Eigentlich studiert die Sängerin Lea Sonderschulpädagogik. Sie besitzt also ein Herz für die Randgruppen der Gesellschaft. Und diese gibt es inzwischen so oft, dass unsere Gesellschaft fast nur noch aus Randgruppen mit Ausnahme-Talenten besteht. Da ist man als Musiker schon die Ausnahme, wenn man „normal" ist. „Normal": das meistgehasste Wort in sämtlichen Künstlersparten …
Wenn man sich allerdings ihr aktuelles Album „Zwischen meinen Zeilen" anhört, dann artet die Empathie in Leas Leben zuweilen in ein Helfersyndrom mit akuten Stresssyndromen aus: ein Egozentriker als Freund, der grundsätzlich nur Partys kennt (wobei sich die Frage stellt, ob Sängerinnen keine Partys feiern) sowie ein gelegentlich irrationales Heimweh nach einer etwas Ungewöhnlichem – Familie oder dem Freund im Alkoholrausch („Ich hab Heimweh nach Bier").
Und siehe da, schon stilisiert sich Lea mittels ihrer neuen CD, die irgendwo im Bereich des Kaugummi-Pop vor sich hinplätschert, selbst zu einem Mitglied der gesellschaftlichen Randgruppe. Klar, dass der Vorzeige-Sympath Wincent Weiss dann auch einen Gastauftritt auf dem Album haben muss. Und trotzdem oder gerade deswegen haben ihre Songs großes Mitsing-Ohrwurm-Potenzial. Dies könnte an der kalten Jahreszeit liegen – oder einfach nur daran, dass die Musik gut ist. Man weiß es nicht. Aber Titel wie „Leiser" oder „Immer wenn wir (… uns sehen)" sind gelungene Titel, die die Dreivierteldepression einer jungen Erwachsenen beschreiben. Dies spricht die heutige Jugend, die mit dem Erwachsenwerden zu kämpfen hat, offensichtlich an. Nicht umsonst läuft Leas Musik ständig im Radio.
Musikalisch gesehen setzt Lea oftmals auf digitale Elemente. Doch zuweilen taucht in ihren minimalistisch instrumentierten Songs auch ein leises Klavier auf. Überwiegend verlässt sich die Singer-Songwriterin jedoch auf ihre fragile Stimme, die ihren Songtexten die notwendige Authentizität verleiht. Songs wie „Zu dir" wirken jedoch schon richtig verzweifelt – und man beginnt, darüber nachzudenken, ob die junge Dame sich nicht doch ein anderes privates Umfeld zulegen sollte.