Juwelier Kraemer ist eines der letzten inhabergeführten Unternehmen in der Saarbrücker Bahnhofstraße und die älteste Goldschmiede des Saarlandes. Geschäftsführer Sven Hofer und Goldschmiedemeister Frank Queck bewahren Traditionen und glauben an die Zukunft des Handwerks.
Der Arbeitsplatz von Frank Queck ist nur einen knappen Quadratmeter groß. Die eigentliche Arbeit passiert auf noch viel kleinerem Raum. Mit einer speziellen Lupen-Brille betrachtet der Goldschmied den Ring, an dem er gerade arbeitet. Mit ruhiger Hand setzt er winzige Edelsteine auf das polierte Metall. Die Diamanten und Saphire sind auf einem Stück Klebeband angeordnet und müssen nun einzeln auf den filigranen Ring übertragen werden. Queck ist umgeben von kleinen Zangen, Feilen und Bohrern.
Es ist echte Handarbeit, die Frank Queck hier leistet. Seit 38 Jahren ist der 55-Jährige bei Juwelier Kraemer in der Saarbrücker Bahnhofstraße beschäftigt. Wenn er von seiner Arbeit erzählt, leuchten seine Augen. „Schon als Jugendlicher war ich fasziniert vom Handwerk. Ich kreiere gern etwas und mag, wenn man hinterher sieht, was man gemacht hat. Die Reaktion und Interaktion mit den Kunden gefällt mir. Wir erarbeiten gemeinsam etwas. Hinterher zu sehen, dass es so geworden ist, wie er es sich vorgestellt hat, ist eine schöne Bestätigung."
Juwelier Kraemer ist eines der letzten inhabergeführten Unternehmen in der Innenstadt. Sven Hofer leitet als Geschäftsführer das 1891 gegründete Familienunternehmen bereits in fünfter Generation. „Wir haben als einer der wenigen am Handwerk festgehalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass Qualität und Individualität auch in Zukunft noch Bestand haben werden." Hofer selbst hat 1993 mit der Ausbildung zum Goldschmied begonnen. „Als die Berufsberaterin im Abitur in unsere Klasse kam und uns fragte, was wir machen wollen, gingen bei BWL die meisten Hände hoch", erzählt er und schmunzelt. „Ich war der einzige, der sich für das Handwerk entschieden hat." Obwohl er als Kind viel Zeit in der Werkstatt der Familie verbrachte, entstand die ganz große Faszination für Gold und Edelsteine erst, als sein Patenonkel ihm zum 13. Geburtstag eine Reise in die Schmuck-Hauptstadt Idar-Oberstein schenkte. „Er gab mir Geld und sagte, ich dürfe mir dort einen Stein aussuchen. Mit diesem Stein fing alles an."
Damals war im Atelier im zweiten Obergeschoss des Hauses über den Verkaufsräumen noch jeder Arbeitsplatz besetzt. Heute arbeiten hier noch zwei Goldschmiede. Auch Sven Hofer sitzt nicht mehr am Werktisch. Er ist aber der Meinung, dass sein handwerklicher Hintergrund ein Vorteil ist: „Die meisten meiner Kollegen in Juwelier-Geschäften sind Unternehmer und keine Handwerker. Ich kann mich in alles reindenken und immer noch eigene Ideen mit einbringen."
Als Kind oft in der Werkstatt
Neben dem Angebot an deutschen Manufakturen und Traditionsherstellern bilden die eigene Produktlinie und das Erstellen von Unikaten nach Kundenwünschen die Hauptstandbeine des Traditions-Juweliers. „Wir besprechen mit den Kunden gemeinsam, wie der Schmuck gestaltet, welches Material eingesetzt und ob der Stil eher klassisch und elegant oder modern und ausgefallen werden soll", sagt Hofer. Aus den Ideen werden Skizzen, Modelle und Formentwürfe gefertigt, danach wird anprobiert und angepasst. „Wir arbeiten so lange an einem Stück, bis es perfekt ist. Jedes Schmuckstück ist ein Unikat und die Kunden wissen ein Unikat zu schätzen."
In der Werkstatt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Ziehbank und die Walze, die aussehen, als stünden sie in einem Museum, sind mindestens so alt wie die Firma – und immer noch in Benutzung. „Warum soll man etwas ersetzen, wenn es noch tadellos funktioniert?", lautet die Devise von Frank Queck.
