Jahrtausendelang drehten sich Männer und Frauen im Gleichtakt auf dem Karussell der Eitelkeiten. Vor allem das feminine Schönheitsideal hat sich immer wieder grundlegend verändert.
Das Streben der Menschen nach Schönheit und Attraktivität ist keineswegs eine Erfindung der Moderne, sondern spielt schon seit der Antike eine ganz entscheidende Rolle im gesellschaftlichen Leben. Wobei „Schönheit nie etwas Absolutes und Unveränderliches war, sondern je nach historischer Epoche und dem jeweiligen Land, der jeweiligen Kultur, verschiedene Gesichter hatte“, formulierte der italienische Schriftsteller Umberto Eco ganz trefflich in seinem Buch „Die Geschichte der Schönheit”. Und Schönheit ist auch niemals etwas Objektives, sondern immer eine subjektive Einschätzung, die den jeweiligen ästhetischen Geschmack widerspiegelt. Oder um es mit dem schottischen Philosophen David Hume aus dem 18. Jahrhundert auf den Punkt zu bringen: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters.“
Nicht nur Frauen strebten seit jeher nach Schönheit, sondern auch Männer drehten sich schon immer mit im Karussell der Eitelkeiten. In der Antike wurde das Idealbild von Schönheit gar besonders durch den Mann verkörpert. Im historischen Rückblick bewegen sich die Idealvorstellungen bezüglich der weiblichen Attraktivität zwischen den Polen Fraulichkeit und Jugendlichkeit hin und her. Während in bestimmten Epochen eher schlanke, jugendliche Figurtypen bevorzugt wurden, galt in anderen das Vollweib als besonders gefragt. Auch die auf den männlichen Körper bezogenen Schönheitsvorstellungen lassen sich zwischen den Polen Reife und Jugendlichkeit ansiedeln, zwischen muskulösem Herkules und athletischem Adonis. Verglichen mit den hohen Schwankungen der weiblichen Körperideale blieb das Bild der perfekten Männerfigur über die Jahrhunderte deutlich stabiler.
Ausgewogenheit der Proportion
Meist wird die „Venus von Willendorf“, eine 25.000 Jahre alte Kalkfigur aus der jüngeren Altsteinzeit mit üppigen Rundungen, als frühestes erhaltenes weibliches Schönheitsideal angeführt. Tatsächlich handelt es sich dabei auch um ein Fruchtbarkeitssymbol. Die Frauen in der Steinzeit legten als Sammlerinnen große Wegstrecken zurück und konnten wohl kaum dieses Körpervolumen erreichen, sondern dürften eher wie ihre jagenden Männer von muskulöser Statur gewesen sein.
Im alten Ägypten gab es schon einen Vorläufer der Kosmetikindustrie, weil großer Wert auf körperliche Reinheit und Hygiene gelegt wurde. Der Papyrus Ebers aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. enthielt schon eine Reihe von Schönheitsrezepturen, beispielsweise ein Mittel zum Einfärben grauer Haare, wobei in dem Gemisch geröstete Eselshufe und in Öl gesiedete Würmer enthalten waren. Tägliches Waschen war eine Selbstverständlichkeit. Zusätzlich wurde die Haut abgeschabt, der Sauberkeit willen, aber auch, weil die Ägypter beiderlei Geschlechts komplett enthaarte Körper bevorzugten. Die Verwendung von Cremes, Ölen oder Aloe Vera zur Hautpflege war Standard, nicht nur zur Desinfektion, sondern auch zum Sonnenschutz.
Zur Körperpflege gehörte auch schon dekorative Kosmetik, wobei auch Männer regelmäßig in den Schminktopf griffen. Das Make-up bestand aus Kajal, Lidschatten, Rouge, Puder und Lippenstift. Für die Verzierung von Wangen und Lippen wurde ockergelber Puder benutzt. Ein Brei aus Ocker und Öl wurde mithilfe von Bienenwachs in eine Urform des Lippenstifts verwandelt. Mit eingedicktem Henna wurden Finger- und Fußnägel bemalt, aber auch Körperflächen oder Haare eingefärbt. Als Parfüm dienten Essenzen aus Myrren- und Lilienöl oder aus Zimt und Iris, alternativ war auch ein Rosenextrakt beliebt. Ausdruckvolle Augenbrauen wurden durch Zupfen erreicht.
