In der Stadt Ludwigslust erwartet Besucher ein imposantes Schloss mit Nebengebäuden und einem Landschaftspark, die als architektonisches Gesamtwerk ihresgleichen suchen.
Als im August 1754 die Bewohner des kleinen Örtchens Klenow in den „Mecklenburgischen Nachrichten" nachlesen konnten, dass ihr Herzog Christian Ludwig verfügt hatte, ihrem Flecken einen neuen Namen zu geben, werden sie sich vermutlich die Augen gerieben haben. Denn von nun an und für die Zukunft sollte ihre Ansiedlung „Ludwigs-Lust" genannt werden. Niemand wird damals geahnt haben, dass sich Ludwigslust in den kommenden hundert Jahren zum kulturellen und politischen Zentrum des damaligen Mecklenburg-Schwerin entwickeln würde. Auch heute noch wird das gesamte Ensemble von Schloss, Nebengebäuden und Landschaftspark als das mecklenburgische Versailles bezeichnet.
Wer damals als Adelsmann und künftiger Herrscher standesgemäß repräsentieren wollte, der pilgerte auf seiner Suche nach Vorbildern durch Frankreich, dem Zentrum des europäischen Absolutismus. Versailles, das Schloss unweit von Paris, diente den meisten Fürstenhöfen als Vorbild. So auch dem jungen Herzog Friedrich der Fromme, der 1756 die Regentschaft seines Vaters antrat und nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges intensiv darüber nachdachte, den Schlossbezirk zu erweitern und die gesamte Anlage nach französischem Vorbild umzugestalten. Wo noch ein mehrfach um- und ausgebautes Jagdschloss mit ständig erweiterten, streng abgezirkelten Gartenanlagen stand, dort sollte ein neues Schloss gebaut werden. Hier wollte Friedrich fernab von Schwerin seinen Regierungsaufgaben nachgehen und seine naturwissenschaftlichen und musischen Neigungen ausleben. Das war auch ganz nach dem Geschmack seiner Gattin, der Herzogin Luise Frederike von Württemberg, die aufwendige Hofhaltung schon in ihrer Jugend zu schätzen gelernt hatte.
Hunderte von Handwerkern arbeiteten an dem Schloss
Doch nicht nur ein beeindruckendes Schloss, sondern auch eine neue Stadtanlage wurde nach barockem Grundriss geplant, sowie eine mächtige Hofkirche, die in direkter Sichtachse zur Vorderseite des Schlosses errichtet werden sollte. Da hatte man sich viel vorgenommen und teuer war die ganze Sache obendrein. Ludwigslust also war von 1763 bis 1785 vor allem ein Ort der Baustellen, auf denen Hunderte von Zimmerleuten, Maurern, Handwerkern und auch Bauern aus dem Umland schufteten, denn die wurden zu den notwendigen Hand- und Spanndiensten verpflichtet. Und weil der Herzog etwas knapp bei Kasse war und sich teure Materialien wie Marmor und Granit, edle Metalle oder hochwertige Hölzer und Porzellan kaum leisten konnte, kam Pappmaché als Werkstoff wieder groß in Mode. Papierreste und sogar veraltete Akten wurden in mehreren Lagen verkleistert, getrocknet, beschnitzt und bemalt und – mit Firniss konserviert – als Gestaltungsmaterial vielseitig eingesetzt.
Wer heute also nach Ludwigslust reist, wird dort ein architektonisches Gesamtwerk bestaunen können, das über die Grenzen von Mecklenburg-Vorpommern hinaus seinesgleichen sucht. Von Glück können die Bewohner von Ludwigslust sagen, dass die gesamte Anlage im Zweiten Weltkrieg nicht zu Schaden kam und auch die einzelnen Gebäude nach dem Abzug der West-Alliierten nicht den üblichen Verwüstungen der Roten Armee zum Opfer fielen. Zunächst schrittweise wiederhergestellt und restauriert, wurde die Anlage ab 2003 grundlegend saniert, die 5,6 Millionen Euro dafür flossen aus den Kassen der EU und des Landes.
Es ist kaum zu sagen, von welcher Seite aus das Schloss am beeindruckendsten wirkt. Der E-förmige Bau weist mit seiner breiten Fassade auf den Schlossplatz, seine Seitenflügel und der Mitteltrakt sind auf den anschließenden Park gerichtet. Im Kern aus Backstein errichtet, zeigt sich sein Äußeres in Sandstein, der über die Elbe aus Pirna importiert wurde. Es lohnt sich ein Blick auf die außergewöhnliche Dachzone. 18 Ziervasen und 40 überlebensgroße allegorische Sandsteinfiguren sind hier zu erkennen. Rudolph Kaplunger, ein böhmischer Bildhauer, schuf sie nach Vorgaben des Herzogs, Personifizierungen der Tugenden, der Künste und der Wissenschaften. Erotische Anspielungen, zur damaligen Zeit üblich, sieht der Betrachter hier nicht. Der fromme Herzog war ein wenig prüde. Ein Rundgang durch die Räumlichkeiten des Schlosses lohnt sich auf jeden Fall.
