Wenn ich mich früher im Rest der Republik als Saarländer geoutet habe, war höfliches Zur-Kenntnis-nehmen eher die Regel, manchmal auch mitleidiges Lächeln, oder neugieriges Interesse, wieso man in Frankreich doch ein einigermaßen verständliches Deutsch spricht. Das hat sich deutlich geändert. Saarländer? Ah ja, ihr seid das doch, die die Republik übernehmen. Seit der Regierungsbildung im März und dem Wechsel von AKK nach Berlin, samt medialer Begleitmusik über „die Saarländer" fühlt sich das alles anders an. Wenn jetzt auch noch der „Spiegel" in seinem Ranking der beliebtesten Politiker auch Sahra Wagenknecht gleich als eine weitere Spitzenpolitikerin aus dem Saarland vermerkt, umso besser. Spätestens dann kommt meist noch die Nachfrage nach Oskar Lafontaines Wohlbefinden. Man sollte nicht vergessen, dass auch der ranghöchste Soldat, Eberhard Zorn, ein Saarländer ist, ergänze ich dann, um die ganze Bedeutung der Entwicklung zu untermauern. Wie kommt’s, dass dieses kleine Land am Rand der Republik, das immer noch viele für einen ziemlich verrußten Fleck halten, in dem vor allem Halbfranzosen hausen, derart überproportional viel politisches Spitzenpersonal hervorbringt? Natürlich sprudeln dann aus mir sämtliche Vorzüge, die in der Regel im Spannungsfeld zwischen Harigs „Harmonie der Widersprüche" und dem „Saarländischen Weg" münden. Dass das alles, obwohl zutreffend, als Erklärungsmuster höchst spekulativ ist, versuche ich mir möglichst wenig anmerken zu lassen. Warum es aber dann die geballte Macht aus dem Saarland nicht geschafft hat, dem bayrischen Schmierentheater, das den letzten Rest von Vertrauen in „die Politik" aufs Spiel setzt, Einhalt zu gebieten, ist genauso schwer zu erklären. So mancher Saarländer hat in den letzten Tagen die drängende Hoffnung verspürt, die Bayern mögen sich endlich mit ihrem Freistaat davonschleichen. Vielleicht hegen die Saarländer in Berlin viel gewieftere Pläne. Wenn die Bayern schon nicht die Grenzen zum Rest Deutschlands dicht machen – weil sie ja ihre eigene Staatsgrenze gegen den Rest der Welt schützen wollen – könnten doch einfach die anderen Länder erst austreten und dann eine neue Republik – ohne Freistaat – gründen. Mit Abstimmungen, wohin man gehören will, haben die Saarländer schließlich Erfahrung.
POLITIK
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Die Macht von der Saar
Politik - Kolumne
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