Fachkräfte aus dem Ausland verstärken in ihrer Heimat die Krisen
Kürzlich trafen wir uns mit einer Freundin zu einem feinen Abendessen, und es bestand Konsens, beim Plaudern nicht über Politik zu sprechen. Wir wollten uns nicht selbst die Zeit vergällen.
Zur Sprache kam der elfjährige Enkel der Freundin. Maximilian habe in dem Fach Werkstoffkunde eine 1+ mit nach Hause gebracht. Der Stolz von Mama und Oma sei aber flugs verflogen, als festgestellt wurde, dass dem kleinen Max bei der sonst so vorzüglichen Arbeit mehrere Rechtschreibfehler unterlaufen waren. Auch das ein oder andere Komma sei willkürlich durch den Text geirrlichtert.
Womit wir doch bei der Politik, hier also der Bildungspolitik, waren. Lesen und Schreiben sind offensichtlich nicht so wichtig in unseren Schulen. Wir stellten uns die Frage, ob vielleicht immer die dümmsten Politiker Kultusminister werden. Rechtschreibreform in den Sand gesetzt, Murks bei G8, unsägliches Bologna-Studium, das Lemminge auf den Arbeitsmarkt wirft, aber keine kritisch denkenden Menschen.
Das Bildungssystem ist seit Jahren marode. Es fehlen Lehrkräfte, Schul-Psychologen, Sozialarbeiter. Die Auswirkungen sind zu spüren. Da mehr als 500.000 Schulabgänger in den vergangenen Jahren unfähig waren, eine Lehre bis zum Abschluss zu absolvieren, gibt es auch in Handwerksbetrieben kaum noch geeigneten Nachwuchs.
Der Regierung fiel bisher nichts Besseres ein, als ein Fachkräftezuwanderungsgesetz zur Diskussion zu stellen. Aha! Dann kommen also Elektriker, Installateure, Ärzte oder beispielsweise Pflegekräfte aus Ghana, Nigeria, Syrien, dem Irak. Genau mit einer solchen Maßnahme wird mit Sicherheit ein großes Problem vergrößert. In diesen Staaten werden die Fachkräfte dringender gebraucht. Es ist abzusehen, dass in jenen Staaten die Konfliktherde verschlimmert werden.
Ähnliches hat Oskar Lafontaine festgestellt, aber der wird sofort medial abgekanzelt, weil er im Raubtier-Kapitalismus als nicht satisfaktionsfähig gilt. Dabei ließen sich doch einige Kampagnen starten, die vielversprechend sein könnten. Das Gesundheitsministerium könnte zum Beispiel eine Plakat-Aktion in Auftrag geben: „Werde Altenpfleger. Gute Bezahlung garantiert." Oder Werbung der Kultusminister: „Gib Deinem Leben einen Sinn: Werde Grundschullehrer." Eine ähnliche Aktion gibt es bereits. Das Verteidigungsministerium, das eine grundgesetzwidrige Angriffs-Teilnahme in Syrien in den Schubläden hat, lockt junge Menschen auf Plakaten: „Komm zur Bundeswehr."
Dabei werden Kriege nicht mehr mit vielen Menschen geführt, sondern mit Drohnen, Cyber-Attacken und Wirtschaftskriminalität. Wir fragen uns nicht, wo neue Pfleger, Polizisten, Lehrer, Hebammen herkommen sollen. Wir fragen uns: „Wie steht der Dax?". Fortschritt, Wachstum, um jeden Preis. Auch den Preis von Menschenleben.
In den Gruben des Kongo verlieren Kinder ihr Leben, wenn sie nach Kobalt suchen. Dieser Rohstoff wird für Batterien benötigt, die in E-Autos eingesetzt werden. Es ist wie einst zu Zeiten des belgischen Königs Leopold II., der im Kongo Menschen ermorden ließ, wenn sie nicht genügend Kautschuk abgeliefert hatten. Auch unser Wohlstand ist auf Leichenbergen produziert.
Unsere Kinder haben ein Recht darauf, vernünftig gebildet zu werden, damit sie nicht eines Tages T-Shirts für Chinesen nähen müssen. Wer Smartphones in Klassenräumen erlaubt, sollte erst einmal ein Fach „Menschliche Kommunikation" einführen. Gespräche direkt mit einem anderen Menschen. Wer in diesem Fach alle Prüfungen bestanden hat, darf ein Smartphone benutzen.
Bis die Kinder für eine menschliche Gesellschaft fit sind, könnten viele derzeit Arbeitslose umgeschult werden. Entlassene Bankangestellte oder Journalisten zum Beispiel müssten nicht zu Hause herumhängen. Es bedarf allerdings einer soliden Qualifikation.
Bildung, so hat eine Umfrage in Hessen ergeben, halten 40 Prozent der Bevölkerung für das wichtigste Thema. Solange wir aber nur Sonntagsreden und untaugliche Maßnahmen vernehmen, werden Mama und Oma dem kleinen Max zeigen müssen, wo das Komma hingehört.