Die Fans haben ihn zum Spieler des Jahres gewählt. Kein Wunder, hat Pascal Groß mit seinen Toren und Torvorlagen sowie als kreativer Kopf seines Teams ganz entscheidend dazu beigetragen, dass Aufsteiger Brighton & Hove Albion sensationell den Verbleib in der Premier League sichern konnte.
Er ist so etwas wie ein Spezialist für historische Momente, die in die Fußball-Geschichte eingehen. So wieder mal geschehen am 4. Mai, als Pascal Groß mit seinem Kopfballtreffer in der 78. Minute den Sensationssieg seines Clubs Brighton & Hove Albion gegen den haushohen Favoriten und Tabellenzweiten Manchester United perfekt gemacht hatte. Womit der Spielmacher der „Seagulls" (Möwen), der erst zur Saison 2017/2018 vom FC Ingolstadt zum südenglischen Verein am Ärmelkanal gewechselt war, nicht nur eine für ihn überragende Spielzeit gekrönt, sondern gleichzeitig dem Aufsteiger aus dem berühmten Seebad den vorzeitigen Klassenverbleib in der Premier League gesichert hatte.
Schon am 9. September 2017 war der offensive Mittelfeldspieler von seinen Kameraden schier erdrückt worden, nachdem er mit zwei Treffern zur zwischenzeitlichen 2:0-Führung und durch Vorbereitung des dritten Tores entscheidenden Anteil am ersten Heimerfolg seines Clubs in der Premier League hatte. Den letzten Sieg vor dem 3:1-Triumph gegen West Bromnich Albion in der obersten englischen Spielklasse hatte es im April 1983 gegeben, doch damals nannte sich die englische Top-Liga noch Football League First Division. Danach sollte sich der 1901 gegründete Traditionsverein vor seinem erstmaligen Aufstieg in die Premier League im April 2017 nur noch in den Niederungen der Zweiten und Dritten Liga tummeln.
Doch zurück zu Pascal Groß und seinen Großtaten: In seiner Ingolstädter Zeit hatte er sich am 3. Oktober 2015 unsterblich gemacht, als er in der 78. Minute im Spiel gegen Eintracht Frankfurt das erste Heimtor der Schanzer in der Bundesliga erzielte und damit den Weg zum ersten Heimsieg ebnete.
In den beiden Bundesliga-Spielzeiten der Schanzer war der heute 26-Jährige so etwas wie das kreative Herz des FC Ingolstadt. In der Saison 2016/2017 bereitete kein anderer Kicker in Deutschlands höchster Fußballklasse mehr Torchancen vor als eben Pascal Groß – und zwar 98, auf dem zweiten Platz folgte der Leipziger Emil Forsberg mit 94. Zum Vergleich: Spitzenreiter in dieser Statistik war Christian Eriksen von Tottenham Hotspur mit 112 Chancenvorbereitungen vor Kevin de Bruyne von Manchester City mit 103 und Mesut Özil von Arsenal London mit 100. Nur wurde Groß’ diesbezügliche Top-Leistung in Deutschland kaum wahrgenommen, weil er eben bei so einem kleinen und wenig glamourösen Verein wie Ingolstadt gearbeitet hatte, an dessen Bundesliga-Aufstieg in der Saison 2014/2015 Pascal Groß mit sieben Toren und 23 Torvorlagen auch wieder einen ganz entscheidenden Anteil hatte. „Wenn ich das bei Vereinen wie Köln oder Frankfurt, wenn die unten gewesen wären, gemacht hätte, wäre ich wahrscheinlich ganz anders wahrgenommen worden", sagt Groß im Rückblick.
Anderthalb Jahre um ihn geworben
In seiner letzten Saison für die Schanzer hatte Groß, der 1991 in Mannheim geboren wurde und schon als 17-Jähriger für die TSG Hoffenheim in der Bundesliga debütiert hatte, vier Tore und acht Torvorlagen beigesteuert, womit er allein den Abstieg seines Clubs im Frühjahr 2017 allerdings auch nicht vermeiden konnte. Der beidfüßige Kicker lebt nicht nur von seiner großartigen Technik, seinem bemerkenswerten Ballgefühl und seiner außergewöhnlichen Spielübersicht, sondern auch von seiner herausragenden Fitness. Was sich allein schon daraus ablesen lässt, dass er seit der Saison 2012/2013, als er vom Karlsruher SC zu den Ingolstädtern gewechselt war, immer mehr als 30 Einsätze pro Spielzeit absolvieren konnte. Schon früh war klar, dass Groß mit dem FC Ingolstadt nicht den Weg in die Zweite Liga würde gehen wollen, sondern dass er weiterhin erstklassig kicken wollte.
