… auch, wenn die Plus-Size-Mode noch keinen Stammplatz im Rahmen der Fashion Week gefunden hat. Momentan gibt es dort keine eigene Messe für das immer wichtigere Marktsegment – die Labels suchen daher nach anderen Möglichkeiten, ihre Entwürfe direkt an die Kundin zu bringen.
Ach, Plus-Size-Fashion, Du hast es nicht leicht in der Modestadt Berlin! Auf der Fashion Week erst recht nicht. Die Bilanz für die Mode-Woche vom 3. bis zum 7. Juli ist ernüchternd: keine nennenswerte Präsenz von Plus-Size-Unternehmen auf der Panorama-Messe. Ein einziges Event, die Plus-Size-Lounge mit Castings zu den Plus Size Fashion Days in Hamburg, ist für den 4. Juli gelistet. Es bleibt zu vermelden: Alles schwierig mit dem Kleidungs- und Modesegment, das eigentlich so gar keine Nische, sondern die Norm plus X abbildet – die weibliche Durchschnittskonfektionsgröße in Deutschland liegt laut Statistischem Bundesamt bei 42/44.
Messe nur für kleine Größen?
In den vergangenen beiden Jahren hatten die Einkäufer auf dem Messegelände unter dem Berliner Funkturm noch in zwei Hallen die Gelegenheit, größere und kleinere Labels aufzusuchen. Und zumindest 2016 gab es sogar Mini-Modenschauen auf einem zugegebenermaßen eher halbherzig organisierten Catwalk. Jetzt aber fährt die Messe Panorama einen anderen Kurs: „Wir haben die Unternehmen in den Womenswear-Bereich integriert", sagt Tom Heise vom Panorama-Marketing. „Das ist auch ein Anliegen der Brands selbst gewesen." Unter den neuen Vorzeichen haben sich nun acht Unternehmen in Halle 5 eingebucht, darunter MAT Fashion, Luukaa, Sophia Curvy und Seeyou. Sie werden im Segment „Belle" ihre Muster für das Frühjahr 2019 zeigen.
Dennoch ist nicht zu übersehen, dass viele Marken bei der Sommer-Ausgabe der Panorama nicht mehr dabei sind, obwohl sie es in den vergangenen Jahren noch waren. Lohnt sich für sie eine Messepräsenz nicht? Gehen sie hier im überwältigenden Angebot – denn die Panorama ist nur eine von einem halben Dutzend Messen rund um die Fashionweek – womöglich unter?
Manche der Plus-Size-Labels erreichen ihre Kunden, die professionellen Einkäufer aus Boutiquen, Kaufhäusern oder Concept Stores, ohnehin besser auf anderen direkten Wegen. „Wir setzen auf Hotelshows oder Plus-Size-Events, die wir bei unseren Kunden vor Ort ausrichten", sagt Jessica Maiazza, Merchandising Manager von Adia in Deutschland. So kämen Rabattaktionen Einzelhändlern und Endkundinnen direkt zugute. Das dänische Label plant, sich künftig zur Orderzeit in einem Hamburger Modezentrum in einen temporären Showroom einzubuchen. Adia steht beispielhaft für andere nordische Labels – Marken wie Zizzi, Junarose oder Adia wählen eher Hamburg als Berlin für den Markteintritt in Deutschland.
Onlinemarkt statt Messestand
Bei Sheego dagegen war das Ende der Kooperation mit der Londoner Designerin Anna Scholz auch das Ende für den Messe-Auftritt. „Anna Scholz by Sheego" kam zweimal jährlich mit einer eigenen Kleider-Kollektion heraus; da diese jetzt entfällt, lohnt auch der teure Messeauftritt nicht mehr. Sheego selbst bringt monatlich neue Stücke auf den Markt – und will sich im Herbst mit Pop-up-Stores in Hamburg und München präsentieren.
Der Trend zur Fast Fashion, die immer rascher Neues in Onlineshops und Läden bringt, ist auch in den Plus Sizes unübersehbar. Da passt Onlinehandel aus Unternehmenssicht häufig besser. Der Onlinemarkt ist schneller, leistet anderes als eine Messe. Da es nur wenig Boutiquen und häufig allenfalls kleine „Große Größen"-Ecken in Kaufhäusern gibt, liegt die Plus-Size-Branche längst im globalen Handelstrend: Onlineverkauf mit „Schnelldrehern" und allenfalls zeitweiliger Analog-Präsenz in Pop-up-Stores. Mit allen Vor- und Nachteilen für die Kundinnen: Auswahl nach briefmarkengroßen Fotos am Monitor, Anfassen und Anprobieren zu Hause, Retouren sind selbst zu erledigen. Dezentrale Lagerhaltung und Mietkosten fallen als Risiko aber auch für Einzelhändler weg. Direkter Verkauf an die Endkunden bei Händlern wie Happy Size, Bonprix oder Ulla Popken oder indirekter über große Versender wie Asos, Navabi oder Wundercurves ist im Plus-Size-Bereich längst gang und gäbe. Kleinere Labels wie der Züricher Designer Adam Brody mit seinen Premium-Kleidern beispielsweise fanden ohnehin über die Messe Panorama zu wenig Absatz. Ein je nach Größe, Personaleinsatz und Messebau mehrere Tausend Euro teurer Stand für ein paar Tage rentiert sich für sie meist nicht.
