20 Jahre „Victor’s Fine Dining by Christian Bau" auf Schloss Berg sind zwei Dekaden einer unvergleichlichen Erfolgsgeschichte. Aus dem Aufsteiger von damals ist heute einer der besten und renommiertesten Köche der Welt geworden. Ein Grund zum Feiern.
Im April feierten Christian Bau und das Restaurant „Victor’s Fine Dining" auf Schloss Berg 20-jähriges Bestehen. Nach ersten Stationen in Offenburg und Sasbachwalden bei Sternekoch Gutbert Fallert arbeitete der heutige Drei-Sterne-Koch als Sous Chef im Drei-Sterne-Restaurant „Schwarzwaldstube" in Baiersbronn bei Harald Wohlfahrt. 1998 wechselte er zur Victor’s Hotelgruppe, als Küchenchef und Gastgeber des damaligen „Victor’s Gourmet-Restaurants Schloss Berg" in Perl-Nennig, heute „Victor’s Fine Dining by Christian Bau". Noch im selben Jahr errang er den ersten Michelin-Stern, im Folgejahr den zweiten, ehe im November 2005 der dritte Stern folgte, den Bau bis heute regelmäßig verteidigt hat.
„Für mich war immer zweitrangig, wo meine Arbeitsstelle ist", erzählt er. „Ausschlaggebend war für mich, was ich an Rahmenbedingungen habe. Ob ich das machen kann, wofür mein Herz schlägt. Ob ich mich frei entfalten kann." Genau diese Chance boten ihm damals die Unternehmer Hartmut Ostermann und Susanne Kleehaas, die dem bis dahin noch unbekannten Nachwuchskoch eine Chance gaben. „Ich bin damals aus einem rasenden ICE – das war die ,Schwarzwaldstube‘ seinerzeit, von Mittwoch bis Sonntag immer ausgebucht – abgesprungen und sollte schnellstmöglich etwas Neues aufbauen", erzählt Christian Bau im Rückblick. „Ich hatte überhaupt keine Zeit, mich mit anderen Dingen als mit dem Restaurant zu beschäftigen. Für mich war damals sekundär, ob dies in Hannover, München oder hier im Dreiländereck war." Er sah vor allem die Chance in der Aufgabe.
Anfang April 1998 feierte das Restaurant Eröffnung. Bau erinnert sich: „Das Küchenteam musste sich erst einmal einspielen. Außer meinem Oberkellner, den ich von der ,Schwarzwaldstube‘ kannte, waren alle Gesichter neu. Ein Teil der Mitarbeiter war schon zuvor da, andere stellte ich am Telefon ein. Wir trafen uns in der Küche, und ich erzählte den Mitarbeitern, was wir umzusetzen hatten." Die erste Karte war für einen Feinschmeckertempel eigentlich zu groß, doch es funktionierte. Fünf kalte Vorspeisen, zwei Suppen, zwei Zwischengerichte, vier Fischgerichte, fünf Fleischgerichte, zwei Käsegerichte und fünf Desserts. Dazu noch einige Menü-Variationen. Am ersten Abend kamen 25 Gäste, und an einen Tisch erinnert sich Christian Bau noch besonders. „Ein Tisch mit fünf Personen, ein Gast hier aus Perl mit Freunden. Er war schon Stammgast in Baiersbronn und freute sich sehr, dass ich jetzt auf Schloss Berg war. Die Sechs wollten einfach alles probieren, was wir kochten." Kein Menü, nur à la carte-Bestellungen.
Nach knapp acht Monaten bereits der erste Stern
„Mit dem Erfahrungsschatz von heute würde ich manches anders angehen", betont Bau in der Rückschau. „Ich würde das Restaurant erst einmal 14 Tage zulassen, bis ich wirklich so weit bin. Damals habe ich bis zum letzten Tag bei Harald Wohlfarth gearbeitet, um ihm einen Gefallen zu tun. Am 30. März war der Deutsche Fußball-Bund dort zu Gast und ich half aus. Ich war einfach zu unbedarft und gutmütig."
Die ersten Jahre auf Schloss Berg waren geprägt von jeder Menge harter Arbeit. Von Enthusiasmus, Tatendrang und Experimentierfreude. Bau wohnte sozusagen in der Küche. An seinen freien Tagen bereitete er die Karte der nächsten Woche vor. Oft stand er alleine in der Küche und löste Lamm- oder Rehrücken aus. Morgens um 8 Uhr ging es los, und nach dem Abendessen versammelte sich die halbe Kochmannschaft in der Küche. „Wir standen einmal noch bis zwei Uhr in der Küche und zauberten eine neue Langustinen-Variation", schmunzelt Christian Bau, wenn er sich erinnert.
