Um den Winterblues abzuschütteln, eignet sich hervorragend eine Reise an die Sonnenküste von Andalusien. In der Hafenstadt warten neben Mittelmeer-Feeling viel Kultur und Geschichte.
Palmeral de las Sorpresas – das klingt etwas märchenhaft und ist es auch. Übersetzt bedeutet es Palmenwald der Überraschungen und ist Málagas attraktive Mittelmeer-Promenade. Durch das federartig geschwungene Sonnendach lugt Andalusiens blauer Himmel.
Diese vor Jahren geschaffene Flaniermeile entlang am 3.000-jährigen Hafen vertreibt den Winterblues und weckt sofort Frühlingsgefühle. Fürs Baden ist es zumindest für die Spanier noch zu früh, doch ein kleiner Segeltörn entlang der Küste macht schon Spaß. Zum Bräunen reicht die Sonne bereits und verleitet zu einem „Salud" auf den kommenden Sommer.
Andere Besucher schauen sich im Hafen um, bewundern die schicken Jachten und staunen über den bunten Glaswürfel auf einer der Molen. Der ist Málagas Centro Pompidou, ein Ableger des Originalmuseums in Paris. Drinnen sind Werke der heutigen Avantgarde ausgestellt, nach dem Motto „Adel verpflichtet". Bekanntlich ist in Málaga Pablo Picasso geboren, und ein Blick auf sein Geburtshaus an der Plaza de la Merced ist für fast alle ebenso ein Muss wie der Gang durchs Museo Picasso im Palacio de Buenavista. Picassos Entwicklung vom schlichten Zeichner zum weltbekannten Star der Moderne lässt sich dort nachvollziehen. Manche Gäste laufen auch gerne hügelan und landen beim englischen St. George’s Cemetery von 1831, dem ältesten evangelischen Friedhof Spaniens. Wer sich neugierig hineinwagt, staunt vermutlich über Grabsteine mit deutschen Namen. Dort oben wurden deutsche Kaufleute, die in Málaga gelebt und gearbeitet hatten, begraben und auch die rund 40 Matrosen, die 1907 beim Untergang des Segelschulschiffs „Gneisenau" ums Leben kamen. Kapitän Kretschmann, der eine Sturmwarnung ignoriert hatte, gehörte ebenfalls zu den Opfern. Der in der Bucht ankernde Dreimaster trieb schließlich bei Motorausfall gegen die Mole und sank.
Nur durch die Hilfe beherzt handelnder Bewohner konnten die übrigen Besatzungsmitglieder gerettet werden. Zwei Jahre später, als der Guadalmedina die Stadt überschwemmte, revanchierte sich Deutschland und baute eine stabile Brücke über den Fluss: la Puente de Santo Domingo. Auf dem Schild steht noch heute in Klammern Puente de los Alemanes, Brücke der Deutschen, und so wird sie weiterhin genannt. Einen Teil der Kosten übernahm Kaiser Wilhelm II., den Rest brachten private Spender auf.
Blick vom Friedhof über die ganze Stadt
Die Aussicht vom englischen Friedhof auf die Stadt lohnt den kleinen Anstieg. Der Blick schweift über die 1876 eingeweihte Stierkampfarena – ein Bau im arabisch inspirierten Neomudéjar-Stil – auf die Hochhäuser am Hafen. Das ergibt einen starken Kontrast zwischen Tradition und Moderne. In Andalusien gehört der Stierkampf jedoch nach wie vor zum Leben. In der Karwoche treten die Toreros sogar in Kostümen mit Picasso-Motiven auf.
Málaga ist eine sehr geschichtsträchtige Stadt. Die alten Römer haben bedeutsame Stadtreste und ein Amphitheater hinterlassen. Aus den maurisch (muslimisch) geprägten Jahrhunderten stammt die klotzige Alcazaba, die Araber-Zitadelle aus dem 11. Jahrhundert. Die Kathedrale wurde auf den Fundamenten einer Moschee errichtet. Da das Geld per saldo nur für einen Turm reichte, heißt sie im Volksmund „La Manquita", die Einarmige.
Ab 1528 wurden insgesamt 254 Jahre an dem riesigen Gotteshaus gebaut, ein Stilmix aus Renaissance, Gotik und Barock war die Folge. Leidgeprüfte Deutsche mag diese lange Bauzeit trösten. Die kultige Bodega El Pimpi zu Füßen der Alcazaba hebt die Stimmung aber dennoch (www.elpimpi.com).
