Der TTC Berlin Eastside gewinnt zum neunten Mal den Mannschaftspokal. Und auch das nächste Ziel ist für die Damen aus der Hauptstadt bereits klar formuliert: die zehnte Meisterschaft.
Beim TTC Berlin Eastside haben sie alle viel Erfahrung im Gewinnen von Titeln. Nun ja, fast alle. Josephina Neumann fehlte an ihrem 14. Geburtstag noch das gesunde Misstrauen beim Anblick eines ungenannten Vereinsfunktionärs mit einer offenen Sektflasche in der Hand. Die erfahreneren Kolleginnen hatten sich unauffällig aus der Schusslinie gebracht. So vermischte sich kurz darauf der Schampus mit dem Siegerkonfetti und ihren Haaren auf die nicht angenehmste Weise. Soeben war ihr Team für den insgesamt neunten Gewinn des Deutschen Tischtennis-Pokals seit 2014 bei den „3B-Pokalfinals“ in der Großen Spielhalle in der Berliner Paul-Heyse-Straße nahe dem Velodrom geehrt worden.
Am 6. Januar starteten insgesamt zwölf Teams in vier Dreiergruppen in die Qualifikation für das Final Four am 7. Januar mit Halbfinale und Finale. Ungewohnt für die teilnehmenden Vereine aus Erster bis Dritter Liga war das Spielsystem. Nicht erst zwei Doppel und dann Einzel am oberen und unteren Paarkreuz, bis ein Team sechs Punkte erreicht hat, sondern nur auf drei Gewinnmatches und mit einem Doppel nur als Entscheidung bei 2:2-Gleichstand. Anders kann man aber so ein Turnier aus Zeitgründen nicht in zwei Tagen durchziehen. Nicht alle sind damit zufrieden. Der Manager des Vizemeisters TTC Weinheim, Christian Säger, gab zu Protokoll: „Pokal ist für uns nicht die wichtigste Veranstaltung. Das Format müsste geändert werden, um zu versuchen, viele Zuschauer anzulocken. Die Männer haben es mit der Veranstaltung Final Four schon vorgemacht. Wir reisen mit drei Spielerinnen an.“ Nicht dabei war so Weinheims mit Abstand stärkste Akteurin, die Brasilianerin Bruna Takahashi (WR: 23). Säger legte den Finger durchaus auf eine offene Wunde. 300 Zuschauer wie am Finaltag – und damit ausverkauftes Haus – sind für Frauen-Tischtennis der absoluten Weltklasse in Deutschland leider schon ein Spitzenwert. Beim parallel ausgetragenen Pokalturnier der Männer in der Ratiopharm-Arena von Neu-Ulm sahen 5.000 Fans zu, wie Borussia Düsseldorf mit Dang Qiu, Anton Källberg und Timo Boll im Halbfinale Grünwettersbach 3:1 und im Finale Saarbrücken 3:0 schlug und sich bereits zum 28. Mal den Pokal sicherte.
Shan Xiaona mit bockstarkem Spiel
In Berlin war das Frauen-Turnier nicht minder gut organisiert, musste allerdings mit einigen Überraschungen fertig werden. Eigentlich sollte auf dem großen Gelände die neue Tischtennis-Halle Austragungsstätte des Turniers sein, dann gab es vor der Eröffnung einen Wasserschaden, und man musste doch wieder an den altgewohnten Spielort ausweichen. Der SV Böblingen und die TTG Bingen/Münster-Sarmsheim wurden kurzfristig von Krankheitswellen heimgesucht. Während Böblingen nicht mit nur zwei Spielerinnen antreten wollte und absagte (für sie sprang innerhalb von drei Tagen Drittligist Alemania Riestedt aus Sachsen-Anhalt ein), nahmen die Rheinhessinnen aus Bingen die Herausforderung zu zweit dennoch an. In einer Gruppe mit Drittligist Füchse Berlin und dem Eastside gelang ihnen ein 3:1-Erfolg gegen die Füchse und beim 1:3 gegen Eastside immerhin ein Einzelpunkt von Elena Kuzmina gegen Neumann. Auch Eastside fehlte mit Britt Eerland eine erkrankte Spielerin zur erstmaligen Bestbesetzung, ließ aber beim 3:0 gegen die Füchse keine Zweifel aufkommen.
Die Halbfinalauslosung brachte dann die Ansetzungen Eastside gegen den TSV Dachau, der früher als TSV Schwabhausen antrat, und SV DJK Kolbermoor gegen den TSV Langstadt. Gegen Dachau um die deutsche Nationalspielerin Sabine Winter (WR: 51) und die Australierin Liu Yangzi (WR: 27) stellte Berlins Trainerteam Jessica Göbel und Jens Ruland wieder perfekt unangenehm für die Gegnerinnen auf. Nina Mittelham als Eastsides Nr. zwei gegen Dachaus Nr. eins Winter bot spektakulärstes Angriffs- und Konter-Tischtennis mit dem glücklicheren Ende zum 3:2 für die Berlinerin. Die inzwischen 56-jährige Ding Yaping als Berlins Nummer eins für dieses Halbfinale war das perfekte Kryptonit für die gegen Angriffsspielerinnen brillierende Liu, die aber gegen Abwehr-Asse wie Ding ohne jede Chance ist. Shan Xiaona, hier an 3 aufgeboten für Berlin, zeigte danach gegen Alina Nikitchanka, wie man Abwehrspielerinnen demontiert.