Die Tage hatten oft 16, 17 Stunden. Doch sein „engagiertes, wildes Team" zog mit, denn seine Köche waren von ihrem Chef schlicht begeistert. Sie merkten, dass ihre Kreativität gleichermaßen gefragt und geschätzt war. Umgekehrt war es für Bau ein tolles Erlebnis, mit solch motivierten Mitarbeitern in der Küche zu stehen. Ein Team das mitzog, wenn es galt, mitzuziehen. Der Lohn dieser Mühen ließ nicht lange auf sich warten. Nach siebeneinhalb Monaten winkte der erste Stern. Für Bau bis heute unfassbar. Ursprünglich war die Zielsetzung, binnen fünf Jahren den ersten Stern zu erkochen und sich so unter den besten Restaurants des Landes zu etablieren. Nun war dieses Ziel nach noch nicht einmal acht Monaten erreicht.
Und der Weg ging auch danach weiter steil nach oben. Knapp 20 Monate nach der Eröffnung folgte bereits der zweite Stern. „Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Ich war gerade erst 28 Jahre alt. Das war unvorstellbar." Und er räumt gleichzeitig ein: „Wir verloren kurz die Bodenhaftung, die wir aber schnell wiedererlangten." Neben Gourmets kamen plötzlich die bedeutendsten Köche Deutschlands, um bei ihm zu essen. Von Heinz Winkler über Dieter Müller bis Jean-Claude Bourgueil und viele andere mehr. Sie alle wollten schmecken, was dieser junge Bursche in Perl so kochte. So schnell hatte in Deutschland noch nie ein Koch seinen Sternenflug angetreten. Heute ist er mit all diesen Kochlegenden befreundet und schon lange selbst ein Teil der Legende.
Neuausrichtung auf dem Höhepunkt
Doch Bau ließ auch danach nicht nach, arbeitete immer weiter. Er reiste viel, immer auf der Suche nach neuen Ideen, und verfeinerte seine Kochkunst. Ob dies zum dritten Stern reichen würde, stand dennoch in den Sternen. Heute weiß Christian Bau: Er wurde von Michelin 2003 und 2004 jeweils acht Mal getestet. 2005 war es dann soweit: Bau bekam als jüngster deutscher Koch den dritten Stern – und war damit in der Riege der ganz Großen angekommen.
Seit Mitte der 1990er-Jahre war Christian Bau fasziniert von der asiatischen Küche. Er war beeindruckt von den Märkten, erstaunt von der hohen Qualität der Produkte. Die asiatische Kochkunst wurde sein Ding. Ein Wagnis, denn die großen europäischen Restaurantführer verlangten damals eine klassische französische Küche. Diesen Stil ändern zu wollen war seinerzeit ein unkalkulierbar großes Risiko. „Anfangs hatte ich mich tatsächlich nicht getraut, diese asiatischen Einflüsse umzusetzen, da wir unter dem Dogma der französischen Restaurantführer standen. Gewollt habe ich es schon lange, schon 1996 hatte ich die Idee dazu."
Anfang 2005 wurde mit Genehmigung der Geschäftsführung einiges im Restaurant verändert. Es gab neues Porzellan, und auch optisch wurde so manches neu gestaltet. Im Januar war der Chef von Michelin Frankreich zu Gast. Roland Forgeng, ein Elsässer. „Nach seinem Essen sagte er mir, seien Sie sich gewiss, Sie stehen bei uns auf der Agenda." Bau konnte aufatmen.
Und dann kam der dritte Stern Ende des Jahres. Für eine große Feier war keine Zeit, doch die ungeheure Anspannung für das Restaurant und die Familie fiel schlagartig ab. Bau schlief eine Nacht und dachte am nächsten Morgen: „Im Grunde haben wir alles erreicht. Aber das kann es doch nicht gewesen sein." Diese Art der Küche machte ihm einfach keinen Spaß mehr. Für Außenstehende vermutlich unbegreiflich. Da ist einer auf dem Zenit angekommen – und doch unzufrieden.
