In der NOFV-Oberliga Nord 2017/18 setzt sich Trainerlegende Ingo Kahlisch mit seinen Rathenowern gegen die Berliner Konkurrenz durch.
Am Ende musste man dem alten Trainerfuchs recht geben: Erst nach dem vorletzten Spieltag war der Aufstieg des FSV Optik Rathenow quasi perfekt. Mit drei Punkten vor Tennis Borussia (TeBe) und dem wesentlich besseren Torverhältnis ging das Team aus dem Havelland in die letzte Runde und konnte diesen Vorsprung dann sogar noch einmal vergrößern. Ingo Kahlisch, seit knapp 30 Jahren Übungsleiter in Rathenow, hatte aber bereits nach dem 1:0-Sieg Ende Februar beim ärgsten Rivalen gewarnt, das Fell des Bären schon zu verteilen. Angesichts von sechs Punkten Vorsprung nach dem 21. Spieltag und zwei Partien weniger als TeBe wurde Kahlisch von vielen Experten da mal wieder der Tiefstapelei bezichtigt. So wie schon vor Beginn der Saison, als der inzwischen 61-Jährige Platz fünf als „machbar" für sein Team ausrief. Immerhin war Optik gerade mit nur einem Punkt Rückstand Vizemeister der Oberliga Nord geworden und hatte den Aufstieg in die Regionalliga erst in den Qualifikationsspielen gegen Germania Halberstadt verpasst.
Wie die Mannschaft mit dieser Enttäuschung umgehen würde, war zu diesem Zeitpunkt aber natürlich unklar. Dazu verlor der Trainerveteran mit Cihan Ucar (zu Regionalligist Nordhausen) und Dragan Erkic (zu TeBe, inzwischen Blau-Weiß 90) zwei Korsettstangen seines Kaders, die es 2016/17 zusammen auf insgesamt 33 Tore und 20 Vorarbeiten brachten. Und da man, so Kahlisch, in Rathenow nicht unbedingt mit dem Geld um sich werfen kann, war die Transferpolitik vor dieser Spielzeit eher zurückhaltend. Mit Cüneyt Top (FC Hertha 03) kam im Grunde nur ein Spieler mit Oberliga-Erfahrung dazu, den Großteil der Neuzugänge rekrutierte man dagegen aus der A-Jugend. Das Durchschnittsalter des Kaders fiel mit knapp 23 Jahren dadurch recht gering aus.
Nach 21 Spielen sechs Punkte Vorsprung
Die meisten Saisoneinsätze 2017/18 aber fielen dann doch auf die Erfahreneren im Team: Torwart Bjarne Rogall (28 Jahre), die Verteidiger Emre Turan (27) und Benjamin Wilcke (28), Mittelfeldspieler Marc Langner (27) oder Kapitän Jerome Leroy (28) sind alle jenseits der 25 und schon seit einigen Jahren in Rathenow. Und nicht zu vergessen natürlich Murat Turhan. Der mittlerweile 31-Jährige absolvierte mit einer kurzen Unterbrechung seine siebte Saison für den FSV Optik und traf wie vergangene Spielzeit wieder mehr als 30 Mal ins gegnerische Tor. Ingo Kahlisch und seine Mannen profitierten dabei von einem ausgezeichneten Start in die Spielzeit: acht Siege, ein Unentschieden – da bekam auch der bis dahin stärkste Widersacher, SV Lichtenberg 47, Schwierigkeiten zu folgen. Zumal Optik dann am 10. Spieltag den Verfolger auf dessen Platz auch noch mit 2:0 trocken abfertigte.
Die Konkurrenz gab sich jedoch nicht schon geschlagen – und dank zweier Nullnummern des Tabellenführers in Wismar und Strausberg blieb die Konstellation nach Ende der Hinrunde weiter spannend. Lichtenberg wies zu diesem Zeitpunkt vier Zähler Rückstand auf, und auch Mitfavorit Tennis Borussia hatte sich nach verpatztem Saisonbeginn unter dem neuen Trainer Thomas Brdaric auf sieben Punkte an Optik herangepirscht. Doch schon der erste Spieltag der Rückrunde, der noch im Jahr 2017 ausgetragen wurde, brachte Ernüchterung für die Konkurrenz: Denn während diese patzte, gewannen Kahlischs Schützlinge und nahmen beruhigende sieben Punkte Vorsprung mit unter den Weihnachtsbaum.
