In seinem Berliner Atelier lässt Giuseppe Tella Hut-Unikate entstehen. Im Interview spricht er über sein Handwerk, Inspirationsquellen, die Zusammenarbeit mit Wolfgang Joop, und er verrät, welcher Hut zu welcher Gesichtsform passt.
Herr Tella, warum wollten Sie Hut-Designer werden?
„Hüte machen Leute", sagt man doch in Deutschland. Ich wollte meine Liebe zur Mode und mein Können aus der Architektur irgendwie miteinander vereinen. Ein Hut ist ein Statement und macht jedes Outfit individueller. Oft betrachte ich hutlose Menschen und stelle mir vor, wie der richtige Hut die Persönlichkeit unterstreichen und das Outfit komplettieren würde. Oft sagen mir Leute: „Mir stehen keine Hüte". Ich sage: Das stimmt nicht! Es gibt für jeden einen passenden Hut. Manchmal braucht es vielleicht wirklich einfach den sprichwörtlichen Mut zum Hut.
Wie haben Sie sich das Know-how für diesen Beruf beigebracht?
Ich habe in Italien ursprünglich Architektur studiert. Ein Design-Studium oder eine klassische Modisten-Ausbildung habe ich nicht absolviert. Als ich vor 18 Jahren nach Berlin kam, arbeitete ich erst mal in der Gastronomie, lernte die Sprache, tauchte in die Stadt ein und ließ mich treiben. Mode war schon immer meine große Leidenschaft. Nach der Schule wollte ich unbedingt Modedesign in Mailand studieren. Meine Eltern waren damals dagegen, ich fügte mich, und so traf man sich mit Architektur wohl irgendwie in der kreativen Mitte. Der Wunsch, Mode zu kreieren, blieb jedoch, und diese Leidenschaft ließ sich auch nicht dauerhaft unterdrücken. Als ich nach etwa zwei Jahren endgültig in Berlin angekommen und der Sprache halbwegs mächtig war, lief ich eines Abends an den vielen Schaufenstern der Stadt vorbei, bis ich an einem Hutgeschäft vorbeikam. Ich erinnere mich noch ziemlich gut an diesen Augenblick. Ich dachte: „Hm, das könnte ich besser" (lacht). Am nächsten Tag fragte ich in eben diesem Hutgeschäft nach einem Praktikumsplatz. Die Inhaberin war nicht einfach zu überzeugen, und so bastelte ich zu Hause eine ganze Nacht an kleinen Modellen, die ich auf Barbie-Köpfen arrangierte. Damit konnte ich die Modisten-Meisterin schließlich doch von mir überzeugen. Von da an besuchte ich Nähkurse, kreierte zu Hause und absolvierte weitere Praktika – unter anderem bei Österreichs Hutmacher Nummer eins, Klaus Mühlbauer in Wien. Der Grundstein wurde sicher dort gelegt, wenngleich ich mir das meiste ganz autodidaktisch selbst angeeignet habe. Der Weg war anfangs zwar steinig, aber ich folgte fortan meiner Leidenschaft und versuchte stets, für jedes Problem, auf das ich stieß, Lösungen zu finden.
Ist der Beruf des Hutdesigners/Hutmachers ein aussterbender, oder blüht dieses Handwerk wieder auf?
Der Beruf ist eher vom Aussterben bedroht. Es ist eine kleine Nische, und viele Menschen legen heute mehr Wert auf ihre Frisur als auf einen maßgefertigten Hut. In Ländern mit Monarchie haben Hüte noch einen anderen Stellenwert.
Wie viele Leute arbeiten mit Ihnen in Ihrem Atelier, und wie sieht die Aufgabenverteilung aus?
Mein Partner und ich sind zu zweit. Wir entwickeln gemeinsam neue Ideen. Die kreative und handwerkliche Umsetzung fällt verstärkt in meinen Aufgabenbereich. Mein Partner konzentriert sich derweil mehr auf Marketing, PR, Social Media, Buchhaltung und sowas. Wir fotografieren auch gemeinsam und unterstützen uns gegenseitig darin, unsere Visionen in Szene zu setzen. Alles in allem ergänzen wir uns recht gut.
Können Sie sich noch an das erste Stück erinnern, das Sie kreiert haben?
