Endometriose ist eine relativ weit verbreitete Erkrankung, die Schmerzen verursachen und sogar unfruchtbar machen kann. Trotzdem haben viele Frauen noch nie etwas davon gehört. Der Gynäkologe Dr. Panagiotis Sklavounos, Leiter der Endometriose-Sprechstunde der Universitätsfrauenklinik in Homburg/Saar, über Ursachen, Risiken und Behandlungsmöglichkeiten.
Herr Dr. Sklavounos, was genau ist Endometriose?
Endometriose ist eine Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter angesiedelt hat. Normalerweise befindet sich die Gebärmutterschleimhaut in der Gebärmutterhöhle. Bei der Endometriose befindet sich das Gewebe häufig im Bauchfell, auf der Gebärmutter, an den Eierstöcken und den Eileitern. Manchmal auch an benachbarten Organen, am Darm, der Harnblase, Leber und Lunge.
Wie kommt es, dass dieses Gewebe sich verteilt?
Hundertprozentig kann man es noch nicht erklären, es gibt aber verschiedene Theorien. Entstehen kann Endometriose zum Beispiel durch den Rückfluss der Periode. Das Blut fließt also nicht komplett aus der Scheide heraus, sondern durch den Eileiter in den Bauchraum. Das kann bei jeder Frau passieren. Aber es entsteht dadurch nicht automatisch eine Endometriose. Eine andere Theorie zur Entstehung sieht ein Zusammenwirken von Immunschwäche und anderen Faktoren. Eine familiäre Häufung spielt auch eine Rolle. Oft hatten die Mutter oder die Großmutter auch Endometriose. Eine andere Ursache für die Entstehung der Krankheit sind besondere Zellen am Bauchfell, die sich von Mensch zu Mensch unterschiedlich verhalten. Das ist genetisch bedingt. Hier kann es dann zu einer Umwandlung der normalen Zellen in Endometriosezellen kommen.
Hat der Lebensstil auch etwas mit der Entstehung von Endometriose zu tun?
Die Entstehung wird zwar nicht durch den Lebensstil ausgelöst. Aber es ist bewiesen, dass verschiedene Faktoren des Lebensstils die Beschwerden einer bereits vorhandenen Endometriose verstärken können. Zum Beispiel bei übergewichtigen Frauen. Das Fettgewebe wird in Östrogene umgewandelt und die sind die „Anzünder" der Endometriose. Wir wissen auch, dass Frauen, die Endometriose haben, durch eine Ernährung mit frischem Obst und Gemüse, Fisch und Meeresfrüchten eine Verbesserung der Beschwerden erreichen.
Was genau sind die Beschwerden?
Es gibt die periodenabhängigen und periodenunabhängigen Beschwerden. In der Regel ist es so, dass über 80 Prozent der betroffenen Frauen während der Periode Schmerzen haben. Ein leichtes Ziehen im Unterbauch während oder vor der Periode ist normal, aber starke Schmerzen sind nicht normal. Das kann ein Hinweis auf Endometriose sein. Ein weiteres Indiz ist ein unerfüllter Kinderwunsch. Dahinter kann auch eine Endometriose stecken. Auch Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs können von einer Endometriose herrühren.
Sie haben in der Frauenklinik in Homburg eine extra Sprechstunde für Endometriose.
Ja, einmal die Woche. Es kommen Fälle aus ganz Südwestdeutschland zu uns. Endometriose ist eine Erkrankung, die die Kooperation von anderen Disziplinen braucht. Der Gynäkologe allein reicht nicht. Man braucht zum Beispiel auch Chirurgen, wenn beispielsweise der Darm befallen ist. Oder Urologen bei Endometriose an der Blase. Diese Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen ist die Voraussetzung der Zertifizierung durch die Endometriose-Gesellschaft in Deutschland. Wir haben die höchste Zertifizierung in Deutschland. So können wir auch die komplizierten Fälle behandeln.
Wie wird die Endometriose diagnostiziert?
Die einzige Methode, die eine hundertprozentige Diagnose garantiert, ist die Bauchspiegelung. Dabei wird eine Minikamera in den Bauch eingeführt und Gewebe entnommen, das dann auf Endometriose untersucht wird.
Wie oft kommt diese Erkrankung vor?
Der Gipfel der Erkrankung liegt bei Frauen im Alter zwischen 20 und 40. Ausnahmen nach unten oder oben gibt es aber auch. Etwa zwischen zwei und zehn Prozent im gebärfähigen Alter erkranken daran. In Deutschland registrieren wir zwischen 40.000 bis 50.000 neue Fälle pro Jahr. Insgesamt zwei Millionen Frauen in Deutschland haben Endometriose. Weltweit wird die Zahl auf 170 bis 200 Millionen Frauen geschätzt.
