Dass auch ein großer Name nicht automatisch die Lösung bedeutet, musste Kai Schleppi nach der Ausstrahlung der Fernsehsendung "Rosins Restaurants ein Sternekoch räumt auf" erleben. Diese machte die Probleme im "Degott Schleppi" nur noch schlimmer. Jetzt geht er seinen eigenen Weg.
Im vergangenen Jahr war Küchenchef Kai Schleppi in Not. Das Mittagsgeschäft seines Restaurants "Degott Schleppi" in Bübingen brach ein, es gab handfeste Probleme im Team. In solchen Fällen holt sich ein Unternehmen Hilfe. Etwa bei einem seriösen Gastroberater. Doch die Hütte brannte dermaßen, dass Kai Schleppi sich für einen anderen Weg entschied. Der Bübinger Koch suchte Hilfe beim Fernsehen und setzte sich mit Kabel 1 in Verbindung. Frank Rosin, seines Zeichens Zwei-Sterne-Koch, sollte ihm helfen. Mit einer Folge in seiner Serie "Rosins Restaurants ein Sternekoch räumt auf". Die Sendung läuft immer donnerstags auf Kabel 1.
In dieser Reihe geht Rosin mit seinem Team in das betreffende Restaurant und erteilt dem Hausherrn seine Ratschläge, wie es im Restaurant besser laufen könnte. Gerne werden auch aus dramaturgischen Gründen zwischenmenschliche Konflikte gefilmt und gesendet. Das schürt Emotionen bei den Zuschauern. Und viele Zuschauer sind nötig, um zum einen die Quote zu erfüllen und damit auch die erforderlichen Werbeeinnahmen für den Privatsender zu generieren. Also wird unter dem Deckmäntelchen der Hilfe zuerst einmal Geld verdient. Das Problem: In den sozialen Medien sind viele Menschen unterwegs, die freie Meinungsäußerung mit Beschimpfen und Drohen gleichsetzen. Genau das ist Kai Schleppi nach der Ausstrahlung widerfahren. Es hagelte einen regelrechten Shitstorm in den sozialen Medien mit Morddrohungen gegenüber den Betreibern. Der Sender Kabel 1 nahm die Sendung daraufhin aus seiner Mediathek und stellte der geschockten Familie einen Psychologen zur Seite.
160.000 Euro
in zwei Jahren für die Zukunft investiert
Für mich ein Grund, selbst einmal in Bübingen vorbeizuschauen. Ich fuhr an einem sonnigen Februarmorgen zu Kai Schleppi. Er machte uns zwei Kaffee und wir setzten uns an einen Tisch. "Was war denn das für eine Nummer?", fragte ich ihn, nachdem ich mir zuvor die Sendung selbst angesehen hatte. "So hab ich mir das nicht vorgestellt", antwortete er geknickt. "Wir sind froh, dass uns jetzt ein Psychologe zur Seite steht. Da war richtig was los im Internet. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Positiv war eigentlich nur, dass alte Freunde sich gemeldet und uns ihre Unterstützung zugesagt haben. Das hilft für die Zukunft weiter. Auch ein alter Chef von mir, bei dem ich vor 20 Jahren gearbeitet habe, rief mich an und wird mir helfen." Kai Schleppi betreibt seit Februar 2016 das Gasthaus seiner Großeltern. Nach monatelangen Umbauarbeiten war er froh, die neuen Gasträume präsentieren zu können. Die Familie hat ihr gesamtes Geld in das Restaurant gesteckt, um dieses für das 21. Jahrhundert flottzumachen. So etwas geht oftmals nur Schritt für Schritt, denn entsprechende Investitionen sind meist immens. Die Küche wurde ganz neu installiert, Wände wurden herausgerissen, der Gastraum neu gestaltet. "160.000 Euro haben wir in den vergangenen zwei Jahren in das Anwesen investiert. Inklusive Nebenzimmer, das wir seit September 2016 fertig haben", erklärt Schleppi.
Die Wohnung muss auch noch fertiggestellt werden, doch der Pächter hat jetzt schon den Biergarten im Blick. "Wenn die Biergartensaison jetzt im April richtig losgeht, haben wir schon ab 16 Uhr geöffnet." Um den Biergarten so zu präsentieren, dass die Gäste auch gerne kommen, waren aber weitere Investitionen notwendig. Kleine Gerichte will Schleppi im Biergarten anbieten, auch Fingerfood. Sachen, die man beim Aperitif auch mal mit der Hand essen kann. Im Herbst hat er sich einen Smoker zugelegt und will für die Sommersaison auch Gerichte im Garten zubereiten. So hat er etwa vor, zwei Pavillons aufzubauen und eine Lounge einzurichten. Aber auch Tische und Stehtische.
