Das Karomuster hat sich in den vergangenen fünf Jahren zu einem modischen Dauerbrenner entwickelt. Kein Wunder daher, dass auch in der Sommersaison an Vichy, Glencheck, Tartan und Co. kein Weg vorbeiführt.
Karomuster, die ihren Ursprung keineswegs in der schottischen Hochlandkultur haben, sondern schon vor mindestens 4.000 Jahren im alten China bekannt waren, sind eigentlich keine Verführer. Im Unterschied zu anderen geometrischen Figuren wie feinen Streifen können sie der Figur nicht schmeicheln. Niemand sieht in Karos gekleidet schlanker oder zierlicher aus. Und doch hat sich das menschliche Interesse an den verschiedenen spezifischen Kombinationen aus Quadraten über alle Zeitläufe hinweg erhalten. Das Karomuster ist längst fester Bestandteil oder gar zentrales Erbe der Modegeschichte geworden. Kein Wunder, dass die Briten ihren Traditionschecks gern das Wörtchen „Heritage" (Erbe) vorstellen. Weil natürlich noch immer das Karomuster vor allem mit den Kilts und Plaids der schottischen Clans in Verbindung gebracht wird. Auch wenn selbst die renommierte Encyclopedia Britannica davor warnt, „in jedem karierten Stoff das Banner der Tradition oder die Fahne Schottlands zu erkennen". Weil das Karo als dekorative Grundform schon immer Teil der allgemeinen Modegeschichte und daher keineswegs allein ein spezifisch britisch-schottisches Phänomen gewesen sei.
Das Vichy-Karo hat die Nase vorn
Seit 2013 ist das Karomuster so etwas wie ein Dauerbrenner in der Damenmode. Daran hat sich natürlich auch für diese Sommersaison nichts geändert. Jahr für Jahr wird in den meisten Frauenmagazinen darauf hingewiesen, dass das Vichy-Karo in der warmen Jahreszeit ganz klar die Nase vorn habe vor den traditionellen Schottenmustern, die eher etwas für kalte Herbst- und Wintertage seien. Vielmehr sind inzwischen offensichtlich alle Karo-Varianten gleichermaßen sommers wie winters angesagt.
Auch wenn die genaue Herkunft des Vichy-Karos, das meist mit leichten Sommerblusen und -röcken assoziiert wird, nicht bekannt ist, so dürfte es im Unterschied zu den anderen Checks keinesfalls aus Schottland stammen. Es wurde zwar nach dem französischen Kurort Vichy benannt, war aber schon früh in den meisten europäischen Landstrichen bekannt, von Schweden bis Norditalien. In den Niederlanden war der Name „Brabants Bont" dafür gebräuchlich, in England die Bezeichnung „Gingham". Heute wird häufig auch einfach nur von Wäschekaro, Tischtuchmuster oder Bauernkaro gesprochen. Das vergleichsweise schlichte Muster entsteht, wenn Kett- und Schussfäden gleicher Qualität und mit der gleichen Fadenspannung in abwechselnden, gleich breiten Streifen verwebt werden. Bei den daraus entstehenden kleinen Karos wechselt sich traditionell Weiß mit Rot, Blau oder Schwarz ab. Audrey Hepburn trug in den 50er-Jahren kleinkarierte Zigarettenhosen, Brigitte Bardot heiratete 1959 im Vichy-Karo-Kleid und sorgte am Strand von Saint-Tropez durch ihren rosa-weißen Vichy-Muster-Bikini weltweit für Aufsehen.
Von den traditionellen Schottenmustern ist das Schottenkaro, auch Tartan genannt, eigentlich selbsterklärend. Es besteht aus ineinander übergehenden und sich überlagernden Karos in mehreren Farben. Auch Glencheck besteht aus einem mehrfarbigen Karo-Muster, das durch unterschiedliche Bindungsarten beim Weben erzeugt wird. Dadurch können sich die einzelnen Felder relativ stark voneinander unterscheiden. Wenn über dem Karo des Glenchecks noch ein kontrastfarbenes Überkaro verläuft, wird vom Prince-of-Wales-Check gesprochen. Pepita und Hahnentritt sind sich recht ähnlich, mit dem Unterschied, dass bei dem nach der spanischen Tänzerin Josefa de la Oliva benannten Pepita-Muster (Pepita als Verniedlichungsform von Josefina) die Verbindungen zwischen den einzelnen Karo-Feldern diagonal verlaufen. Beim Hahnentritt, der 1947 erstmals durch Christian Dior in die Damenmode eingeführt wurde, stehen sie hingegen im rechten Winkel zueinander.
