Leicht, gesund und frisch geht es in den schnellen Schüsseln im „Vollbluth" zu. Nicht nur zur Mittagszeit erfreuen sich die Gäste an Bowls, kleinen Gerichten und ausgewachsenen fleischlichen „Vollbiestern" in Schöneberg.
Nur wenige Schritte vom Viktoria-Luise-Platz lässt es sich gut herumschüsseln. Felix Leisegang und Andre Sawahn packen in ihrem Restaurant „Vollbluth" Gemüsestampf und grünen Salat als solide Veggie-Grundlage in die „schnellen Schüsseln". Schwarze Linsen, Fenchel, Ofenkürbis, Zwiebel-Relish und gegrillten Ahorn-Lachs obenauf, und schon kann’s losgehen. Auf einer Bank mit Springbrunnenblick etwa, wenn man sich die Bowl als Mitnehm-Gericht hat verpacken lassen. Oder auf der Terrasse, wenn hinter Weinstöcken ganz gepflegt aus Porzellan gespeist wird. In jedem Fall steht die gut gefüllte Schüssel, die uns Pia Köhler vom Service reicht, für frisches, gesundes und qualitätvolles Essen. So wie es Leisegang und Sawahn seit fünfeinhalb Jahren in ihrem „großen" Lokal, im „Jungbluth" in Steglitz, servieren. „Die Jungs sind Gemüseversteher", hatte ich der Begleiterin bei der Verabredung zum dienstlichen Frühnachmittagessen zugerufen. Was im Süden der Stadt klappt, funktioniert südlich der Lietzenburger Straße ebenso gut.
Der Gemüse-Kartoffelstampf ist schön stückig, dezent fein gewürzt und schmeckt nach sich selbst. Davon ist die Begleiterin angetan. Ich mag das süßsaure, strukturierte Zwiebel-Relish als kühle Würze zum Lachs und zu den Linsen besonders gern. Angeröstete Nüsse und Körner schmeißen sich als Extra-Knusper leidenschaftlich auf die Auflagen. Die üppige Schale mit allem Drum und Dran erfreut uns zu dritt beim Probieren, ohne dass wir ins gefürchtete „Suppenkoma" fallen.
Leichtigkeit ist ein Bestandteil des Konzepts, das auf gesunde und frische Küche setzt. Das freie Kombinieren von „Grünem", „Körnigem" und „Mariniertem" gehört ebenfalls dazu. Andre Sawahn und Felix Leisegang setzen bewusst auf viel Gemüse und Korn: „Wir sollten, so wie es die Welt vorgesehen hat, etwas mehr von dem essen, was nachwächst. Fleisch ist lecker, aber es sollte Ergänzung sein." Eine vegetarische Bowl kostet –
mit einer Soße oder einem Dip abgerundet – sieben Euro. Erweiterungen wie der Lachs, Mandel-Huhn, Pulpo, Entenwurst oder „Schweinebäuchlein" kosten drei bis fünf Euro zusätzlich. Damit sind die Preise alltagstauglich.
Leichtigkeit ist Teil des Konzepts
Überzeugend ist auch die Qualität, für die der Ableger „Vollbluth" ebenso wie die Steglitzer Mutterpflanze „Jungbluth" stehen. Wir wissen nicht, ob das Schwein und dessen „Bäuchlein" liebevoll handgestreichelt wurden. Aber wir wissen, dass auf Unfug verzichtet wird: Für zwei Euro pro Nase gibt’s vom guten Berliner Leitungswasser so viel, wie jeder möchte – „kalt, frisch, still oder gesprudelt", wie Pia Köhler ankündigt; der Obulus ist eher ein Beitrag zum Erhalt und Betrieb der Anlagen denn Gewinnbringer. Außerdem soll eine „Bowl to go" nachhaltig verpackt sein: „Kleinigkeiten", Geschüsseltes oder gar „Vollbiester" werden in Behälter aus Melasse gefüllt. Auch die mobilen Kaffeebecher wurden umgestellt. „Wenn wir schon Clean Eating machen, dann soll das auch in diesem Bereich so sein", sagt Andre Sawahn.
Von der „Berliner Kranperle" nehmen wir an diesem sommerlichen Nachmittag reichlich zu uns. Dabei würde Wein besonders gut zu den Bowls passen. Andre Sawahn rät uns, die kleine Weinkarte mit ausgewählten Weißen wie einem „Grauburgunder vom Kalkgestein" von Ludi Neiss aus der Pfalz oder einem „Riesling 50°" vom Weingut Schloss Johannnisberg im Rheingau oder einem „Tapps Rot" von Oliver Zeter aus der Pfalz zu beachten. „Ich persönlich finde Wein zur Bowl besser als Bier. Wein ist nicht so gehaltvoll und bringt den Geschmack der Bowls besser voran." Natürlich stehen dennoch Biere auf der Karte: „Quartiermeister"-Pils vom Fass und Ausgewähltes von den Craft-Beer-Brauern von Brewbaker, Brło, Berliner Berg, Heidenpeters und der Berliner Bierfabrik. Man arbeitet mit den Kaltgetränk-Auskennern von „Tante Frizzante" in Neukölln zusammen. Beim Blick auf die Karte gewinnen wir den Eindruck, dass auch die Heißgetränke wegen origineller Namen ausgewählt wurden: „Kaffee von Ridders" und „Tee von Schlürf" haben was von verarmtem Gourmet-Adel, der sich nun sein Geld mit Bohnen und Blättern verdienen muss.