Apropos Augen: Ihre schmückende Gestaltung war der Inbegriff ägyptischer Beautypflege. Charakteristisch war dabei der bis zu den Schläfen verlängerte Lidstrich. Der dafür benutzte Kajal bestand aus einer Mixtur aus Fettpaste, Bleisulfid oder schwarzem Eisenoxid und Ruß. Die Wimpern und Augenbrauen wurden mit Kohle und feinem Bleiglanzpuder, das mit Schafsfett vermischt war, eingefärbt. Für den Lidschatten wurde eine Grundmischung aus Fetten, Ölen und Bienenwachs angerührt und anschließend wurden pulverisierte Pigmente beigemischt. Für grüne Farbe Malachit, für Blau Kupfer-Natriumsilikat oder Lapislazuli, für Rot ein Eisenerz namens Hämalit, für Grau das Bleierz Galenit. Die frühkindlichen Schädeldeformationen, wie wir sie dank der Kalksteinbüste der Nofretete aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. kennen, kann als Urform der Schönheitschirurgie betrachtet werden. Die Gemahlin des Pharaos Echnaton wird heute ebenso als ägyptische Schönheitsikone angesehen wie Kleopatra aus der Zeit um Christi Geburt. Cäsars Gespielin wird nicht nur eine Vorliebe für Gesichtspuder aus Krokodilmist nachgesagt, sondern auch für tägliche Bäder in Esels- oder Stutenmilch.
Bei den alten Griechen galt ein schöner Körper als Statussymbol. Die Ausgewogenheit der Proportionen spielte die Hauptrolle, Fettleibigkeit wurde als Makel angesehen. Das allgemein akzeptierte Schönheitsideal wurde jedem Zeitgenossen durch die Unzahl von Statuen täglich vor Augen geführt: muskelstrotzende Männer, Frauen mit kleinen, knospenden Brüsten und kräftigem Becken. Die Haut der Damen sollte laut Homer „weißer als Elfenbein” sein, was Südländerinnen eigentlich nur durch Verwendung des hochtoxischen Bleiweiß erreichen konnten, die der Herren sonnengebräunt als Ausdruck einer aktiven und athletischen Lebensweise im Freien. Ähnlich wie bei den Ägyptern galt Körperbehaarung bei Griechen und später auch bei den Römern als unästhetisch und als charakteristisches Merkmal der Barbaren. Schier grenzenlos war die Zahl der griechischen Schönheitsgöttinen und -götter. An der Spitze natürlich Aphrodite, die bei den Römern Venus genannt wurde, dann natürlich auch die mystische Helena.
Das Schönheitsideal der römischen Antike hatte starke Ähnlichkeit mit dem der Griechen. Jedoch galt Fettleibigkeit bei den Römern nicht mehr als Makel, sondern wurde vielmehr als Indiz für Reichtum sehr geschätzt. Die Körperpflege spielte bei den neuen Dominatoren des Mittelmeerraums eine zentrale Rolle, was sich allein schon an der Etablierung der reichsweiten Badekultur ablesen lässt, die die heutigen Wellness-Tempel vorweggenommen hat. Die Verwendung von Gesichtsmasken, Cremes oder Salben war ebenso Alltagsroutine wie bei den Damen der Gebrauch von Make-up, beispielsweise grüner Schminke aus Malachit, Bleiweiß für makellosen hellen Teint und Lippenstift aus Zinnober oder aus dem Schleim der Purpurschnecke. Laut Plinius dem Älteren versuchten die Römerinnen im 1. Jahrhundert n. Chr. Falten mit Eselsmilch, Pickel mit der noch warmen Plazenta einer Kuh und Gesichtsflechten mit einer Paste aus Kälber-Geschlechtsteilen zu bekämpfen. Der Dichter Ovid hatte etwas früher eine Hauptpflegesalbe mit zermahlenen Hirschgeweihen als Beauty-Geheimtipp empfohlen. Viel Aufmerksamkeit wurde vonseiten der Römerinnen auch auf immer aufwendigere Frisuren gelegt, weil lange Haare absolute Pflicht waren. Am liebsten in der Farbe Blond, da beneideten die feinen Damen die Germaninnen und halfen mit Färbemitteln aus Urin oder ätzenden Flüssigkeiten nach.