Und eine Messe eigens für die Plus-Size-Designer? Die gab es mit „Curvy is Sexy" während der Fashion Week – immerhin bis Januar 2016, als sie zum letzten Mal stattfand. Hier waren sogar drei kleine, vom Veranstalter gesponserte Flächen für die Nominierten des „Young Designer Awards" reserviert.
Inzwischen kooperieren die großen Labels gezielt mit Designern für limitierte Kollektionen: Michael Michalsky entwarf unlängst eine an Sportswear anlehnende, exklusive Kollektion für Happy Size. Kurz vor der Fußball-WM folgte Katja Heidrich von Mable mit einer Athleisure-Kollektion. Und die „Curvy is Sexy" ist nach einer zweijährigen Pause auch wieder da – allerdings Ende Juli in Düsseldorf und mit einem geänderten Konzept, das das gesamte Größenspektrum von S bis XXL abdecken soll und sich ebenfalls an Endkunden wendet.
Die Situation für die Einkäufer wird ohne eine nennenswerte Plus-Size-Messe in Berlin nicht einfacher, zumal es mit New York und Paris nur einige wenige weltweit wegweisende Messen gibt. Die Modedesignerinnen Jasmin Moallim und Julia Chevalley sind die Inhaberinnen des Plus-Size-Concept-Stores „Les Soeurs Shop". Sie zählen zu den Fachbesucherinnen, die auf den Messen für ihren Berliner Laden und ihren Onlineshop ordern. Jasmin Moallim wünscht sich eine Internationalisierung, mehr Kooperationen der Händler und mehr Relevanz der Messen.
„Die Kollektionen haben Nachholbedarf, überhaupt zu den Trends aufzuschließen", sagt sie. Culottes – die blieben und würden möglicherweise Dauerbrenner. „Aber wo sind die Crop Pants in Größe 48?" Freilich weiß die Geschäftsfrau in der Designerin, dass viele ihrer Kundinnen eher ein alltagstaugliches Kleid für Job und Koffer als einen fancy Instagramerinnen-Look mit transparentem Mesh-Kleid oder bauchfreie Jeans wünschen. Beides sind legitime Bedürfnisse der Kundinnen. Aber sie sind für wirtschaftlich ausgerichtete und insbesondere kleinere Unternehmen schwer gleichzeitig zu erfüllen. Dennoch ist es mit der Messe als Mode-Forum, auf dem sich auch die Fachleute inspirieren lassen können, nicht einfach. „Für uns ist es schon ernüchternd. Es fehlt der Fashion-Spaß mit coolen Styles, die aktuell sind", spricht die Designerin in der Geschäftsfrau.
Hamburg hat ein Herz für Plus Size
Modestadt Berlin in den Plus Sizes? Wo findet sie sich noch? In einigen Labels wie bei Evelin Brandt, die seit jeher von Größe 34 bis 52 schneidert und zwei Geschäfte und ein Outlet in Berlin führt. Oder in der neuen, eigenen Marke „Loved by Les Soeurs", die Jasmin Moallim und Julia Chevalley langsam aufbauen. Im Geschäft „Allet Rund" in Kreuzberg, in dem Joachim Semrau Kleidung kleinerer Labels und Designer anbietet oder in der Boutique „extraweit" in der Augsburger Straße. Natürlich gibt es die großen Ketten wie Ulla Popken, die inzwischen mit ihrer Linie „Studio Untold" auf jüngere Kundinnen abzielt. H&M dagegen verbannt die größeren Größen geradezu verschämt in die sogenannten „Unsichtbarkeitsecken" – in entlegene Bereiche der Stores, aber auch im Webshop ist Trendiges in größeren Größen nicht auf Anhieb zu finden.
Aber es geht auch anders! Wie, das machen seit 2013 die Plus Size Fashion Days in Hamburg vor. Mit Labels von C&A über die italienischen Designerinnen von „Brunello Barbieri" bis zum belgischen „Paprika" ist so ziemlich alles vertreten, was modebewussten Plus-Size-Frauen Spaß macht und unterschiedliche Geschmäcker trifft. Beim Gala-Abend gibt sich die Szene mit großer Catwalk-Show und Empfang ein Stelldichein. Am Folgetag können die meisten Looks erneut auf dem Laufsteg angeschaut und bei den ausstellenden Marken und Händlern vor Ort gekauft werden. Dieses Jahr stehen die Plus Size Fashion Days unter dem Motto „Cabaret", und es dürfte so einiges an verruchteren, körpernahen Looks und Dessous zu sehen sein. Da verwundert es nicht, dass Tanja Marfo, die Unternehmerin hinter den Plus Size Fashion Days, dieses einzige Side Event im Rahmen der Fashion Week in Berlin gemeinsam mit dem Sponsor Happy Size ausrichtet: Am 4. Juli findet von 11 bis 18 Uhr im Inclover-Studio in Charlottenburg die Plus-Size-Lounge mit Castings für die Shows in Hamburg, Panel-Talks mit Experten aus der Branche und mit viel Raum zum Networking statt. Werbung auf der Berliner Fashion Week für ein Mode-Event in Hamburg? Vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass die Hauptstadt in der seit jeher online eng vernetzten Plus-Size-Fashion-Welt nur ein Fähnchen auf der Landkarte ist.