In Szene gesetzte Wasserkünste
Wer vom Schlosshof aus auf die in direkter Linie 500 Meter entfernte Hofkirche schaut, dem fällt der gestalterische Höhepunktes dieses Bereichs unmittelbar ins Auge. Gespeist aus dem Wasser des Großen Kanals, bildet die Große Kaskade den Höhepunkt aller wirkungsvoll in Szene gesetzten Wasserkünste. Der 28 Kilometer lange Kanal war notwendig, um Wasser von der Stör bis nach Ludwigslust zu leiten. In der flachen Gegend war es eine besondere Herausforderung, für ausreichendes Gefälle zu sorgen, zumal der Kanal auch schiffbar sein sollte, um überhaupt den Transport von Baumaterialien zu ermöglichen. Von 1756 bis 1763 schufteten unzählige Soldaten und Tagelöhner an diesem Projekt. An der rund 70 Meter breiten Großen Kaskade sammelt sich das Wasser in einem ovalen Becken, um dann über Stufen in das Auffangbecken zu stürzen. Auch hier hinterließ der böhmische Bildhauer beeindruckende Plastiken aus Sandstein. Das Wappen der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin wird von zwei Flussgöttern flankiert, die sich auf Fässer stützen, aus denen ebenfalls Wasser sprudelt. Sie symbolisieren Stör und Rögnitz als Zu- und Abfluss für die Ludwigsluster Wasserkünste.
Die Gärten und die Parkanlage des Schlossareals sind nicht nur wegen ihrer Weitläufigkeit von 127 Hektar beeindruckend, sondern sie überraschen vor allem durch ihre abwechslungsreiche Gestaltung. Sie sind auch ein anschauliches Beispiel dafür, wie Gartenarchitektur sich wandelnde gesellschaftliche Normen ausdrückt: vom strengen, absolutistischen Barock bis hin zum englischen Landschaftspark. Noch immer sind Teile der früheren Grundstruktur erkennbar. Dazu gehört als zentrale Haupt- und Sichtachse vor allem die zwölf Meter breite Hofdamenallee, die an ihrem Anfang seit 1900 von zwei mächtigen Zinkvasen flankiert wird. In nördlicher Richtung führt sie schnurgerade nach Schwerin und galt als beliebte Flaniermeile weiblicher Bediensteter des herzöglichen Hauses. Die Promenade wird hauptsächlich von mächtigen Linden gesäumt, die so gepflanzt wurden, dass sie den Blick zurück auf die Hinterseite des Schlosses konzentrieren. Ab 1785 beginnt die schrittweise Umgestaltung in einen Landschaftspark, der von anmutiger Schönheit und vermeintlicher Natürlichkeit geprägt ist.
Wer hier spazieren geht, wähnt sich zunächst in einem verträumten Park. Um diese Wirkung zu erzielen, wurden die Baumgruppen beiderseits der Hofdamenallee gelichtet, Bodensenken in kleinere Seen und Teiche verwandelt und die verschiedenen Teile des Parks durch künstlich gewundene Wege miteinander verbunden. Nur kurze Zeit später aber geht von manchen Stellen des Parks eine melancholische, geradezu nachdenkliche Atmosphäre aus. Als Überraschungsmoment und Blickfang geplant, stehen wir plötzlich vor einer künstlich errichteten Ruine nebst Grotte, die ganz bewusst beim Betrachter sentimentale Gefühle auslösen und an die Vergänglichkeit allen Lebens erinnern soll. Der Tod, er kommt mitunter überraschend und stürzt das Heute in Düsternis, wo gestern noch die Zuversicht, die Hoffnung herrschte.
Klimawandel hinterlässt auch hier Spuren
Schon ein Jahr nach dem Bau der Grotte 1788 erfolgt die Errichtung des Schweizer Hauses als Sommerhaus für die Herzogin Luise. Gleichzeitig aber wird dieser Bau als durchweg romantische Landidylle angelegt, in der auch fast als Staffage zeitweise Rinder gehalten werden. Als letzter der hier so schöpferisch tätigen Landschaftsarchitekten entwickelt der bekannte preußische Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné weitere Pläne, die als Höhepunkt seiner Spätphase gelten. Alte und neue Gartenbereiche werden miteinander verbunden, weite Rasenflächen und künstlich angelegte Bäche sowie die Anpflanzung seltener Gehölze lassen den Schlosspark als harmonisches und natürliches Gesamtkunstwerk erscheinen.
Ein Blumengarten wird im Westen des Parks vom südlichen Ende des Schlossteiches begrenzt. Auf der künstlich aufgeschütteten Insel wurde von 1804 bis 1808 die katholische Kirche St. Helena errichtet, die als erster neugotischer Kirchenbau Mecklenburgs gilt. Katholisch im protestantischen Norden? Mittlerweile waren am Hof zahlreiche Künstler und Musiker aus dem katholischen Süden tätig und auch einige Mitglieder der Herzogsfamilie waren zum Katholizismus konvertiert. Für sie brauchte es ein Gotteshaus und auch einen Glockenturm, der allerdings erst neun Jahre später als Solitär auf der anderen Seite des Teiches errichtet wurde.
Heute gilt es neben dem aufwendigem Unterhalt des Schlosses und des Landschaftspark eine neue Herausforderung zu meistern. Die Schäden durch die Stürme Xavier und Herwart waren 2017 immens. Der Klimawandel und die zunehmenden Dürreperioden hinterlassen bereits deutliche Spuren. Dass die Große Kaskade weiterhin sprudelt und der Große Kanal auch künftig ausreichend Wasser führt, ist keine Selbstverständlichkeit. Ein Besuch der Schlossanlage von Ludwigslust nebst Landschaftspark lohnt sich. Und am besten bald, denn die nächsten Stürme kommen bestimmt.