Mit der Affäre um den saarländischen Landessportverband (LSVS) wurden auch Vorwürfe gegen Saartoto laut. Außerdem hat Innenminister Klaus Bouillon seinen Aufsichtsratsposten dort abgegeben. Die Geschäftsführer von Saartoto, Peter Jacoby und Michael Burkert, weisen im Redaktionsgespräch mit FORUM die Verantwortung dafür von sich.
Herr Jacoby, Herr Burkert, im Zusammenhang mit den Vorgängen beim LSVS ist auch Saartoto in die Kritik geraten. Haben Sie nicht ausreichend darauf geachtet, wie die Mittel beim LSVS verwendet wurden?
Burkert: Der Gesellschafter Landessportverband muss seine Gesellschaft kontrollieren, umgekehrt fehlen Saartoto umfassende Eingriffsmöglichkeiten gegenüber seinem Gesellschafter. Der LSVS ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit in seiner Satzung festgelegten umfassenden Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Hinzu kommen weitgehende Kontrollrechte und Pflichten der Aufsicht beim Land. Der LSVS muss die Vergangenheit aufarbeiten und bewältigen, da ist man offensichtlich dran. Auf der anderen Seite muss die Zukunft gestaltet werden. Die Autonomie des Sports ist ein hohes Gut, die Kontrolle und Aufsicht müssen ebenso wie die Transparenz gestärkt werden. Die Alternative wäre der Staatssport, und das will wohl niemand.
Jacoby: Kritik an Saartoto ist verfehlt. In unserem Verantwortungsbereich liefen und laufen die Dinge korrekt. Saartoto ist in erster Linie ein Glücksspielunternehmen, das seine Erträge dem Gemeinwohl zur Verfügung stellt. Unser Job ist primär, uns auf einem schwieriger gewordenen Markt zu behaupten und Glücksspiel in seriöse Bahnen zu lenken. Man sollte aus Problemen aus der Mittelverwendung durch den LSVS keine Probleme auf Seiten der Mittelerwirtschafter beziehungsweise der Mittelzuführer – eben Saartoto – machen. Die Aufgabenteilung zwischen der Autonomie des Sports und dem Unternehmen Saartoto ist und bleibt auch für die Zukunft sinnvoll.
Was sagen Sie zu der Kritik, dass der Spitzensport zulasten des Breitensports bevorzugt wurde.
Jacoby: Wir können jederzeit den Nachweis erbringen, dass das Gros der Mittel in den Breitensport geht. Dass wir aber die Funktion des Spitzensports und die Leitbildfunktion von Spitzensportlern nicht negieren, liegt auf der Hand. Ein Beispiel: Das Neujahrsspringen der Stabhochspringer im Merziger Zeltpalast. Da sagen die internationalen Athleten mit Raphael Holzdeppe an der Spitze, dass dies eine gute Gelegenheit ist, in die Saison zu kommen. Das Entscheidende aber ist. Das ist Werbung für den Sport beim Publikum, in dem etwa Eltern und Jugendliche sitzen. Diesen Zusammenhang mit der Multiplikatoren- und Vorbildfunktion des Spitzensports muss man sehen.
Burkert: Oder nehmen Sie die Entscheidung für Patrick Franziska. Hier freuen sich viele Nachwuchsspieler, einen solchen Weltstar zu sehen. Das kann eine Motivation für den Nachwuchs und die Stärkung des Sportstandorts Saarland bedeuten. In welche Sportart die Förderung geht, ist meines Erachtens die Entscheidung des Landesportverbandes. Der muss mit seinen Verbänden klären, wie viel Geld in den Spitzensport, und wie viel in den Breitensport geht. Wir sind diejenigen, die das Geld erwirtschaften. Und das müssen wir auf der Basis ordnungsrechtlicher Regelungen tun. In diesem Bereich gilt nicht die Marktwirtschaft. Man muss auch die Gefährdungen sehen. Deshalb ist das, was man heute auf Sportplätzen und in Übertragungen sieht, nämlich Werbung für Sportwetten ohne Ende, nicht unser Business. Wir wissen, welche Auswirkungen Glücksspiel haben kann und dass die Gesellschaft am Ende dafür aufkommen muss. Das ist die Gratwanderung, vor der wir stehen. Deshalb passen uns auch solche Schlagzeilen wie in den letzten Monaten überhaupt nicht.
Das heißt, die Affäre hat sich auch auf das Geschäft ausgewirkt?