Die Röllchen vom Roastbeef mit Petersiliensalat und einer sich lasziv auf dem Fleisch räkelnden, geschmorten Frühlingszwiebel nehmen wir als Nächstes beglückt zu uns. „Da ist selbst das Fleisch erfrischend", spricht der Feinschmeckerfotograf. Der Clou ist eine „ölfreie Mayonnaise" zu den Rindertranchen. Wie das? „Die Mayo ist aus Tofu gemacht", verrät Andre. Wir switchen in Richtung Vorderer Orient, als Pia Köhler uns eine Suppe bringt. „Unsere ‚Orientalische Linse‘, bitteschön." Rote Linsen, Orange, Kardamom, Chili und Kokosmilch vereinen sich vollcremig. Mit Kräutern und gerösteten Mandeln obenauf macht sie sich auch optisch hübsch. „Jedes Gericht hat etwas zum Draufbeißen", freut sich die Begleiterin. Wir sind allesamt „Team Suppe" – die warme Würze belebt und beschwert dennoch nicht an diesem heißen Tag.
Wer’s noch fluffiger mag, wäre bei einer „Zitronigen Velouté" aus Sellerie, Fenchel, Zitronengras und Rahm gut aufgehoben. Die „Kräftige Klare" aus Rinderessenz, mit Rindertranchen, Bioeigelb und Zwiebel-Relish mag dagegen kühleren Tagen oder dem Hunger nach zehrenderen Betätigungen vorbehalten bleiben. Die Suppen bleiben mit sechs bis neun Euro in derselben preislichen Range wie die Bowls. Versteht sich, dass es im „Vollbluth" auch das klassische kühle Grün gibt. Bei den Salaten stehen ein „Veggie All In" ebenso wie die Modelle „Surf" mit Lachs oder „Turf" mit Rind und ein „Fruchtsalat Thai Style" mit Papaya, Minze und Cashews auf der Karte. Je nach Fleisch- oder Fisch-Anteil kosten sie sechs bis 13 Euro.
Nachhaltigkeit bei Verpackungen
Jetzt geht’s ran an die „Vollbiester"! Damit sind weder Andre Sawahn und Felix Leisegang als Chefs noch ihre vier Angestellten oder die Aushilfen gemeint. Mit diesem Begriff sind die großen Fleischlichkeiten für die Momente, in denen es doch etwas mehr als die Beilage zur Bowl sein darf, zusammengefasst. Ein beeindruckend dickes, großes Kotelett vom Duroc-Schwein ist unser persönliches „Vollbiest". „Wir reden da von 200 bis 250 Gramm gutem Fleisch auf dem Teller", sagt Sawahn. Die Alternativen zu unserem Schwein am Knochen sind ein Entrecôte vom irischen Weiderind oder ein Steak vom norwegischen Lachs. Versteht sich, dass so ein gutes Tier etwas mehr gutes Geld kostet: Für eine Portion ist man mit 22 bis 28 Euro dabei. Wir säbeln uns angriffslustig durch die schöne, nicht zu magere Scheibe von unserem Schweine-Rippenstück. Der stückige Gemüsestampf und Salat gehören auch hier standardmäßig dazu. Der Chef reicht noch eine Schale Avocado-Dip an – hui, die ist mal scharf!
Mit sehr gut durchbluteten Nasenschleimhäuten führe ich das Gespräch mit Andre Sawahn fort. Wie kam es zur Expansion mit den schnellen Schüsseln vor gut einem Jahr? „Wir hatten schon lange überlegt, einen zweiten Laden aufzumachen, und auf einmal war er da", erzählt Sawahn. Das Lokal liegt in der ruhigen Wohn- und Bürogegend zwischen Viktoria-Luise-Platz und Wittenbergplatz. „Wir haben das Lokal gesehen und wussten, das ist es." Die beiden Innenräume bieten 40 Gästen Platz und auf der Terrasse gibt es weitere 30 im Freien. Ähnlich wie im „Jungbluth" bauten Felix Leisegang und Andre Sawahn das von den Vorbesitzern Vorhandene weiter aus. „Wir haben vor allem die Küche professionalisiert, damit die Abläufe gut funktionieren."
Im ersten Jahr war einer der beiden Mittdreißiger und gelernten Köche jeden Tag vor Ort, um den Laden zum Laufen zu bringen. „Wir mussten ein Konzept entwickeln, das unsere Qualität hält, aber auch ohne uns ständig vor Ort funktioniert. Jetzt haben Felix und ich uns wieder mehr herausgezogen und die Fackel der Erleuchtung weitergegeben." Deren konkretes Resultat schmeckt leicht, frisch und lecker, so viel steht fest. Und das „Vollbluth" hat sich als guter Anlaufpunkt für schnelles, unkompliziertes und gesundes Essen für die Momente, in denen es nicht zu „restaurantig" werden soll, in Schöneberg etabliert.