Die ewig goldenen Hollywood-Jahre: Vom smarten Haudegen und Hansdampf in allen Filmgassen zum wandlungsfähigen Darsteller. Robert Redfords filmische Authentizität und Wandlungstiefe ist legendär und einzigartig, vor und hinter der Kamera.
Markant, männlich mutig, aber auch sexy, sinnlich und schweigsam. Robert Redford ist eine lebende Legende, der letzte der großen Schauspiel-Titanen aus der Traummaschinerie Hollywoods. Und das über ein halbes Jahrhundert lang. Keiner, der sich wie andere lasziv und ostentativ auf Star-Lorbeeren bettet. Nein, immer rührig, resistent und respektabel, wird er in die Walhalla als einer der letzten komplexen, kontemplativen und charismatischen Megastars aufsteigen. Als sehr lebendiger, ewig junger wohlgemerkt. Und das nicht nur als Charaktermime, sondern auch als Regisseur. Seine Werke hinter der Kamera sind alles andere als notlösende Nebenbeschäftigungen, sondern eher das Spiegelbild der eigenen bewegten Vita, die sich in seiner nun faltigen Mimik und seinen stets wachen, klaren Augen widerspiegeln. Als disziplinierter und durchdringender Darsteller wird er wohl nie aufhören können und wollen.
Im Gegenteil, seinen eigenen Ankündigungen und den Gerüchten zufolge, darf man ihn zum letzten Mal in einem Glanzstück bestaunen, was flugs mit einer Golden-Globe-Nominierung als „Bester Hauptdarsteller" ausgelobt wurde. „Ein Gauner & Gentleman" wäre sein fulminantes Schlussfeuerwerk, um mit einem Altmeisterstück der internationalen Filmbühne „Adieu!" zu sagen. Robert Redford mimt den US-amerikanischen Bankräuber und Ausbrecherkönig Forrest Tucker, der fast sein ganzes Leben hinter schwedischen Gardinen verbrachte. Dabei hatte Redford schon in J. C. Chandors furios inszenierter Schiffbruch-Tragödie „All Is Lost" eine schauspielerische Meisterleistung hingelegt. Vor allem, weil er in seinem Part isoliert, zum Schweigen verurteilt, den gesamten Film trägt. Es ist eine bedrückende und beeindruckende Metapher à la Redford auf das Leben und den plötzlich nahen Tod und das menschliche Schicksal schlechthin: Verloren schaukeln seine Turnschuhe auf der Oberfläche des Indischen Ozeans. Ein nahezu idyllisches Bild, doch der einsame alte Mann fühlt sich alles andere als geborgen im Schoße der maritimen Naturgewalten.
Verzweifelt starrt Redford in seinem Einpersonen-Drama auf den Iso-Container, der ein riesiges Loch in seine 39 Fuß lange Yacht gerissen hat und ihn nun dem Tode weiht. Statt aufzugeben und unterzugehen, wird er aktiv, versucht die Yacht leerzupumpen, flickt notdürftig das Loch und setzt einen SOS-Funkspruch ab. Es werden die einzigen Worte über die gesamte Filmlänge sein. Dem Havarierten bleiben die diffizile Darstellungsmöglichkeit des inneren Monologs und seine seelengepeinigte Mimik als Ausdrucksform. Redfords Überlebenskampf währt über mehrere, schier endlose Tage und Nächte. Es bleibt offen, wieso er sich solitär auf diesen tödlichen Trip mit ungewissem Ausgang eingelassen hat.
Diszipliniert und durchdringend
Beängstigend und ergreifend, wie Robert Redford den Existenzkampf transportiert, derartiges Unisolo-Charakterspiel hatte das große amerikanische Kino bislang kaum in dieser dichten klaustrophobischen Form zu bieten. Der fade Geschmack von fataler Freiheit und todesängstlichem Abenteuer gerät zur Schicksalsfrage zwischen Ertrinken und Überleben. Für Robert Redford eine auf Leib und Seele zugeschnittene, höchst identifikatorische Idealrolle.