Jacoby: Natürlich ist das ein Problem. Trotzdem sind wir als Saartoto mit den Widrigkeiten noch relativ gut zurechtgekommen. Im Jahresabschluss 2018 haben wir ein Umsatzplus von 1,7 Prozent. Das überträgt sich dann zum Beispiel auch auf das Sportachtel. Das geht über die 13-Millionen-Grenze hinaus, rund 350.000 Euro mehr als 2017. Wenn im letzten Jahr nicht noch jede Woche über die Probleme des Gesellschafters LSVS diskutiert worden wäre, wäre unser Ergebnis noch besser ausgefallen. Insofern heißt dies: Wir sind gut aufgestellt mit unseren Produkten und unserem Vertriebsnetz, das wir Schritt für Schritt erneuern und fortentwickeln. Dessen ungeachtet bleiben entscheidend für uns die politischen Rahmenbedingungen und die Zukunft des Glücksspielstaatsvertrags. Da geht es auch um die verfahrene Situation bei der Vergabe der Lizenzen für Sportwetten. Der staatliche Anbieter Oddset muss zudem endlich ins Internet dürfen.
Burkert: Wir sind darauf vorbereitet, aber wir dürfen es nicht, weil wir uns an Gesetze halten. Es gibt bei den Sportwetten einen erheblichen Graubereich, der ohne Konzession arbeitet, aber geduldet ist. Und es gibt den Bereich, wo Anbieter ohne Genehmigung auf dem deutschen Markt aktiv sind. Da wünschen wir uns von der Politik und dem Vollzug, dass gegen die, die offensichtlich rechtswidrig sind, Online-Casinos und Poker, aber auch schwarze Wetten auf Lotterien vorgegangen wird. Und die Länder müssten etwa beim Thema Payment-Blocking oder Internet-Blocking deutlich mehr Mut haben, das durchzusetzen. Andere Länder gehen da sehr radikal vor.
Die Themen sind nicht neu. Warum bewegt sich da wenig bis nichts?
Jacoby: Der staatliche Anbieter ist teilweise zur Statistenrolle verdammt. Saartoto ist mit Sportwetten-Angeboten gegründet worden. Heute liegt der Sportwettenanteil noch bei drei Prozent. Das ist auch auf die Misere der letzten zehn Jahre zurückzuführen. Warum so wenig geschehen ist, ist teilweise auch dem Föderalismus und der Personalausstattung bei den Aufsichten geschuldet. Wir haben es in puncto Illegalität mit hochprofessionellen Gruppen zu tun, und da kann man sich nicht mit drei, vier Leuten aus einer Verwaltung heraus in betulicher Weise dem Problem stellen. Deshalb ist jetzt auch im Gespräch, eine länderübergreifende Vollzugsanstalt ins Leben zu rufen, diese auch entsprechend mit Experten zu bestücken, um schlagkräftig zu werden. In manchen Bereichen sieht man auch, welche Irrationalitäten im politischen Raum eine Rolle spielen. Da hat man festgelegt, wie man dem Wildwuchs von Spielhallen und -höllen entgegentreten will. Die Länder haben Ausführungsgesetze erlassen – auch im Saarland – mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Diese ist im vergangenen Jahr abgelaufen und sollte jetzt umgesetzt werden. Gleichzeitig gibt es aber im politischen Raum Bundesländer wie Schleswig-Holstein, mit Abstrichen Nordrhein-Westfalen und Hessen, die zur gleichen Zeit die Freigabe von Online-Casinos in Deutschland propagieren. Das zeigt, wir haben es mit Spannungsverhältnissen zu tun, die von vielen Widersprüchlichkeiten und Irrationalitäten geprägt sind.
Trotz der Rahmenbedingungen und der Belastungen durch die LSVS-Affäre sprechen Sie von einem guten Geschäft. Wie kommt’s?
Burkert: Wir machen eine gute Geschäftspolitik …
… die Antwort überrascht nicht …
Burkert: … Wir haben im letzten Jahr aber auch eine günstige Entwicklung beim Jackpot gehabt. Der Eurojackpot hat sich äußerst gut entwickelt und ist zum Umsatztreiber geworden. Gleichzeitig gehen aber die Umsätze beim klassischen Lotto 6 aus 49 zurück, aber es ist immer noch der größte Umsatzanteil. Es gibt Überlegungen, wie man dieses klassische Produkt noch mal stärken kann gegenüber der Hoch-Jackpot-Lotterie.