Wie wird Endometriose behandelt?
Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Primär sollen die Beschwerden gelindert werden, es muss nicht direkt operiert werden. Endometriose ist ein entzündlicher Prozess, deshalb werden hier Schmerzmittel gegeben, die auch bei Entzündungen helfen. Durch die Entzündungen können sich Spätfolgen, wie zum Beispiel Unfruchtbarkeit entwickeln. Denn diese Entzündungen können dafür sorgen, dass auch die Eileiter und die Eierstöcke entzündet sind. Dann kommt es zu Verwachsungen und Verklebungen.
Kann das rückgängig gemacht werden?
Ja. Endometriose kann komplett geheilt werden. Je früher sie erkannt wird desto besser. Heutzutage kann man aber sagen, dass wir fast alle Patientinnen komplett beschwerdefrei bekommen.
Wann muss operiert werden?
Das ist abhängig von den Beschwerden. Wenn es keine oder nur geringe Beschwerden gibt, muss nicht unbedingt operiert werden. Es hängt vom Leidensdruck der Patientin ab. Wenn die Lebensqualität darunter leidet oder sie wegen Schmerzen nicht mehr arbeitsfähig ist oder eben beim unerfüllten Kinderwunsch. Fast alle Operationen können per Bauchspiegelung durchgeführt werden. Auch bei der tiefinfiltrierenden Endometriose, welche jedoch eine besondere Form darstellt. Hier dringen die Zellen in die Tiefe ein, zum Beispiel in die Schichten der Gebärmutter, der Blase oder des Enddarms. Hierbei kann auch die Bauchspiegelung sehr gut hilfreich sein, vorausgesetzt dass die Operation von Spezialisten mit hoher Expertise durchgeführt wird.
Auch operierte Endometriose kann ja zurückkommen …
Das stimmt. Das betrifft fast 30 Prozent der Frauen. Es hängt von der Qualität der Operation ab, wie gut operiert wurde. Wenn nicht alles entfernt wurde, können die Reste wieder aufflackern. Aber es gibt auch Fälle, wo perfekt operiert wurde und es trotzdem zu einem Rückfall kommt. Laut Studien kommen 12 Prozent der Frauen nach einem Jahr wieder. Weitere 12 Prozent nach zwei Jahren und weitere 12 Prozent nach drei Jahren.
Kann eine Frau auch mit Endometriose leben, wenn sie keine Beschwerden hat?
Ja. Wenn sie keine Schmerzen und keinen Kinderwunsch hat, kann man die Endometriose zum Beispiel mit Hormonen behandeln, die die Eierstockfunktion unterdrücken. Das heißt, wir blockieren das „Benzin" der Endometriose. Dann bildet sie sich zurück beziehungsweise trocknet aus.
Wenn es also mit Hormonen zusammenhängt, kann sich dann die Endometriose in den Wechseljahren zurückbilden?
Ja. Normalerweise nach den Wechseljahren. Dadurch, dass die Östrogene zurückgehen, bilden sich die Herde zurück. Es kann aber auch zu Beschwerden nach den Wechseljahren kommen, was dann mit den Verwachsungen der Endometriose zu tun hat.
Kann eine Endometriose, die nicht erkannt wurde, auf Dauer Organe schädigen?
Ja. Wenn zum Beispiel der Enddarm oder die Harnblase betroffen sind. Wenn die Endometriose tiefer eindringt, kann es sein, dass dann diese Organe geschädigt werden und es zu Beschwerden kommt, wie zum Beispiel Schmerzen beim Stuhlgang oder Wasserlassen.
Studien sagen, dass von den ersten Beschwerden bis zum Zeitpunkt der Diagnose im Schnitt zwischen sechs und zehn Jahre vergehen. Es handelt sich ja um eine gutartige Erkrankung. Aber unser Ziel ist es, dass die Frauen schneller zum Arzt gehen. Und das Thema aktiv bei ihrem Arzt ansprechen, denn nicht alle Ärzte beschäftigen sich mit der Endometriose. Zum Beispiel werden Schmerzen im Rücken natürlich zuerst vom Orthopäden abgeklärt. Aber wenn da nichts gefunden wird, kann man auch mal an Endometriose denken. Ich bin sicher, dass wir in Zukunft noch mehr diagnostische Möglichkeiten haben werden und noch viel mehr Frauen viel besser helfen können.