BKA-Personenschützerin Victoria Heldt (Name geändert) sorgt für die Sicherheit des Bundespräsidenten und ist Mutter von zwei Kindern. Im Interview erklärt sie, wie das zusammenpasst und was sie an dem Beruf fasziniert.
Frau Heldt, Sie sind unter 1,70 Meter groß und von Ihrer Erscheinung her sehr schmal, ja geradezu zierlich. Sie sehen nicht wirklich aus wie eine Personenschützerin.
Ganz im Gegenteil, ich bin eine Idealbesetzung. Im Hintergrund und ein bisschen unscheinbar, aber immer präsent, das ist unser Auftrag. In den Kinofilmen ist der Bodyguard natürlich meistens ein muskelbepackter Schrank, aber im realen Leben ist das eher die Ausnahme. Denken Sie auch daran, wie das aussehen würde, wenn zum Beispiel die Kanzlerin dauerhaft umringt wäre von Zwei-Meter-Männern.
Wie sind Sie denn überhaupt auf die Personenschützer gekommen, war etwa der Film „Bodyguard" mit Kevin Costner der Auslöser?
(lacht) Nein ganz bestimmt nicht, wobei ich den Film damals sehr schön fand. Auslöser war ein Praktikum während meiner Ausbildung zur Kriminalbeamtin, bei der ich die Arbeit der Sicherungsgruppe kennengelernt habe. Da habe ich diesen Bereich für mich entdeckt. In der Sicherungsgruppe gibt es viele Bereiche, und was mich gereizt hat, war diese außergewöhnliche Aufgabe, bei der man zudem die Chance hat, an vielen verschiedenen Orten zu arbeiten.
Das heißt, Sie haben direkt beim Bundeskriminalamt mit Ihrer Ausbildung angefangen?
Ja, ich bin eine ausgebildete Kriminalbeamtin und habe mich dann im BKA für die Sicherungsgruppe entschieden. Dort bin ich ganz klassisch zur Personenschützerin ausgebildet worden.
Das heißt, Männer und Frauen, die den Beruf ausüben wollen, sollten sehr sportlich sein?
Das ist die Grundvoraussetzung, wobei es für mich als Frau bedeutet hat, dass ich in der Ausbildung immer wieder weit über meine Grenzen hinausgehen musste, wenn es zum Bespiel um die Selbstverteidigung ging. Denn es macht einen Unterschied, ob ich eine 90-Kilo-Puppe schleppen muss oder dies ein Kollege schultert, der selbst mindestens genauso viel wiegt. Da habe ich ganz schön zu kämpfen gehabt.
Kennen Sie das Gefühl von Angst?
Nein, richtige Angst als bedrohliches Gefühl kenne ich nicht. Das, was ich jedoch unbedingt zulassen muss, ist eine gewisse Anspannung. Nur dann bin ich hoch konzentriert und voll bei der Sache. Angst ist ein ganz schlechter Berater, denn wer Angst hat, handelt irrational, und das darf uns auf keinen Fall passieren.
Was ist denn die Intention gewesen, wenn es sein muss, für andere den Kopf hinzuhalten. Denken Sie darüber überhaupt nach?
Nein, darüber denkt man so nicht nach. Denn jeder normale Streifenpolizist macht das auch tagtäglich, das gehört nun mal zu unserem Beruf dazu. Zudem ist es unsere Aufgabe, Gefahren schon im Vorfeld auszuräumen, sodass sich eben keine lebensgefährlichen Situationen ergeben – weder für uns, noch für die Schutzperson. Es ist auch nicht immer nur gefährlich: Was den Personenschutz so reizvoll macht, ist der Umstand, dass ich Menschen und Orte erlebe, die ich so im normalen Leben nie erlebt hätte.
Also leben Sie in zwei unterschiedlichen Welten?
So überspitzt würde ich das nicht formulieren, aber meine dienstliche Welt hat mit meinem Privatleben nicht viel zu tun. Wenn jemand prominent ist, dann umgibt er sich meist mit anderen Prominenten. Personenschützer tauchen automatisch in diese Welt ein, weil sie unmittelbar für die körperliche Unversehrtheit der Schutzperson verantwortlich sind. Das ist natürlich ein gewisses Privileg. Ich bin aber auch immer wieder froh, in meine eigene Welt zurückkehren zu dürfen.
Ist denn in so einem Beruf eine normale Partnerschaft überhaupt möglich?
Ja, eine Partnerschaft ist natürlich möglich, aber sie ist aufgrund des hohen zeitlichen Aufwands, den unser Beruf mit sich bringt, schon immer ein Balanceakt. Zum einen will man ein intaktes soziales privates Umfeld haben, möchte aber auf der anderen Seite auch im Beruf seine Sache gut machen. Damit dieser Balanceakt klappt, braucht man einen Partner, der da mitspielt, der unsere berufliche Anforderung auch versteht. Beide Partner müssen ein sehr großes Vertrauensverhältnis zueinander haben. Denn Personenschützer haben außergewöhnliche Arbeitszeiten. Ihren Partner sehen sie dann auch mal ein paar Tage nicht, ohne genau zu wissen, wo sie genau stecken und was sie Tag und Nacht so machen.
Nun haben Sie ja nicht nur einen Partner, sondern auch noch zwei kleine Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind. Wie kriegen Sie das unter einen Hut?
Das ist schon eine besondere Herausforderung, aber in einem guten Team gelingt auch das. Mittlerweile gehöre ich zum Vorkommando. Das bedeutet, dass ich Termine oder Reisen der Schutzpersonen vorbereite.
Vorkommando, das heißt?
Am besten gebe ich dafür ein Beispiel: Unsere Schutzperson fährt in eine Stadt und eröffnet dort einen Kindergarten. Diesen Besuch müssen wir nicht nur vor Ort begleiten, sondern auch vorbereiten. Wir arbeiten den Termin taktisch auf, indem wir uns beispielsweise das Gelände und die Gebäude anschauen, abklären, wie die An- und Abfahrt laufen muss oder wo die Gratulanten stehen. Dies alles im Vorfeld zu klären, ist die Aufgabe des Vorkommandos.
Was ist es denn, woran man sich in Ihrem Beruf nur sehr schwer gewöhnen kann, was kann einem echt auf den Keks gehen?
Personenschützer müssen sich mit der Situation abfinden, dass sie im Dienst ein fremdbestimmtes Leben führen! Die Schutzperson gibt den Takt vor. Hinzu kommt, dass die Personen, die wir schützen, keine normale 40-Stunden-Woche haben. Deren Tag beginnt morgens um 6, 7 Uhr und geht meist bis nach Mitternacht. Von der Arbeitssitzung zum Mittagessen, dann eine Rede auf einer Veranstaltung und abends noch zwei, drei oder auch vier Empfänge, wo unsere Schutzperson als Ehrengast auftritt. Das muss man als Personenschützer wollen. Es gibt einige, die kommen gut mit diesem fremdbestimmten Leben klar, es gibt aber auch einige, die das nur ein paar Jahre machen und dann eine andere Aufgabe im BKA übernehmen.
Waren Sie denn sehr traurig, als Sie ins Vorkommando gewechselt sind?
(lacht) Ich für meinen Teil bin froh, die Zeit als Personenschützerin erlebt zu haben. Die Arbeit im Vorkommando macht auch Spaß – und ich bin glücklich darüber, im Vorkommando arbeiten zu können, weil es eine sehr interessante Aufgabe ist und ich mit den planbaren Dienstzeiten gut klarkomme. Zudem habe ich mehr Zeit für meine Familie.