Jacoby: Das Saarland ist mit Blick auf den Umsatz seiner Lotto-Gesellschaft nach wie vor Spitzenreiter in der Bundesrepublik, was den Pro-Kopf-Umsatz angeht. Die beiden Lotterien, 6 aus 49 und Eurojackpot machen immer noch 65 Prozent des Umsatzes aus. Wobei es bei 6 aus 49 eine Demografie-Problematik gibt. Deshalb erproben wir neue Lotterien, neue Angebote mit neuer Attraktivität.
Burkert: Wir sind seit vielen Jahren Spitzenreiter unter den deutschen Lottogesellschaften. Auch weil die Kunden wissen, was mit ihrem Geld Gutes für Land und Leute getan wird. Im Sport, in der Kultur, im Umweltschutz und im Sozialen gibt es unzählige Projekte, die von uns unterstützt werden. Die Empfänger müssen sich an die Regeln halten, sonst leidet alles darunter – auch unser Ruf.
Jacoby: Daraus resultiert ja auch das besondere Verhältnis des Saarländers zu „seiner Lotteriegesellschaft", zu Saartoto. Hier im Saarland hat man die Projekte vor Augen, im Sport, im Kultur-, Umwelt- und im Sozialbereich, die durch Saartoto unterstützt werden. Nehmen sie jüngst etwa das Max-Ophüls-Festival. Wir sagen: Wer spielt, gewinnt immer. Und jeder hat die Projekte vor Augen, bei denen Saartoto Partner ist.
Wirkt sich die Diskussion um den LSVS, die ja auch an den Annahmestellen geführt wird, erkennbar atmosphärisch aus?
Jacoby: Dass es besser ist, wenn man es nicht mit Negativschlagzeilen über einen Gesellschafter zu tun hat, liegt ja auf der Hand. Allerdings konnte man zuletzt den Eindruck haben, man kommt wieder in ein ruhigeres Fahrwasser, seit man sieht, dass die Probleme angepackt und gelöst werden. Nach all den Diskussionen und der berechtigten Kritik während der zurückliegenden zwölf Monate sollte man aber jetzt allerdings die Bemühungen des neuen LSVS-Präsidiums positiv würdigen. Der Sport hat bessere Schlagzeilen verdient als in der letzten Zeit.
Burkert: Beim Blick auf Fehler beim Sport geht leider unter, was Saartoto auf Vorschlag des Kultusministers oder der Staatskanzlei in der Kultur alles macht. Wir sind sicher der größte Förderer der Kultur in diesem Land. Von der neuen Modernen Galerie, über Jazz-Festivals bis zu vielen kleineren Aktivitäten. Auch im Ehrenamt ist Saartoto dabei.
Bei den Projekten im Kulturbereich und den anderen Bereichen war die Verwendung unmittelbar dargestellt worden. Warum war das beim LSVS nicht so?
Jacoby: Der LSVS ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und ist nach Gesetz verantwortlich für die Durchführung der Maßnahmen und deren Kontrolle. Und er ist zugleich Gesellschafter von Saartoto. Man hat es hier also mit einem einzelnen Akteur zu tun, während es im Kulturbereich viele Einzelprojekte und -maßnahmen sind. Wir haben dem LSVS im Jahr 2018 insgesamt aus der Kasse von Saartoto 14,4 Millionen überwiesen, darin enthalten der Verstärkungsfonds von 250.000 Euro. Und jetzt geht es um nicht ordnungsgemäße Verwendungsnachweise in der Größenordnung von 35.000 Euro, das bezogen auf zwei Jahre, also bezogen auf eine Gesamtförderung von über 28 Millionen in diesen beiden Jahren. Das ist die Relation. Und dabei ist unstrittig, dass die Mittel dem Sport zugutekamen, also nicht irgendwelchen x-beliebigen anderen Sachen. Das alles gehört zu einer fairen Betrachtung gerade auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten hinzu. Sport und Sportförderung im Saarland – gerade auch die Vereine und das Ehrenamt – spielen nach wie vor eine hervorragende Rolle. Nicht alles sollte schlecht geredet werden, im Gegenteil.
Nun hat Innenminister Bouillon den Aufsichtsratsvorsitz bei Saartoto abgegeben mit Hinweis auf mögliche Interessenkollisionen.
Jacoby: Sei es wie es sei! Die neue Aufsichtsratsvorsitzende Monika Bachmann war von 2012 bis 2017 schon einmal in dieser Funktion tätig. Sie stellt sich erneut der Verantwortung und der Herausforderung, was sehr zu begrüßen ist.