Besonders viele farbenfrohe Umsetzungen
Wenn uns der Schein nicht trügt, dann setzen diesen Sommer – auch schon mit Ausblick auf den Herbst – recht viele Marken auf ziemlich farbenfrohe Umsetzungen des Karo-Trends, beispielsweise Balenciaga, Hermès, Sacai oder Alexander McQueen. Aber natürlich gibt es daneben auch vornehm-zurückhaltendes Schwarz-Weiß, beispielsweise bei der Anzug-Kombination von Balmain oder bei den Schachbrett-Kreationen von Christian Dior und Junya Watanabe. Apropos Hermès: Chefdesignerin Nadège Vanhee-Cybulski hat die Karomuster verfremdet – dank Veränderungen in der Abfolge der Streifenkreuzungen ist ein gewollt unregelmäßiger Look entstanden. Interessant ist auch der Check-Mix, bei dem verschiedene Karomuster stilbrechend aufeinander treffen, zu sehen beispielsweise auf den Laufstegen von Marni (Kleid versus Bustier), Balenciaga (Rock versus Hemd) oder Gucci. Tartan – oder das Schottenkaro –
war ziemlich auffällig in Reinkultur in den Kollektionen von Chanel, Calvin Klein, Balmain oder Carven vertreten.
In der vergangenen Wintersaison war der karierte Blazer so etwas wie die Jacke der Saison. Auch diesen Sommer bleiben Karo-Blazer bei Designer-Brands wie im Streetstyle gleichermaßen angesagt. Allerdings verbunden mit einem Farbwechsel von dezentem Grau hin zu leuchtenden Tönen – beispielsweise in der Kollektion von Tibi). Tolle Kleider haben wir bei Fendi, Ports 1961, Prabal Gurung, Peter Pilotto, Loewe (im folkloristischem Gingham-Style) oder Burberry sichten können. Neben karierten Hemden und Blusen (Miu Miu, Adam Selman oder Alexander McQueen) dürfen natürlich auch Karo-Hosen, beispielsweise von Versus by Versace, diesen Sommer im Designer-Portefolio nicht fehlen. Die ultimativen Checks-Sommermäntel haben derzeit Christopher Kane, Balenciaga, Ports 1961, Marc Jacobs, Burberry, House of Holland sowie Fashion East in ihrem aktuellen Sortiment.
Die deutsche „Vogue" empfiehlt ihren Leserinnen vor allem den Kauf karierter Hosenanzüge, beispielsweise von Isabel Marant (Prince-of-Wales in klassischem Grau), von Gabriela Hearst (mit pinkem Akzent) oder von Salvatore Ferragamo sowie Acne Studios. Wer wenig Geld für den Anzug investieren möchte, sollte sich bei Mango und Zara umschauen. Die Schottenrock-Sommer-Alternative gibt’s beispielsweise von Sacai. Den gelungensten All-Over-Look konnten wir auf dem Catwalk von Victoria Beckham ausmachen (Kostüm und Bluse in einheitlichen Checks). Die passenden Karo-Taschen führen beispielsweise Mary Katrantzou oder Fendi in ihren Accessoires-Sortiments.
Karos auf Körpergröße abstimmen
Tipp: Großflächige Karos sehen bei Frauen mit Gardemaß besonders gut aus, während kleinere, zierlichere Damen besser die Finger davon lassen, weil sie davon gleichsam erdrückt werden können. Ladys mit kantigem Gesicht oder kantiger Schulterpartie sollten bei Oberteilen möglichst auf Karomuster verzichten. Während diese für Damen mit ovalen oder runden Gesichtszügen eine treffliche Wahl bezüglich des Oberteils darstellen.
Übrigens: Auch in der aktuellen Herrenmode spielt das Karomuster eine große Rolle. Für Englands führendes Modelabel rückte der russische Designer Gosha Rubchinsky das klassische Burberry-Muster wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Bei Fendi beispielsweise gefielen besonders Jacken mit den klassischen Checks.