Saarmojis, digitale Bildzeichen, die den saarländischen Besonderheiten ein Gesicht geben, werden heutzutage verschickt. Neben grinsenden Lyoner-Ringeln sorgen 18 Kultur-Saarmojis für Aufmerksamkeit – sogar der Kultusminister wirbt für sich.
Insgesamt 20.000 Downloads, davon über 4.000 außerhalb Europas. Circa 300 Nutzer pro halbe Stunde, über 1,1 Millionen versendete Zeichen. Und das seit März dieses Jahres. Das Update für die nächste Version ist bereits in Planung. Die Geschichte der Saarmojis dauert noch nicht lange, aber sie liest sich äußert erfolgreich. Falls Sie die digitalen Bildzeichen noch nicht kennen: Es handelt sich um eine Art regionale Variante der Emojis, jene Smileys und Symbole, die aus der digitalen Kommunikation nicht mehr wegzudenken sind. Mit bislang 398 Motiven wollen die Macher das regionale Lebensgefühl in der digitalen Welt vermitteln. Man lädt die gleichnamige App auf das Smartphone und kann dann über die Tastatur die Saarmojis in Nachrichtendiensten wie Whatsapp verschicken. Einziger Unterschied zu den Original-Emojis: Die Zeichen sind grafische Elemente, die man als Bild kopieren und einfügen muss. Ein Klick mehr Aufwand, der einem echten Saarländer den Gag wert ist.
Hinter der Idee steht Zymryte Hoxhaj, Kommunikationsdesignerin und Mitbegründerin der Kreativ-Agentur Bureau Stabil sowie ihre beiden Kollegen, die Illustratoren Olga Günther und Stefan Grenner. „Wir sind eine Bürogemeinschaft, keine riesige Werbeagentur. Das zeigt, es braucht nicht immer Millionen-Budgets, um Wellen zu schlagen. Wir waren Feuer und Flamme für die Idee und haben eine
Menge Arbeit reingesteckt. Die Saarmojis funktionieren wie eine Saarland-Kampagne. Das war auch für uns krass", sagt Hoxhaj.
Das mediale Echo reicht bis in die großen nationalen Tageszeitungen. Die Kommentare schwanken zwischen Erstaunen und Belustigung. Die neckischen Randbemerkungen über den seltsamen Dialekt oder sonderbare Grillgewohnheiten nimmt der Saarländer mit Humor. Denn als erstes Bundesland überhaupt hat es nun eigene Emojis. Dieser Fakt schmeichelt nicht nur der Heimatseele, sondern passt auch zeitlich ganz gut ins Programm. „Jetzt aber, da das Saarland mit zwei Ministern und einer potenziellen Merkel-Nachfolgerin mit Namenskürzel AKK in Berlin vertreten ist, muss der Rest der Republik seine Ignoranz ablegen", schreibt etwa die „Süddeutsche Zeitung".
Mit Selbstironie und Humor will man den Lokalpatriotismus aufgreifen, ohne ihn überzubetonen. Am häufigsten wird die lachende Lyoner-Wurst versendet. Dicht gefolgt von den Mundart-Sprüchen „Unn" und „Awa Hunnert Prozent". Dass alle Klischees falsch sind, ist eben auch eins. Für Hoxhaj ist dieses Ranking auch aus einem anderen Grund logisch. Emojis sind ein Mittel der Alltagskommunikation. Salopp gesagt: Wir essen öfter als wir eine Ausstellung besuchen. „Die Nutzung der Motive hängt natürlich auch davon ab, was im Saarland gerade los ist. Während des Festivals Perspectives zum Beispiel sind die Zahlen des entsprechenden Saarmojis deutlich gestiegen."
Regionale Emoji-Varianten
Sieht man sich die Kultur-Symbole genauer an, wird schnell klar: Man muss in der Lage sein, sie zu deuten. Was simpel klingt, ist in Wahrheit tückisch. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht kommt es dabei auf persönliche Erfahrungen und Hintergründe an. Es kann nicht immer vorausgesetzt werden, dass Zeichen richtig interpretiert werden, ganz so, wie es sich beispielsweise beim Flirten verhält: Die Frage, was man signalisieren will und was ein anderer versteht, ist bedauerlicherweise nicht immer so eindeutig, sondern führt zu manchem Missverständnis.
Was bedeutet es dann, den saarländischen Minister für Bildung und Kultur, Ulrich Commerçon, als Saarmoji zu verschicken? Ein Bild des Centre Pompidou oder des Pingusson-Gebäudes? Das Logo des Festivals Perspectives oder der Hochschule für Musik? Wie liest das der Empfänger? Der muss das Motiv zunächst erkennen. Setzt man eine gewisse kulturelle Affinität voraus, erfüllen die Kultur-Saarmojis den gleichen Zweck wie die große Variante, die Emojis. Sie dienen der sprachlichen Ergänzung, weniger ihrem Ersatz. Sie geben zum Ausdruck, was dem geschriebenen Wort fehlt, nämlich eine Stimmung, Vertrautheit, Gestik und Mimik. Während Kritiker in den Emojis eine Sprachverblödung sehen, betonen Befürworter, wie sehr sie das kommunikative Spektrum erweitern. In Anbetracht der Download-Zahlen kann man davon ausgehen, dass auch die Kultur-Saarmojis gesehen und registriert werden – und erweitern damit vielleicht sogar das kulturelle Spektrum der Nutzer.
Über das aktuelle Repertoire der Kultur-Saarmojis hat auch das Ministerium für Kultur und Bildung mitentschieden. „Wir haben das Projekt finanziell mitgestemmt, also haben wir uns ausgiebig Gedanken gemacht, welche Motive Sinn ergeben. Wir hatten viele Ideen. Was umsetzbar ist, unterlag natürlich den kreativen Gestaltungsprozessen, da haben wir der Agentur nicht reingeredet. Für uns war wichtig, dass auch Institutionen und Gebäude reinkommen, die Kulturgut sind, genauso wie nicht kommerzielle Veranstaltungen", heißt es seitens des Ministeriums. Die Auswahl habe dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und Hoxhaj ergänzt, dass in der nächsten Version weitere Motive geplant sind, etwa zum Poetry Slam oder zum Festival Rocco del Schlacko.
Auch die anderen Kategorien sind offen und sollen weiterentwickelt werden. Im Ministerium sieht man vor allem das Potenzial, junge Menschen für kulturelle Medienbildung zu begeistern. Digitale Bildzeichen treffen indes nicht nur die Lebenswelt der Jugendlichen: Saarmojis werden am stärksten von 25- bis 54-Jährigen genutzt. In dieser Zielgruppe scheint die Heimat-Euphorie am größten. Schüler können sich in Ideenwettbewerben kreativ einbringen. Ab Spätsommer sind Workshops an Schulen geplant, in denen Schüler und Künstler gemeinsam neue Motive entwickeln.
Vielleicht hält deswegen der Saarmoji-Minister ein Schulbuch in der Hand? Er hat ein übergroßes Gesicht, einen lässigen Dreitagebart und wechselt seine Haar- und Hautfarbe. „Wir waren uns unsicher, wie wir ihn darstellen sollen. Wir wollten ihn möglichst greifbar machen, nahbar für Jung und Alt. Da war die Idee der Agentur, ihn als GIF darzustellen, die perfekte Lösung", sagt Marija Herceg, Pressesprecherin des Ministeriums. Und ergänzt: „Am Ende sind die Saarmojis ja auch Kunst."