Im Mittelalter fand unter dem restriktiven Einfluss des Christentums ein grundlegender Wandel des weiblichen Schönheitsideals statt. Mädchenhaft-schlanke, fast androgyne Körper mit kleinen Brüsten, schmalen Hüften, weißer Haut dank Mehlpuder, rosa Wangen, einem kleinen roten Mund, blauen Augen und hellblonden Haaren galten als vorbildlich. Kurvenfreie Frauen wurden als Verführerinnen in der Nachfolge Evas betrachtet. Die Verwendung von Schminke war als heidnisch verpönt. Im Spätmittelalter kam die hohe Stirn in Mode, sprich die Haare wurden an Stirn und Schläfen bis zum Haubenansatz ausgezupft, und ein leicht vorgewölbter Bauch gab der knabenhaften Silhouette einen femininen Touch. Übermäßige Körperpflege galt als gesundheitsgefährdend, weil man den Verdacht hegte, sich durch zu häufigen Kontakt mit Wasser mit der Pest infizieren zu können. Puder und Parfüm übernahmen die Rolle der Seife. Die Männer präsentierten sich in Röcken und Schnabelschuhen, aus denen bunte Strumpfhosen hervorlugten. Mann zeigte gewissermaßen Bein, während die Ladys ihre wohlgeformten unteren Extremitäten unter langen Roben mit knapp unter den Busen hochgerückter Taille verbargen.
Blässe als Zeichen des Wohlstands
In der Renaissance waren bei den Damen dann wieder Kurven gefragt. Starke Hüften, ein üppiger Busen und sogar ein Doppelkinn wurden als Ausdruck sinnlicher Weiblichkeit akzeptiert. Ein warmes Goldblond war die trendige Haarfarbe, die frau durch Sonneneinstrahlung und bleichende Tinkturen erzielen konnte. Die Haut sollte schneeweiß sein, der Mund purpurrot und die Augen am besten dunkelbraun. Katharina von Medici führte das aus Cochenilleschildläusen gewonnene Rot für die Lippen- und Wangenbemalung ein. Auch Männer schminkten sich, damit sie einen vornehm blassen Teint aufweisen konnten, die Haare wurden lang und idealerweise blondgelockt getragen.
Im Barock wurden die weiblichen Rundungen noch üppiger, allerdings wurde die Leibesfülle ab Mitte des 17. Jahrhunderts durch Korsetts in Form gepresst. Die Sanduhr-Figur sollte fortan für rund drei Jahrhunderte, mit Ausnahme der kurzlebigen Directoire-Dekade, zum Inbegriff der Weiblichkeit werden. Das Gesicht der vornehmen Damen hatte kalkweiß zu sein, weshalb viele im Freien sogar Gesichtsmasken trugen. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. machte in Versailles für beide Geschlechter die Allongeperücke zur Pflicht. Waschen war wieder aus Angst vor Krankheitserregern quasi verboten, stattdessen kamen Unmengen von Puder, Cremes, Schminke oder Parfüm zum Einsatz. Nicht zu vergessen sind Flohfallen, die versteckt unter der Kleidung getragen wurden. Schönheitsflecken aus Leder, Samt oder Seide waren nicht nur Eyecatcher, sondern halfen auch, unschöne Pockennarben zu verbergen. Die Männer von Stand stolzierten in Rockhosen zu Seidenstrümpfen und Absatzschuhen, die Blässe war Vorgabe der Haut und wurde durch ausgiebige Aderlässe forciert.
Nach der Französischen Revolution und mit Beginn des Industriezeitalters wurde die Körperlichkeit völlig neu definiert. Von nun an waren Frauen das alleinige „schöne Geschlecht“. Für Männer ziemte es sich nicht mehr, sich herauszuputzen oder gar Schminke und lange Haare zu tragen. Die Damen durften sich weiterhin aufhübschen, aber ein zu starkes Make-up galt als unmoralisch und als Markenzeichen der Kokotten. Das Auftauchen von Diäten auf Basis von Essig und Zitrone kündigte den Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Siegeszug der puritanischen Leistungsethik an: Körperfülle wurde mit Trägheit in Verbindung gebracht, Schlanksein stand hingegen für Erfolg. Die perfekte weibliche Figur musste nach Verschwinden des Korsetts durch Disziplin oder durch Sport erreicht werden. Der Teint sollte sich durch eine möglichst natürliche Bräune auszeichnen. Der Bubikopf trat in den 20er-Jahren an die Stelle langer Mähnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Facetten des weiblichen Schönheitsideals immer breiter. Nicht zuletzt dank figürlich unterschiedlicher Film-Ikonen wie Marilyn Monroe, Brigitte Bardot, Audrey Hepburn, Grace Kelly oder Sophia Loren. Mit der Begeisterung vieler Frauen für das rappeldürre Model Twiggy kündigte sich Ende der 60er-Jahre die Magersucht an, die in den 90er-Jahren durch den „Heroin-Chic” von Kate Moss noch weiter gepusht wurde. Seitdem prägen die Medien das Schönheitsbild, wobei die vermeintlichen Idealmaße 90-60-90 auch heute noch in den Köpfen vieler Frauen herumspuken. Und bei den Männern wird das Antrainieren eines Waschbrettbauchs ewige Lebensaufgabe bleiben.