Sollte sich nicht alles in diesem Jahr realisieren lassen, will er das ein oder andere im kommenden Jahr angehen. Das Kerngeschäft im "Degott Schleppi" findet am Abend statt. Dann, wenn viele Gäste nach Feierabend noch auf einen Schoppen und eine Kleinigkeit ins Wirtshaus kommen. "Das Mittagsgeschäft haben wir gestrichen, es kostete mehr Geld, als es brachte", erklärt der Gastronom. "Deshalb waren wir auch auf der Suche nach einem neuen Konzept." Wir schlendern durch das Haus, er zeigt mir den Garten. "All unsere Freunde sagen immer, das neue Nebenzimmer sei unser Rittersaal. Ich wollte eine große Tafel, unsere hat 24 Sitzplätze. Wie bei einer italienischen Familie! Alle sitzen an einem Tisch. Ich mag diese Form von Kommunikation. Es wurde aber auch schon von Gruppen gebucht." Der Raum gefällt mir gut, an den Wänden dominiert der Sandstein, der Wärme und Behaglichkeit ausstrahlt. In der Mitte als Blickfang steht ein massiver, wunderschön renovierter alter Tisch. An den Decken verhältnismäßig viele Balken. Warum ist dies so? "Diese Balken sind tragend, früher war drüber ein großer Tanzsaal. Hier im Ort hat sich alles bei uns abgespielt, auch der Turnverein und der Gesangsverein nutzten die Räume. Alle Faschingsveranstaltungen etwa, deshalb die vielen Balken. Hier unten war der Stall, und ich glaube, auch die Tiere hier unten hatten öfters Party gefeiert", sagt Schleppi und lacht.
Hausmannskost
auf Italienisch
Für die Sendung von Kabel 1 hat der Koch eine eigene Kreation geschaffen, das "Cordon bleu K1". Dieses ist mit geräuchertem Lachs, Meerrettich und Ziegenkäse gefüllt. Er hat vor, noch weitere ausgefallene Rezepturen zum Cordon bleu anzubieten, da dies bei den Gästen gut ankommt. Cordon bleu "Hexenberg" vom Kalb mit saarländischem Bergkäse steht immer auf der Karte. Natürlich auch saarländische Hausmannskost, Königin-Pastetchen etwa. Froschschenkel und Schnecken stehen schon seit dem ersten Tag auf der Karte, ebenso wie unterschiedliche Salatkreationen und Fleisch wie Lammkrone, Entrecote oder auch "Hakans Rinderbackengulasch in Wurzelgemüseglace". Fisch bezieht Kai Schleppi nach Tagesangebot, denn auch seine Fischkreationen werden gut nachgefragt. Ebenso gehört das schwarze, italienische Schwein zu seinen Lieblingskreationen, da er mit diesem Schwein auch sardische Rezepte anbieten kann. "Mit Tomaten, schwarzen Oliven, frischen Kräutern aus dem eigenen Garten, diese Küche gefällt mir", erzählt er. Das ist für ihn Hausmannskost auf Italienisch, Landhausstil eben.
Die Weinkarte hat sich in den vergangenen Monaten verändert. Die Deutschen Weine von Saar, Mosel, Nahe und der Pfalz haben es ihm angetan. Deshalb die Umstrukturierung. Dies ist noch ein laufender Prozess. Mit dem Weingut Ellermann-Spiegel wird er im Sommer einen Winzerabend machen. Ein Besuch im Weingut Dr. Siemens steht an. Seine RocknRoll-Weine wie Rolling-Stones wird er auch noch um andere erweitern, "Police" steht schon im Regal, und "Unplugged" vom Weingut Tesch an der Nahe steht auf dem Zettel. "Da wird noch einiges kommen, auch ein Wein mit einem Totenkopf drauf!" St. Pauli lässt grüßen...
Kochsendungen im Fernsehen sind eigentlich nicht mein Ding. Als Sozialpädagoge in meinem früheren Leben habe ich in Problem- oder Konfliktfällen mit den Betroffenen etwas zusammen erarbeitet. Hinter verschlossenen Türen. Im Saarland gibt es seriöse Gastroberater, die auch so arbeiten. Warum man mit Problemen anderer Menschen eine reißerische Fernsehsendung macht und was das bringen soll, erschließt sich mir nicht. Ich hoffe, Kai Schleppi sieht das inzwischen genauso...
Rolf Klöckner ist Ehrenmitglied des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Entscheidend für die Ernennung waren seine langjährigen und erfolgreichen Bemühungen, Kindern das Kochen als grundlegende Kulturtechnik zu vermitteln.
INFO:
Restaurant Degott Schleppi
Saargemünder Straße 155
66129 Saarbrücken-Bübingen
Telefon 06805-1324
www.degott-schleppi.de
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Ruhetag: Montag