Offen war nur, wohin ihn sein Weg führen würde. Angeblich gab es zwei Offerten aus der Bundesliga, doch diese hatten gegen das Angebot von Brighton & Hove Albion mit einem lukrativen Vier-Jahres-Kontrakt letztlich keinerlei Chance. Wobei offenbar nicht nur das Geld ausschlaggebend war. „Es war beeindruckend, wie sehr sich der Club um mich bemüht hat und wie lange er das Interesse an mir offenbart hat", sagt Groß. Brighton habe anderthalb Jahre lang um ihn geworben, regelmäßig hätten Scouts seine Spiele und sogar die Trainingseinheiten beobachtet: „Die Verantwortlichen haben mir das Gefühl gegeben, dass sie mich unbedingt wollten. Nicht nur, weil ich preislich ein Schnäppchen war." Drei Millionen Euro Ablösesumme waren für einen Kicker seines Formats tatsächlich eine Kleinigkeit, für den FC Ingolstadt bedeuteten sie allerdings den Rekord-Transfer der Vereinsgeschichte.
Nach seinem Wechsel in die 300.000-Einwohner-Stadt Brighton im Sommer 2017 erkannte er schon nach den ersten Saisonspielen, dass ihm das intensive, körperbetonte Spiel wohl die meisten Probleme bereiten würde: „Was das Körperliche angeht, war das Spiel gegen Leicester eine Art Lehrstunde für mich. Da habe ich in den Zweikämpfen das eine oder andere Mal den Kürzeren gezogen. Danach dachte ich: ‚So geht’s nicht weiter. Du musst was ändern.‘ In Deutschland wird viel schneller Foul gepfiffen. Hier läuft das Spiel einfach weiter, auch bei harten Tacklings."
Die Umstellung gelang Groß schneller als erwartet. Und er wuchs auch schneller als erwartet in die zentrale, verantwortliche Position des Spielmachers hinein, für die ihn Trainer Chris Hughton von Anfang an ausersehen hatte.
Im 4-4-1-1-System der Seagulls agierte Groß als klassischer Zehner hinter der einzigen Spitze, dem 34-jährigen Stürmer Glenn Murray. Groß genoss nach vorne alle Freiheiten, ohne jedoch als einer der mit knapp 400 absolvierten Kilometern lauffreudigsten Spieler der Premier League gänzlich seine Defensivaufgaben zu vernachlässigen. Mit sieben Toren und acht Torvorlagen war der Teutone an fast der Hälfte von insgesamt 34 Saisontoren seines Clubs direkt beteiligt; mehr Treffer, nämlich deren zwölf, gelangen im Team nur noch Glenn Murray. Mit 40 Punkten in 38 Spielen belegte Brighton Platz 15 in der Saisonbilanz. Von der englischen Fachpresse wurde Pascal Groß als einer der besten Transfers der abgelaufenen Spielzeit gefeiert. Er wurde auf Platz neun der Top-Ten-Transfers gelistet und ließ dabei Superstars wie Alvaro Morata oder Romelu Lukaku hinter sich.
Was die sportliche Infrastruktur angeht, so ist in Brighton das Beste gerade gut genug. Das 30.750 Zuschauer fassende Falmer Stadium ist noch ziemlich neu. Das Trainingsgelände steht dem in München oder Hoffenheim, die diesbezüglich in Deutschland Maßstäbe setzen, in nichts nach. Gleich neben dem Trainingszentrum gibt es eine Start- und Landebahn für das clubeigene Flugzeug, mit dem die Mannschaft zu den Auswärtsspielen reist. Groß wohnt mit Freundin und Hund im westlich vom Zentrum gelegenen Stadtteil Hove. Wie lange noch, wird sich zeigen. Denn ein großer Verein würde den 26-Jährigen schon sehr reizen. „Ich traue mir das auf jeden Fall zu, meine Entwicklung ist ja lange noch nicht am Ende." Mal abwarten, ob sich diesbezüglich bald etwas tun wird. Groß: „Ich fühle mich wohl in Brighton. Es müsste schon ein super Angebot sein, was man so vielleicht nicht mehr bekommt in der Karriere."