Um Armreifen in Form zu biegen, verwendet er etwa eine alte Straßenbahnschiene aus der zerstörten Bahnhofstraße der Nachkriegszeit. Und die Schraube einer Maschine aus dem Zweiten Weltkrieg dient auch heute noch als Prägewerkzeug. In Kisten stapeln sich alte Blei- und Zinnformen mit ausgefallenen Applikationen. Und um das heiße Gold in Form zu bringen, wird es in einen Abdruck einer Tintenfisch-Rückenschale gegossen. Auf der Rohfassung der Schmuckstücke sieht man noch die Abdrücke der Strukturen – nach dem Feilen, Polieren und Schmirgeln ist dann natürlich alles verschwunden.
Auch die Galvanisierungs-Anlage stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. In dem Wasserbad wird durch die Stromleitung eine Sorte Edelmetall gelöst und auf ein anderes aufgebracht. So kann Silber durch überziehen mit einer dünnen Goldschicht vergoldet werden. Oder kleine Verfärbungen ausgeglichen werden. „Sie ist jeden Tag in Benutzung und in den 38 Jahren, in denen ich hier arbeite, musste sie noch nicht repariert werden", sagt Queck.
Den größten Anteil an verkauften Schmuckstücken machen Trauringe aus. Gerade in den Sommermonaten, in denen viel geheiratet wird, ist bei Juwelier Kraemer Hochsaison. „Trotzdem ist jeder Ring etwas Besonderes und Einzigartiges mit seinem eigenen Hintergrund. Keiner ist wie der andere", betont Frank Queck. „Wir haben ein besonderes Verhältnis zu unseren Kunden. Stimmung und Gefühl spielen eine große Rolle. Und in jedem Schmuckstück ist auch ein Stück Leben und ein Stück Liebe von uns mit drin."
„Man muss mit offenen Augen durch die Welt gehen"
Für seinen eigenen Ehering hat sich auch Geschäftsführer Sven Hofer wieder an die Werkbank gesetzt. „Nur zusammengelötet habe ich ihn nicht selbst. Ein alter Aberglaube unter Goldschmieden besagt, dass das Unglück bringt." Sein Ring ist aus schlichtem hellem Gold, der seiner Frau hat lediglich noch einen kleinen eingearbeiteten Edelstein. „Der Trend geht wieder zum Reduzierten."
Ein anderer Trend ist, alte Steine in neue Schmuckstücke einfügen, zum Beispiel aus einer Erbschaft. „Das ist das Tolle: Schmuck wird nicht alt. Und dem Stein der Oma kann mit einer neuen Fassung ein ganz neuer Glanz verliehen werden", verrät Frank Queck. Früher wurden auch Haushaltsgegenstände wie Becher, Teller und Besteck aus Silber gefertigt. Die Silbergießerei gehörte zum täglichen Geschäft eines Juweliers; die sogenannten Korpus-Artikel wurden zum Beispiel zu Hochzeiten verschenkt. „Diese Tradition gibt es heute nicht mehr", sagt Sven Hofer. „Jetzt restaurieren wir nur noch. Letztens hatten wir zum Beispiel eine Silberkanne aus England aus dem 17. Jahrhundert." In dieser Art von aufwendigen Reparaturen und anderen Serviceleistungen sieht Hofer ein Zukunftsmodell.
Für Frank Queck ist Goldschmied auch nach fast vier Jahrzehnten noch sein absoluter Traumjob, und er hat die Berufswahl nie bereut. „Heutzutage will jeder was am Computer machen, den Leuten fehlt der lange Atem für ein solches Handwerk. Das ist schade, denn es ist eine so erfüllende Tätigkeit", findet er.
Aber obwohl das Schmuck-Handwerk sich über Jahrzehnte kaum verändert hat, weiß auch er, dass er mit der Zeit gehen muss. „Für unsere eigene Kollektion nehme ich alles auf, was ich sehe. Man muss mit offenen Augen durch die Welt gehen und sich überall inspirieren lassen. Bei jedem Menschen, den ich treffe, schaue ich immer zuerst auf den Schmuck. In unsere Stücke fließt dann alles mit ein: Muster, Erinnerungen oder Eindrücke von Reisen." Auf einen besonderen Stil möchte sich Queck dabei nicht festlegen: „Für mich ist Stil das, was mir an der individuellen Frau gefällt, damit sie mit dem Schmuckstück selbstbewusst auftreten kann."