Schon diverse Frühwerke, wie zum Beispiel sein mit einem Oscar belohntes Regiedebüt „Eine ganz normale Familie" (1980) – oder „Aus der Mitte entspringt ein Fluß" (1992), in dem Redford mit sich und der Familie in Frieden und Harmonie abrechnet. Es sind vor allem Robert Redfords ergreifende Parts in den experimentierfreudigen 80er-Filmjahren, die den wahren, unbeugsamen als nunmehr vom Schicksal weich gespülten Protagonisten von seiner intimsten Seite outen und endgültig als Könner des Charakterspiels ausweisen.
Nicht ohne Grund und Hintergrund: 1983 wird der Verlobte seiner Tochter Shauna von einem Kleinkriminellen niedergestreckt. Die Redfords geraten in die Blitzlichter der breiten Öffentlichkeit. Für den stillen Familienvater Redford der blanke Horror, den er filmisch verarbeiten wird. 1985 schließlich wird seine mustergültige Ehe nach 27 Jahren und fünf Jahren Rosenkrieg geschieden. Ein weiterer Rückschlag, der Redford leiden lässt. 1987 diagnostizieren die Ärzte eine schwere Lebererkrankung bei seinem Sohn James, die erst sechs Jahre später durch eine zweite schwere Lebertransplantation, nachdem die erste abgestoßen wurde, endlich geheilt wird. In dieser Phase zieht der Schauspieler sich privat noch mehr zurück, scheinbar zutiefst verletzt, dass nur wenige aus seinem befreundeten Umfeld in diesen schweren Zeiten zu ihm standen. Anleihen davon sind davon später im „Der Pferdeflüsterer" (1998) zu bemerken, in dem er nicht aufgibt und dem schwer traumatisierten Hengst Pilgrim wieder auf die Beine hilft und nebenbei die Liebe zur Besitzerin Kristin Scott Thomas entdeckt. Es sind schwelgerisch melodramatische Sujets und gleichsam Selbstfindungsprozesse, die Redford in familiären Dramen und Tragödien komprimiert und sich selbst dabei stark inszeniert.
Die Wandlung vom Harten zum Zarten ist sehr auffällig und erstaunlich unverkennbar. „Es war eine schlimme Zeit. Meine Ehe war zerbrochen und ich begann, mich auf das menschliche Verhalten zu konzentrieren, über soziale Unruhen und Ungerechtigkeiten nachzudenken, um mich selbst zu verstehen", gestand er einmal vor der einschlägigen US-Fachpresse im Interview. Erst viel später wird er wieder analytisch werden, politisch, subversiv, trotzdem gleichbleibend privat, 2007 in „Von Löwen und Lämmern". In packenden Sequenzen erklärt er seine persönliche Attitüde, seine Ethik und sein Bild von den Vereinigten Staaten, nimmt Medien, Politik und den Krieg in Afghanistan ins Visier. Das ist nicht nur gespielt, sondern Redford in puristischer Form.
Seine Authentizität vor der Kamera fußt vorwiegend auf seiner eigenen Lebensattitüde, eben nur Rollen zu spielen, die ihn persönlich bis ins Mark berühren und das Herz des Publikums durchbohren. Daher auch seine wuchtige wortlose Empathie in sozialkritischen Projekten, die er schon in den Anfängen 1965 als bisexueller Filmstar in „Verdammte, süße Welt" andeutete.
Während gleichaltrige Schauspielkollegen in Hollywood ihren Rentenantrag bei der Künstlersozialkasse einreichten, fing er erst richtig an. Seine hingebungsvolle Schauspielerei ist gleichsam Seelenbalsam, gerade zu jenen Phasen, als Schicksalsschläge wie der Tod seines zwei Monate alten Sohnes 1959 ihm
zusetzten.
Zur Redford’schen Routine gesellt sich eine peinlich penible Perfektion. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, vom Drehbuch bis hin zur Schlussklappe. Und die Summe all dieser Faktoren machen ihn zu dem, was er schon immer war, ist und auch bleiben wird.
Eine liebenswerte Leinwand-Legende, die keine Mühen und Meisterprüfung in Sachen selbstaufopferndes Schauspiel scheut.