Wer mit seinem Aussehen in der Erotikbranche Geld verdienen will, sollte nicht zimperlich sein. Für ordentlich viele Klicks im Netz wird der Natur zum Teil so richtig ins Handwerk gepfuscht. Bei einem Erotik-Model könnten das am Zenit ihrer Karriere bis zu 40 Operationen sein.
Bei Kyrill* fing es Mitte der 90er an. Sie war 16 Jahre, entdeckte gerade ihren Körper, war stolz auf ihre Formen. Ihr damaliger Freund war sich sicher: Wer sich da neben ihm auf dem Sofa räkelt, ist die zweite Britney Spears. Doch dazu fehlte dem Teenager aus Heilbronn noch der entscheidende optische Kick. Tattoos traten damals gerade ihren flächendeckenden Siegeszug an. Kyrill war sich sicher: Mit einem richtigen Tattoo – keinem Abziehbild – würde sie endgültig durchstarten. Wohin auch immer. Nach langen Diskussionen willigte ihre Mutter schließlich ein. Seitdem ziert ein kleines Einhorn ihren rechten Oberarm. Der Beginn eines langen Weges in die Welt der vermeintlichen Schönheit. Denn bei diesem einen Tattoo blieb es natürlich nicht. Das sogenannte Arschgeweih – ein Tattoo oberhalb des Steißbeins – feierte gerade Hochkonjunktur und Kyrill feierte mit. Doch um diese Bilder-Parade auch ordentlich präsentieren zu können, brauchte es die entsprechenden körperlichen Formen. Diese waren ihr allerdings von Natur aus nicht so vergönnt, wie es damals bei den beiden Musiksendern MTV und Viva in den Videos propagiert wurde. Viel Sport und Diät zauberten zwar einen Body-Mass-Index (BMI) von weit unter 20 auf die Waage, das allerdings bei Körbchengröße AA – die kleinste messbare Variante. Mit 20 Jahren reichte es Kyrill dann endgültig. Zu coolen Tattoos gehören ihrer Meinung nach nun mal große Brüste. Eine kleine Erbschaft einer verstorbenen Tante ermöglichte eine OP, die dann schließlich die erwünschte Körbchengröße B bescherte. Diese Vergrößerung war damals rein chirurgisch schon eine große Herausforderung. Im Jahr 2000 gab es noch nicht die deutschlandweite Vollversorgung an Brust-Operateuren, weswegen Kyrill auch in die Niederlande reisen musste, um ihren Traum von einer größeren Oberweite zu verwirklichen, für schlappe 5.000 D-Mark. Dank eines gut bezahlten Volontariats und diversen Show-Auftritten an Wochenenden, schaffte sie es in den folgenden Jahren sogar bis Körbchengröße C. „Hart und fest", umschreibt sie das Ergebnis. Wobei der Antrieb zur rasant weiterwachsenden Brust weniger dem Spaß geschuldet war, als den immer wieder auftauchenden Problemen mit den Implantaten. Die medizinische Forschung war damals noch nicht so weit. Und wenn die Ärzte sowieso an den Implantaten gearbeitet haben, warum dann nicht gleich noch ein bisschen vergrößern, dachte sich Kyrill. „Das viele Geld, das ich damals mit meiner erotischen Tattoo-Show verdient habe, ging eigentlich fast eins zu eins an die Operateure", resümiert das Ex-Erotik-Model heute.
