteste Concept Store der Welt, „Colette" in der Pariser Rue Saint Honoré, seine Pforten im Dezember 2017 nach 20 Jahren für immer schließen musste, droht womöglich vergleichbaren Läden andernorts ein ähnliches Schicksal. Dabei war „Colette", das von Chanel-Chef Karl Lagerfeld zu seinem Lieblingsgeschäft geadelt worden war, stets gut frequentiert (Jahresumsatz 2016: 28 Millionen Euro). Auf drei Etagen in bester Innenstadtlage hatte der Laden regelrecht gebrummt. Dort konnte man von Luxusklamotten über Bücher oder Schreibwarenbedarf bis hin zu kitschigem Schnickschnack so ziemlich alles finden.
Die ersten Apartement Stores wurden Ende 2013 eröffnet. Den Anfang machte „The Apartement by The Line" in New York mit Mode, Beauty-Produkten, Kunst, Design. Inzwischen gibt es auch noch eine Dependance in Los Angeles. Zu den frühen Pionieren zählen aber auch „The Apartment" in Kopenhagen, das in einem aufwendig restaurierten Haus aus dem 18. Jahrhundert hochwertige Möbel, Kunst und Design des 20. Jahrhunderts offeriert, oder „L’appartement Red" im Pariser Marais-Viertel, wo neben hauseigenen Möbeln auch Mobiliar anderer Designer und Vintage-Stücke präsentiert werden.
Inzwischen kommen in den angesagten Metropolen dieser Welt immer mehr neue Apartment Stores hinzu. Im Londoner Stadtteil Soho können anspruchsvolle Kunden im „Alex Eagle Studio" so ziemlich alles kaufen von Designermöbeln bis hin zu Marken-Klamotten von Isa Arfen oder Issey Miyake. In Paris residiert der „Society Room" seit Herbst 2017 in einem hübschen Hinterhof-Backstein-Häuschen nahe der Madeleine. Das Ambiente soll das Flair der Pariser Salons des 19. Jahrhunderts wieder aufleben lassen, um dadurch die Kauflust auf maßgeschneiderte Kleidungsstücke, Kunsthandwerk oder Möbel zu fördern.
Erste Stores seit Ende 2013
Im Berliner Bezirk Wedding hat Chris Glass auf 230 Quadratmetern in der dritten Etage eines alten Backsteingebäudes in der Lindower Straße 18 seine persönliche Version eines Apartment Stores verwirklicht. Wobei er sein „aptm" (Abkürzung für: „a place to meet") als ein „Lifestyle-Labor" versteht. „Die Art, wie wir einkaufen, hat sich fundamental verändert. Je mehr wir uns an das schnelle, zweidimensionale Shoppen am Bildschirm gewöhnen, desto mehr suchen wir zum Ausgleich wieder das besondere Erlebnis", sagt Glass. Und davon hat er in seiner Location, die er auch für Veranstaltungen, Dinner-Partys oder Foto-Shootings zur Verfügung stellt, einiges zu bieten. In dem extravaganten Loft werden Design, Kunst und Kuriositäten regelrecht zelebriert. Bis Juli 2018 läuft noch die Installation unter dem Motto „Deutsch: Was ist das?". Gezeigt und natürlich zum Kauf angeboten werden deutsche Design-Objekte, beispielsweise von Rolf Benz. Danach kommt das große Umräumen: Zweimal im Jahr wird komplett umdekoriert. Da Chris Glass jüngst in Afrika unterwegs war, kann man wohl davon ausgehen, dass demnächst Exponate vom Schwarzen Kontinent bei „aptm" zu sehen sein werden. Wichtig: Unbedingt vorab einen Besuchstermin vereinbaren. „Die Leute kaufen immer noch gern schöne Dinge. Aber sie suchen nach Orten, an denen sie sich geborgen fühlen", erzählt Glass.
Auch einige Fashion-Marken oder Mode-Ketten haben erkannt, dass sich ihre Klamotten und Accessoires viel besser in einem gemütlichen Rahmen verkaufen lassen.
Das Pariser Label „Sézane" beispielsweise hat damit bereits so tolle Erfahrungen gemacht, dass es seine Kollektion gepaart mit einer Lifestyle-Sektion schon in drei „L’appartements" in Paris, New York und Los Angeles präsentiert und dabei eine beneidenswerte Abverkaufsquote von über 90 Prozent erzielt. Sogar das erfolgreiche Online-Boutique-Unternehmen Moda Operandi hat sich zwei vornehme Private-Shopping-Residenzen in London und New York zugelegt. Dort ist das sinnliche Vergnügen beim Geldausgeben garantiert größer als vor dem PC-Bildschirm.
Sogar der Zara-Mutterkonzern Inditex hat das Interieur im Flaggschiff-Haus seiner Tochterfirma Uterque in Barcelona im Stil eines Designer-Apartements samt Perser-Teppichen und französischen Antiquitäten umgestalten lassen.