Voller Stolz betonen bald die Einheimischen am Nebentisch, dass die Provinz Málaga nun ein Unesco-Weltkulturerbe besitzt: die rund 6.000 Jahre alten Dolmen von Menga, Viera und Romeral aus der Jungsteinzeit nahe dem Städtchen Antequera.
Maßgeblich für die Unesco-Ehre war der Dolmen de Menga wegen seiner ungewöhnlichen Ausrichtung um 45 Grad gen Nordosten. Der gegenüberliegende Berg – später „Peña de los Enamorados" (Fels der Liebenden) genannt – dürfte dafür die Ursache gewesen sein, ähnelt sein Kamm doch einem schlafenden Göttergesicht. Für die frühen Menschen war diese Ähnlichkeit sicherlich von hoher spiritueller Bedeutung. Aufgrund dieser Ausrichtung scheint die Morgensonne bei der Sommersonnenwende über den Berggipfel direkt in den Eingang.
Darüber hinaus ist der fast 20 Meter lange Dolmen de Menga der angeblich längste in Europa, und seine Deckenplatten wiegen circa 180 Tonnen. Schon das Heranschaffen und Aufstellen all dieser ungeheuer schweren Steine und Platten war eine logistische Meisterleistung. Wie sie vermutlich transportiert wurden, zeigt ein Film im angeschlossenen Museum.
Heiterer stimmt jedoch das benachbarte Antequera, eine hübsche, etwa 2.000 Jahre alte Stadt. Es empfiehlt sich, hinauf zum Festungshügel mit der Kirche Santa Maria la Mayor zu gehen. Die Aussicht von dort oben auf die weißen Häuser und die zahlreichen Kirchen lohnt die kleine Mühe, zumal auch der „Peña de los Enamorados" am Horizont zu sehen ist.
Fröhlichkeit pur gilt schließlich für das malerische Küstenstädtchen Nerja rund 60 Kilometer östlich von Málaga. Der Parador de Nerja, gelegen auf der Steilküste über dem langen Strand, ist ganzjährig geöffnet. Zahlreiche Gäste kommen auch im Winter, um sich bei milden Temperaturen zu erholen (www.parador.es/de/paradores/parador-de-nerja).
Felsmalereien der Cromagnon-Menschen
Die meisten reisen jedoch pünktlich zum 15. Mai an, zur farbenprächtigen Wallfahrt zu Ehren von San Isidro (auf Deutsch St. Isidor), dem Patron der Bauern und Holzarbeiter. Für Nerja und Umgebung ist es das Fest der Feste, und die fröhlichen Pilger kommen nicht selten von weither. Schon früh am Morgen eilen alle zur Kirche und warten auf das Ende der feierlichen Messe, während Tänzerinnen und Tänzer derweil für Unterhaltung sorgen.
Jetzt quellen sie heraus, die Geistlichen, die Honoratioren und die übrigen Gläubigen, die Herren im besten Anzug sowie die fein herausgeputzten Frauen und Mädchen. Ein Jubelschrei und Beifall der Wartenden, als die Träger mit der Isidro-Statue durch die Tür treten. Stundenlang ziehen nun bunt geschmückte Ochsen den Karren mit dem schlicht kostümierten Arbeiter-Heiligen durchs Städtchen und über Land. Hunderte folgen unermüdlich und mit sichtlicher Freude. Die aufwendigen traditionellen Rüschenkleider der Damen wippen im Takt der Trommler und der Musik. Schicke Reiterinnen und Reiter schließen sich dem Zug an, die Frauen oft im traditionellen Damensitz. Auch Kutschen sind unterwegs. Geschmückte Autos und Laster folgen, bieten Wasserflaschen und etwas Verpflegung fürs fröhliche Volk. Bier ist auch nicht tabu, denn Pilgern macht durstig. Über Mittag brennt in Nerja am 15. Mai die Sonne.
Endstation sind die erst 1959 entdeckten Höhlen von Nerja mit ihren Felsmalereien, geschaffen von Cromagnon-Menschen, die sie vor 40.000 bis 12.000 Jahren bewohnten. Zur Schonung sind die Höhlen bei diesem Fest geschlossen. Auf dem Rasen davor wird nun bis nach Mitternacht gegessen, getrunken und getanzt. Bis in die Morgenstunden schallt die Musik durchs Städtchen. Fromme Lebensfreude hoch drei zu Ehren des Schutzpatrons, der für ein gutes Jahr, eine reichliche Ernte und sicherlich auch für viele fröhliche Urlauber am langen Strand sorgen soll.