Das Ganze Geld für Implantate
Die Betonung liegt auf Ex-Model. Es gibt von Kyrill keine aktuellen Fotos, auch keine Homepage und schon gar keine Show mehr. Vor sechs Jahren – mit gerade mal 32 – machte sie Schluss mit dem Köperkult. Besser gesagt, sie musste Schluss machen. „Meine Gesundheit war völlig ruiniert", erklärt das frühere Model. Das lag nicht nur an den Brust-OPs. Um als Frau über all die Jahre einen BMI unter 19 halten zu können, bedarf es nämlich einer Dauer-Diät. „Ich musste meinen Körperfettanteil immer weit unter zehn Prozent halten", berichtet Kyrill. Für eine Frau ist das Krieg gegen den eigenen Körper. „Denn Frauen haben von Natur aus einen höheren Körperfettgehalt als Männer, schließlich müssen sie während der Schwangerschaft den Fötus versorgen". Um diese dauerhafte Hungerkur überhaupt auf die Reihe zu bekommen, wird viel und gern mit Appetitzüglern gearbeitet. Spätestens 48 Stunden vor einem Auftritt – dies gilt übrigens auch für Profi-Bodybuilder – wird dann noch mal ein bisschen mit Entwässerungstabletten nachgeholfen. Sowohl bei den Ladys als auch bei den Kerlen gilt: Nichts ist schlimmer im Body-Gewerbe als Wasserbeulen am Körper. Dazu kommen dann auch noch ein paar Aufputschmittel, „das alles ist für die Leber und das Herz nicht wirklich gut, aber da musste ich nun mal durch. Wer schön sein will, muss leiden." Das gilt auch für die Organe. Dabei geht das medikamentöse Tuning nicht nur an die körperliche Substanz. Die „kleinen Hilfsmittelchen" schlagen auch massiv auf die Psyche. Nach intensiver psychologischer Betreuung ist Kyrill heute mit ihrem Körper halbwegs im Reinen. Bei 1,75 Meter Körpergröße wiegt sie nun 64 Kilogramm, das entspricht einem BMI von 20,9. „Bei meinen Essstörungen ist das schon wirklich rekordverdächtig", sagt die heute 38-Jährige. Dennoch trauert sie der Vergangenheit nach. „Schade, dass es zu meiner Zeit den ganzen Facebook-Zirkus noch nicht gab", bedauert sie. „Dann hätte ich noch erfolgreicher werden können." Und vermutlich noch kränker, als sie jetzt schon ist. Doch daran möchte Kyrill nicht denken.
„Meine Follower wollen mich jeden Tag live"
Der Job als Erotik-Model ist dank Instagram und Facebook für seine Akteure mittlerweile eine 24-Stunden-Veranstaltung geworden, sie müssen per Webcam permanent präsent sein. Da muss alles sitzen und zwar perfekt. Melina Ink ist so ein Model. 29 Jahre alt, geboren in Brandenburg, lebt und arbeitet sie heute in Berlin. Ihr Hauptarbeitsplatz ist vor der Webcam, sie wird aber auch als Party-Überraschung gebucht, oder legt beim Junggesellenabschied einen Strip hin.
Auch bei ihr fing „die Verwandlung" mit einem Tattoo an, allerdings mit einem „künstlerischen Tattoo", wie sie stolz betont. Das heißt, der gestochene Körperschmuck der ihren Körper ziert, dürfte so um die 30.000 Euro gekostet haben. Doch so genau weiß sie das nicht. „Immer wenn ich Geld hatte, habe ich an meinem Körperkunstwerk weiterarbeiten lassen, aber immer bei einem und demselben Stecher". Doch das ist eigentlich nur ein Accessoire. Ein weiteres, viel wichtigeres Kunstwerk ist ihr Gesicht. „Damit meine Lippen diese natürlich geschwungene Form bekommen, haben wir sieben Mal aufspritzen müssen, das ist echt eine Wissenschaft für sich", berichtet Melina. Auf die Nachfrage, ob so viel Botox in den Lippen denn nicht gefährlich ist, gibt es nur einen verächtlichen Blick. Botox sei ein Überrest des vergangenen Jahrzehnts, das würden heute nur noch die Ladys aus der Vorstadt machen, meint das Model. „Das läuft jetzt alles über Hyaluronsäure, ein absolutes körpereigenes Naturprodukt, das überhaupt keine Nebenwirkungen hat", ist sie sich sicher. Der einziger Nachteil sei – ähnlich wie beim Botox – dass die Wirkung nach und nach verschwindet. Wie schnell es geht, kommt auf die Dosierung an. In der Regel halten die üppigen Lippen zwischen drei bis sechs Monate. Dabei wird die Hyaluronsäure vom Körper selbst abgebaut und das laut übereinstimmenden Ärzteberichten offenbar ohne irgendwelche Nebenwirkungen. Allerdings hat dieser neue Wunderstoff einen kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Nachteil. Die Hyaluronsäure bindet Wasser. Viel Wasser. Dadurch eignet sich auch die Substanz so ideal fürs Glätten, beziehungsweise Ausbeulen der faltigen Haut. Doch durch diese vorübergehende Straffung der Haut dehnt sich auch automatisch das Bindegewebe aus. Die gespritzten Mengen der Säure muss somit über die Jahre immer weiter gesteigert werden, um die straffende Wirkung zu erzielen. Das gilt natürlich auch für die Lippen. Hinzu kommen die Schmerzen, die ein solcher Eingriff nach sich zieht. „Das Aufspritzen der Lippen ist echt nichts für Memmen, das tut richtig weh", weiß Melina Ink. „Aber nach drei vier Tagen lässt der Schmerz dann auch wieder nach."