Im Finale wartete, wie von vielen vorausgesagt, Kolbermoor, das Langstadt 3:1 ausschalten konnte. Es würde sich zeigen, wer für den Gegner unangenehmer aufstellen würde. Mit der Ex-Berlinerin Kristin Lang, der erstmals eingesetzten Abwehrlegende Svetlana Ganina anstelle von Svastika Ghosh und der bislang überzeugenden Kroatin Hana Arapovic schienen die Chancen gleich verteilt. Berlin veränderte allerdings ebenfalls seine Lineup: Sabina Šurjan ersetzte Ding an 1, Mittelham und Shan verblieben an 2 und 3. Gleich zu Beginn die Vorentscheidung: Die in der Bundesliga-Saison bislang selten, gegen Abwehrspielerinnen wie Ganina noch seltener, überzeugende Šurjan rang die Russin in Diensten Kolbermoors nieder. Dabei holte sie bei 2:8-Rückstand im Entscheidungssatz neun der nächsten zehn Punkte zum Sieg und gewann im Pokalturnier somit alle ihre Matches. Spektakel pur ergab sich bei Mittelham gegen Lang, das unerwartet klar 3:0 für die Berlinerin ausging. Der Ball hat erstaunlicherweise überlebt. Shan hatte es danach gegen die erstmals komplett überforderte Arapovic sehr eilig und gestattete ihrer Gegnerin gerade einmal zwölf Punkte in drei Sätzen.
Andreas Hain als neuer DTTB-Präsident
Beifall des Publikums, routinierter Jubel der Spielerinnen, Autogramme für die Fans, Siegerehrung für Besiegte und Sieger, Konfetti. Der erste Titel der Saison für den FC Bayern des Frauen-Tischtennis in Deutschland. Aber statt wie sonst das Triple aus Pokal, Meisterschaft und Gewinn der Champions League ist allein ein Double im Bereich des Möglichen. Eastside hatte zu Saisonbeginn entschieden, einmalig nicht für die Champions League zu melden. Manager Andreas Hain begründete dies damit, dass World Table Tennis (WTT) sehr kurzfristig mannigfaltige Turniere an- aber auch genauso spontan wieder absetze, und damit eine Planbarkeit eines Spielbetriebes kaum noch gegeben sei. Hain sagte gegenüber FORUM, man hätte an zehn Terminen unter der Woche spielen müssen, um an der Königsklasse teilzunehmen. Das verursache zum einen exorbitante Kosten für Reisen und Übernachtungen, zehre aber auch stark an den Kräften der Spielerinnen, die überdies auch pro Einsatz drei Trainingstage verlören. Und so habe man sich dagegen entschieden. Auf die Nachfrage, ob das denn Reaktionen hervorgerufen habe, bejaht Hain dies: Die ETTU wolle immerhin den Spielumfang der Champions League um zwei Wochen zusammenstreichen. Hain wurde zwischenzeitlich zum Präsidenten des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) gewählt und lässt daher sein Manageramt bei Eastside ruhen, bis die neue DTTB-Satzung beschlossen und ein neues Präsidium gewählt wurde. Er wisse noch nicht, ob er dem dann angehören werde und ob er das wolle. In Gesprächen mit WTT betone er als aktueller DTTB-Präsident jedenfalls stets, dass WTT einfach einen zuverlässigen Plan aufstellen solle, die anderen Akteure wie ETTU und nationalen Verbände würden sich dann schon anpassen. Seiner Ansicht nach interessieren WTT die Sorgen der Kontinental- und Landesverbände allerdings nicht. WTT würde sich zwar zwangsläufig versuchen zu arrangieren, da sie selbst kein Produkt anbieten können, aber am Ende laufe zurzeit alles auf ständige Improvisation hinaus.
Aus Berliner Vereinssicht, so betonen Hain und Eastside-Präsident Alexander Teichmann unabhängig voneinander, sei man durch die Sponsoren in der glücklichen Lage, für die wichtigen Termine die entscheidenden Spielerinnen an den Tisch zu bringen. So, wenn es in die Rückrunde der Bundesliga gehe. Zu bedenken sei aber, dass alle Spielerinnen, die in den sich anschließenden Play-offs antreten sollen, zuvor mindestens drei Einsätze in den Punkterunden bekommen müssen. Dadurch könne es passieren, dass man auch in der Rückrunde mal ein Spiel verliere, es gehe aber darum, Erster oder Zweiter vor den Play-offs zu werden. Meister könne man zur Not auch auswärts werden.