Der deutsche Rekordmeister Borussia Düsseldorf will es noch mal wissen. In Saarbrücken will das Team um Timo Boll und Dang Qiu zum siebten Mal die Champions League für sich entscheiden.
Düsseldorf – wahrhaftig das Epizentrum des deutschen Tischtennissports. Hier steht seit 2006 das Deutsche Tischtennis-Zentrum (DTTZ), eine zentrale Fördereinrichtung des Deutschen Tischtennis-Bundes. Erst einmal ein Sportinternat für talentierte Jugendliche ab zwölf Jahren, um diese durch leistungsorientiertes Training sportlich voranzubringen, am besten in die Weltspitze. Im Erwachsenenbereich wird es als Bundesleistungszentrum und Olympiastützpunkt für – auch ausländische – Nationalspieler genutzt, weswegen so mancher Kaderathlet auch extra an den Niederrhein gezogen ist. Darüber hinaus trainiert hier zeitweise neben den Einheiten im schon seit 1994 bestehenden eigenen Sportzentrum das Aushängeschild des deutschen Vereinstischtennissports: Borussia Düsseldorf.
33-facher Deutscher Meister
Seit 1949 spielte die Polizei-Sport-Vereinigung Borussia Düsseldorf schon hochklassig, unter anderem wurde sie mit Hans Wilhelm Gäb 1960/61 erstmals Deutscher Meister. Die Bundesliga wurde zur Spielzeit 1966/67 neu gegründet, im Jahr darauf stieg Borussia auf. Und nach der Neuverpflichtung von Eberhard Schöler und Eberhard Micke holte der Club die erste von bislang 33 Deutschen Mannschaftsmeisterschaften. Auch der Pokal wanderte schon 28-mal in die Düsseldorfer Trophäenvitrine, europäisch wurde die Champions League (bis 1997/98 Europapokal der Landesmeister) zwölfmal gewonnen, der darunter angesiedelte ETTU-Pokal immerhin auch viermal. 1984 gründete sich die Tischtennisabteilung als Borussia Düsseldorf neu aus – der Steuer wegen. Die Düsseldorfer Vereins-Homepage präsentiert stolz chronologisch die Namen der Großen, die die Borussia geprägt haben und noch prägen: Hans Wilhelm Gäb, Eberhard Schöler, Wilfried Lieck, Jochen Leiß, Hajo Nolten, Ralf Wosik, Desmond Douglas, Jörgen Persson, Jörg Roßkopf, Steffen Fetzner, Uladsimir Samsonau, Michael Maze, Bastian Steger, Christian Süß, Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Patrick Baum, Ricardo Walther, Patrick Franziska, Kristian Karlsson, Anton Källberg und Dang Qiu. Für Tischtennis-Deutschland ragen dabei sicher zuerst die liebevoll Rossi und Speedy genannten Doppel-Weltmeister des Jahres 1989 heraus: Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner bezwangen in Dortmund damals Leszek Kucharski/Zoran Kalinić im Kampf um Gold mit 2:1 – in diesen Zeiten ging ein Satz allerdings auch bis 21 Punkte, nicht 11. Dieselbe Kombination erspielte bei Olympia in Barcelona 1992 dann noch einmal Silber, Roßkopf wurde im Einzel 1992 Europameister und führte als zweiter Deutscher nach Eberhard Schöler die europäische Rangliste an. 1996 gewann er in Atlanta Olympia-Bronze. Ausgewählte weitere Eckpunkte: Doppel-Europameister mit Wladimir Samsonow 1998, im gleichen Jahr Sieger im Einzel beim World Cup, höchste Weltranglistenposition: Platz vier (1992 und 1995). Roßkopf hielt dem Club von 1986 bis 2000 die Treue, 2011 ließ er seine Karriere in der Oberliga ausklingen und ist seit 2012 Bundestrainer. Fetzner blieb von 1984 bis 1994 am Niederrhein, er erreichte fünfmal das Einzelfinale der Deutschen Meisterschaft, scheiterte aber jeweils.