Im Verlauf des Gesprächs landet das glatt gebügelte Model doch noch bei Botox. Die Hyaluronsäure im Gesicht ist dann doch nicht überall so universell einsetzbar. Melina muss eingestehen, „die Zornes- und Stirnfalte, die habe ich mit Botox aufspritzen lassen, das geht einfach nicht anders". Aus besagten Gründen der leichten Beulenbildung. Auch ihre Wangenknochen sind ein bisschen angehoben, allerdings mit Hyaluronsäure. „Schönheit hat nämlich nichts mit Natürlichkeit zu tun", bringt es Melina auf den Punkt. „Zumindest aus Sicht meiner männlichen Fans."
Brust ist nun mal der Hingucker
Melinas ganzer Stolz sind ihre Brüste. Zweimal war der Chirurg schon dran, das ist jetzt zwar alles ganz okay, aber wenn schon, denn schon. „Die nächste Brust-OP steht im Februar an, da werde ich dann mal richtig hinlangen." Die 29-jährige Brandenburgerin findet nämlich, dass ihre Schulter-Brust-Po-Proportionen noch nicht so richtig im Lot sind. Soll heißen: Die Breite ihrer Schultern und die Größe ihres Pos harmonieren noch nicht so richtig mit der Größe ihrer Brüste. Also da kann ruhig noch ein größeres Implantat dazu, dann stimmt die ganze Geschichte für Melina auch wieder. Was diese Rettungsaktion ihrer Proportionen nachher kosten wird, das weiß Melina noch nicht so genau. Das ist aber auch egal, denn sie hat eines in ihrem Job gelernt: „Brust ist immer der Hingucker. Je größer die Brüste, desto größer der Umsatz mit der Webcam." Es ist halt immer eine Frage der Proportionen.
Ihre Anregungen in Schönheitsfragen holt sie sich „irgendwie immer aus den Medien, man sieht ja viel bei Instagram und dann orientiere ich mich auch so ein bisschen an den Abrufzahlen im Netz". Also ein wirkliches Schönheitsideal steht bei ihr offenbar nicht dahinter. Irgendwie werden die Schönheitskorrekturen ab einem gewissen Zeitpunkt zum Selbstläufer. Melina zieht die nicht vorhandene Stirnfalte hoch und grinst. Neulich zu Hause in Brandenburg habe sie eine alte Schulfreundin getroffen, die hat sie gar nicht erkannt. „Bist du es wirklich? Ich glaub es nicht, du bist es wirklich! Mann, hast du dich rausgemacht", hat ihre alte Bekannte gerufen. Für Melina eine absolute Bestätigung, dass sie richtig gehandelt hat. „Vermutlich sehe ich jetzt wesentlich besser aus", schwärmt das Model, „so gut, dass ich schon nicht erkannt werde." Dass ihr Gesicht maskenhafte Züge angenommen hat und die Lippen an einen Puppenmund erinnern – das sieht Melina dagegen nicht. „Den meisten Menschen, die Schönheitsoperationen kritisieren, fehlt einfach der Mut, sich zu verbessern. Deswegen auch die negative Haltung. Für mich ist es nur der Neid, der aus den Menschen spricht."
Lara ist schon einen Schritt weiter
Die 24-jährige Lara aus Mannheim sieht das ein bisschen anders. Laut ihrem Produzenten ist sie der leibhaftige Männertraum, der kommende Porno-Star und schon eine Generation weiter als Melina. Lara schwimmt seit fast zehn Jahren auf der Fitnesswelle. Dort hat sie auch als Sportmodel mit Fotoshootings angefangen, ging in den Erotikbereich, nun der Aufstieg ins professionelle Porno-Geschäft. Lara glaubt, dass die Zeiten des übermäßigen Aufspritzens längst vorbei sind, die neue Schönheitswelle zeichnet sich durch Purismus aus. Sie begründet diesen gefühlten neuen Trend damit, dass etwas langweilig wird, wenn es jeder kann. Früher hat das Beauty-Tuning davon gelebt, dass es nur einen ganz kleineren Kreis von Frauen mit viel Geld möglich war, riesige Brüste und straffe Haut zu haben. Doch heute kann sich eigentlich jede Verkäuferin so was machen lassen, ein Mallorca-Trip weniger und dafür Körbchengröße D, so ihre Philosophie.
Dennoch hat die 24-Jährige auch in ihr Gesicht neu formen lassen. Die Lippen sind aufgespritzt, auch die Wangen sind mit Hyaluronsäure angehoben. Dazu künstliche geklebte Wimpern und Permanent-Make-up. Aber das ist ja eigentlich schon der normale Standard, meint Lara und „ganz natürlich". So wie ihre gemachten Brüste.
*Name von Redaktion geändert