„Ich wollte nicht mehr eine Marionette des Systems sein", erklärt er. „Ich war 34 Jahre und wollte nicht mehr in der schwarzen Bundfaltenhose durch mein Restaurant rennen. Ich wollte einfach mal eine Jeans anziehen können, mich nicht jeden Tag rasieren müssen. Mir fehlte in dieser Welt die Lockerheit. Und ich wusste, für welche Küche mein Herz schlägt. Ich wollte nicht mehr dieses Zwangskorsett für den Erfolg tragen."
Er wollte auch nicht mehr die drei Tenöre im Restaurant hören. Christian Bau lechzte nach Veränderung, auch wenn kaum jemand seine Beweggründe verstehen konnte und wollte. Bis auf Susanne Kleehaas und Hartmut Ostermann. Jene beiden, die ihm damals die Chance auf Schloss Berg gegeben hatten. Sie hörten ihm zu. Versuchten zu ergründen, was ihn so beschäftigte – und gaben schließlich grünes Licht. Er hatte freie Hand, seine Vorstellung umzusetzen und die Ausrichtung des Restaurants so zu ändern, wie er es für richtig hielt.
Wegbereiter einer neuen Generation
Ab dem Frühjahr 2006 integrierte Christian Bau die asiatische Kochkunst in seine Karte. Neue Gewürze kamen in die Küche, die Fonds wurden anders zubereitet. Er ließ sich aus Asien Produkte schicken. Auch aus dem Orient integrierte er Produkte in seine Küche. Weg von der französischen Küche, mit weniger Sahne und Butter. Mehr Vinaigrette und klare Fonds statt Cremesaucen. Bau merkte schnell, dass dies bei seinen Gästen ankam. Sie gingen seinen Weg begeistert mit. Immer häufiger reiste er nach Asien und brachte immer neue Einflüsse mit. Er versuchte nicht, die asiatische Küche zu kopieren. Er versuchte, sie in seiner ganz eigenen Küche zu integrieren. Weltoffen, leicht, zeitgemäß. Wie kaum ein anderer Spitzenkoch zu dieser Zeit hatte er begriffen, dass die Art zu kochen sich verändern musste.
Was damals das Werk eines Pioniers war, ist heute für viele junge Köche vorbildhaft. Anfangs wusste Christian Bau selbst nicht, ob die Restaurantführer seinen Weg mitgehen würden oder ob der Absturz ebenso jäh kommen würde wie damals sein kometenhafter Aufstieg. Heute wird in großen Küchen von den Alpen bis zur Nordsee so gekocht. Der Pionier von damals wurde zum Influencer. Einer, der viele Kollegen inspiriert und beeinflusst hat. Vieles behielt er bei, neue Kochtechniken, Gewürzspektren und Geschmacksbilder kamen hinzu.
In Asien ist der Grundfond die Dashi, ein Fischfond mit Bonitoflocken. Dieser Fond wurde integriert, das Geschmackserlebnis erweitert. Dennoch finden die traditionellen Fonds auch weiterhin in seiner Küche ihren Platz. Algen spielen heute eine große Rolle in der Küche. Aber auch die klassische Gänsestopfleber bleibt erhalten. Zwar nicht mit Frucht oder Sauternes-Gelee, dafür mit Algen.
Bau nimmt nicht für sich in Anspruch, alles neu geordnet zu haben. Viele Kollegen, auch in Frankreich, gingen diesen Weg auch schon. Allerdings hat er mit diesem Stil junge, deutsche Köche maßgeblich beeinflusst. Die Welt wächst immer mehr zusammen. So wie technische Errungenschaften der Raumfahrt oder des Motorsports irgendwann Einzug in unser Alltagsleben halten – Materialien für Kleidung etwa oder Sicherheitssysteme in unseren Fahrzeugen –, so beeinflussen auch die großen Köche dieser Welt mit ihren Innovationen oder ihrer Produktauswahl unser tägliches Leben.
Ein Beispiel: Bei einem Thailand-Urlaub lernten Baus Töchter die sogenannte Mangostan-Frucht kennen. Sie ähnelt vom Aussehen einer Mandarine und ist verwandt mit der Litschi. Dieses Obst kam bei den Kindern richtig gut an. In Thailand ist sie so gängig wie hier Äpfel oder Birnen, doch bei uns in Deutschland gab es diese Frucht nicht. Er forschte, wie er sie bekommen konnte. „Heute können Sie diese Frucht in Perl im Supermarkt kaufen. Nicht immer, aber immer öfter", erzählt er stolz.