In der Rückrunde sollte sich dann alsbald Tennis Borussia als Rivale Nummer eins im Rennen um den Aufstieg herauskristallisieren. Unter Ex-Profi Brdaric, der die Lila-Weißen nach dem 3. Spieltag übernahm, bliesen die Charlottenburger zur Aufholjagd. So avancierten sie am Ende zum besten Team der Rückserie in der NOFV-Oberliga Nord – entscheidend herankommen sollten sie allerdings nicht mehr. Eine Woche, nachdem man Lichtenberg 47 zuhause mit einem 2:0 quasi aus dem Aufstiegsrennen gekickt hatte, stand Ende Februar der „Gipfel" gegen Optik Rathenow auf dem Spielplan. Nur noch drei Punkte trennten die Widersacher zu diesem Zeitpunkt – und obwohl der Tabellenführer zwei Spiele im Hintertreffen war, wäre ein Sieg für TeBe wohl psychologisch enorm wichtig gewesen. Doch es sollte nichts daraus werden: Wie in insgesamt 15 weiteren Ligapartien hielt Optik hinten dicht – und traf selbst ausgerechnet durch den Ex-Borussen Cüneyt Top zum 1:0-Sieg.
Allerdings war noch nichts vorüber, da behielt Ingo Kahlisch recht: Eine Woche darauf setzte es die erste Saisonniederlage überhaupt für die Rathenower, ein 0:2 beim FC Hertha 03 Zehlendorf. In der Folge wurde noch der eine oder andere Punkt liegen gelassen, und Tennis Borussia verbiss sich weiter in seine Aufstiegschance. Bis zum drittletzten Spieltag, als sich Brdaric und sein Team ebenfalls 0:2 in Zehlendorf geschlagen geben mussten – es sollte der am Ende entscheidende Patzer sein. Die obendrein publik gewordene Information, dass Tennis Borussias Trainer sein Amt nächste Saison nicht mehr in Charlottenburg ausüben würde, ließ darauf schließen, dass man bei den Veilchen nun doch den Aufstieg endgültig abgehakt hatte. Ingo Kahlisch aber nahm Gratulationen zum Aufstieg selbstverständlich erst nach dem Abpfiff des letzten Spiels entgegen.
Brdaric legt sein Amt bei TeBe nieder
Unterm Strich war es so ein durchaus zu erwartender Verlauf der Spielzeit in der Nordstaffel der NOFV-Oberliga. Die Berliner Mitfavoriten mussten am Ende gewissermaßen Spalier stehen – und das, obwohl Tennis Borussia, Lichtenberg 47 und Hertha 03 auf den Plätzen jeder für sich hervorragende Ergebnisse vorweisen konnten. Alle drei übertrafen ihre bisherigen Punktbestmarken in dieser Spielklasse deutlich – den 47ern gelang dies sogar zum rekordverdächtigen sechsten Mal in Folge. Beeindruckend auch das Abschneiden des SC Staaken auf Platz fünf – trotz Startproblemen behielt man beim Aufsteiger aus dem Spandauer Westen die Ruhe und bewältigte das Ziel Klassenerhalt schließlich mit Bravour.
Wesentlich turbulenter ging es da beim fünften Berliner Oberligisten, dem CFC Hertha 06, zu. Auch im dritten Oberligajahr hatten die Charlottenburger mit Abstiegssorgen zu tun und müssen noch in der Relegation nachsitzen, wenn die Vertreter aus der Süd-Staffel nicht verzichten. Dazu wurden bei den 06ern drei Trainer in einem Jahr verschlissen – ganz anders also als in Rathenow: Dort wird Ingo Kahlisch den FSV Optik in der 30. Saison seiner Amtszeit nun wieder durch die Regionalliga Nordost führen.