Seit 2006 stützt sich Borussia Düsseldorf unter anderem auf den legitimen Nachfolger von Jörg Roßkopf als Tischtennis-Genie und Vereinsikone: Timo Boll. Ebenfalls Linkshänder und nur einen Zentimeter kleiner als sein Trainer Roßkopf (1,82 Meter), hatte Boll eine sehr erfolgreiche Jugendkarriere und gewann, noch in Diensten des TTV Gönnern, 1998 als 17-Jähriger seine erste Deutsche Meisterschaft. Vier Jahre danach siegte er als erster Deutscher beim „Europe TOP-12“ und stieg als Zehnter in die Top Ten der Weltrangliste ein, indem er Roßkopf überholte. Bei der EM desselben Jahres sicherte er sich Gold im Einzel sowie im Doppel mit Zoltan Fejer-Konnerth. Es folgte der Weltcup in Jinan (China), den er ebenfalls gewann und dabei Weltmeister Wang Liqin und Olympiasieger Kong Linghui besiegte. Im Januar 2003 war die Sensation perfekt: Timo Boll, und nicht mehr der Chinese Ma Lin, war die Nummer eins der Tischtennis-Welt. An der Spitze zu bleiben, ist schwer. Bei der EM 2003 wurde es nur Bronze, die WM endete schon in Runde zwei: der Sturz vom Thron, auf den er aber noch dreimal im Zeitraum bis 2018 zurückkehrte. Seit 2004 bis zum heutigen Tag kämpft Boll immer wieder mit Rückenproblemen, aber auch Knie- und Nackenbeschwerden – und überwindet sie Mal um Mal. Daher ist die Liste seiner Erfolge schier endlos. Im Einzel achtmal Europameister, dreimal WM-Bronze, zwei Siege beim World Cup, 19 Pro-Tour-Siege, siebenmal Gewinner des „Europe TOP-12“ beziehungsweise „TOP-16“ und nicht zuletzt 13-facher Deutscher Meister, mit der Mannschaft je zweimal olympisches Silber und Bronze, fünfmal WM-Silber, siebenmal EM-Gold. Nachdem die Schweden zu den Zeiten Jan-Ove Waldners und Jörgen Perssons die Dominanz der Chinesen mehr als nur ins Wackeln brachten, beschloss man im Reich der Mitte, zur Abwechslung von den Europäern zu lernen. Bevorzugung von Shakehand- statt Penholder-Griff, aber auch das Einladen von Ausländern in ihre eigene Superliga gehörten zu den Maßnahmen. Und so wurde Timo Boll auch zweimal Chinesischer Mannschaftsmeister. Mit inzwischen 43 Jahren und der dazu passenden aktuellen Weltranglistenposition 43, vielen Erfolgen, vielen gesundheitlichen Rückschlägen, aber voller Willen und immer noch fast unbegrenztem Können greift er in Saarbrücken wieder nach dem Champions-League-Titel. Es wäre sein neunter insgesamt und sein siebter mit Düsseldorf (zuletzt 2022).
Dang Qui mit Penholder-Griff
Ihm zur Seite steht Dang Qiu. Der 27-Jährige wurde in Nürtingen als Sohn chinesischer Eltern geboren, die beide selbst in China Nationalspieler waren und in Deutschland Bundesliga spielten. Nach dem Experimentieren mit Shakehand spielt Qiu schon lange mit dem inzwischen ungewöhnlichen Penholder-Griff, hat auch Belag auf der Rückseite und nutzt tatsächlich beide Schlägerseiten effektiv. 2021 kam der Rechtshänder aus Grünwettersbach nach Düsseldorf. Seitdem hat er sich stark verbessert und ist deutscher Nationalspieler. Im Einzel Deutscher Meister von 2022 und 2023 sowie Europameister von München 2022, holte er Team-Gold bei der EM 2021 und den Europaspielen 2023, im Mixed gewann er mit Nina Mittelham die Titel bei der EM 2020 und den Europaspielen 2023. Aktuell ist er die Nummer zehn der Welt.
Der dritte Topstar der Düsseldorfer ist der Schwede Anton Källberg, aktuell die Nummer 16 des Planeten. Auch der Mannschaftseuropameister von 2023 hat mit Borussia Düsseldorf schon viele Titel gehamstert: Champions League (2x), Mannschafts-Meisterschaft (4x) und Mannschaftspokal (3x). Seine Hauptwaffe ist die Vorhand. Außerdem im Kader stehen der 21-jährige deutsche Nationalspieler Kay Stumper, der – unzufrieden mit seinen Einsätzen dort – zur letzten Saison aus Neu-Ulm nach Düsseldorf gewechselt war, der 41-jährige Kamal Achanta (Indien) und Borgar Haug (20, Norwegen). Cheftrainer ist seit 2010 der Niederländer Danny Heister. Im Halbfinale gegen Solex Consult TTC Wiener Neustadt, aber auch in einem etwaigen Finale gegen den Gastgeber aus Saarbrücken oder den anderen Rivalen TTC Neu-Ulm gehen die Düsseldorfer mit ihrer Star-Power als Favoriten ins Rennen um die Krone in der Königsklasse. Den Pokal 2024 bereits in der Tasche, hat man das seltene Triple im Blick. Ganz im Sinne der anderen genau so erfolgreichen Clubs mit Top-Management: den Fußballern vom FC Bayern München und den Wasserballern der Wasserfreunde Spandau 04.