Das erste Stück, das ich je kreiert habe, war ein Kopfschmuck/Fascinator für meine Mutter. Eine Rose aus Metall mit einem Schleier vor den Augen. Meine Mama hat es bis heute nie getragen, aber sie hütet es wie einen Schatz in einer Schatulle in ihrem Schlafzimmer. Dieses Stück ist quasi die Matrix meines Schaffens als Hutdesigner.
Welcher Hut ist bis heute Ihr Favorit?
Meistens ist der aktuelle Hut, an dem ich gerade arbeite, mein Favorit. Ich genieße diesen kreativen Schaffensprozess jedes Mal aufs Neue.
Wie lange dauert es etwa, bis ein Hut fertig ist?
Das ist ganz unterschiedlich und nicht ohne weiteres zu beantworten. Meistens arbeite ich an mehreren Kreationen gleichzeitig. Da in jeder Kreation viele unterschiedliche Arbeitsgänge stecken, muss die Arbeit zuweilen ruhen. Ein Filzhut zum Beispiel, der feucht auf eine Hutform aus Holz gezogen wird, muss auf der Form vollständig trocknen, bevor es an den nächsten Arbeitsschritt gehen kann. Das kann auch schon mal zwei bis drei Tage dauern. In dieser Zeit sitze ich natürlich längst an bereits angefangenen oder ganz neuen Kreationen. Da ich fast ausschließlich Unikate fertige, lassen sich die Arbeitsabläufe auch eher schlecht zeitsparend optimieren. Je aufwendiger die Kreation, desto größer der Zeitaufwand.
Wie teuer sind Ihre Hüte?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Maßarbeit hat nun mal ihren Preis. Je aufwendiger die Kreation und je hochwertiger die Materialien, desto höher ist verständlicherweise der Preis. Ab 150 Euro gibt es eine Mütze. Ab 200 Euro kann man bei mir einen eher schlichten Hut erwerben. Nach oben sind die Preise jedoch offen und ganz abhängig von Material und Arbeitsaufwand. Das kann auch schon mal in den vierstelligen Bereich gehen.
Fertigen Sie noch Skizzen für neue Stücke an?
Ganz ohne Skizzen geht es nicht. Am PC fertige ich selten Skizzen, das liegt mir einfach besser von Hand. Die Skizze ist dabei meist eher wie eine Notiz, damit Ideen sich nicht sofort wieder ins Nichts auflösen. Nur wenn mir danach ist, gestalte ich meine Skizzen schön mit Farbe aus. Sonst tut es auch eine – wie soll ich sagen – Stenografie-Skizze, die nur ich lesen kann und die eher dazu dient, mir meine Vision wieder vor mein geistiges Auge zurückzuholen. Nicht selten weiche ich auch von meinen ursprünglichen Ideen während der Umsetzung ab. Ich brauche das Material zwischen meinen Fingern, damit der Schaffensprozess fließen kann.
Voriges Jahr haben Sie mit Wolfgang Joop zusammengearbeitet …
Ich saß eines Nachmittags zusammen mit meinem Partner und einer Freundin auf der Terrasse eines Cafés in Berlin, als sich plötzlich und ganz unvermittelt Wolfgang zu uns gesellte. Wir kamen sofort ins Gespräch und hatten uns auf Anhieb gut verstanden. Als ich ihm erzählte, dass ich Hutdesigner sei, war er sehr interessiert. Ich zeigte ihm eine meiner Kreationen auf dem Smartphone, und wir tauschten Nummern aus. Einige Tage später kontaktierte er mich und fragte, ob ich nicht einige meiner Krea-
tionen für seine Wunderkind-Fashion-show in Mailand beisteuern wolle. Und so kam es. Ich schätze Wolfgangs herzliche und kreative Art sehr, und wir stehen nach wie vor in Kontakt.
Sie haben Angelina Jolie einmal einen Ihrer Hüte geschenkt. Wie kam es dazu, und welcher Hut war es?
Das war auf der Deutschlandpremiere eines Films von Brad Pitt, mit dem sie damals noch liiert war. Da mich ihre Geschichte damals sehr ergriffen hatte und sie an diesem Tag Geburtstag hatte, wollte ich ihr etwas Persönliches schenken. Es war einer ihrer ersten öffentlichen Auftritte nach der vorsorglichen, beidseitigen Brustamputation. Ich habe ihr zwei Raffia-Hüte in meinem typischen 3D-Design gefertigt und auf dem roten Teppich überreicht. Sie hat sich sehr gefreut und sagte: „Beautiful! Did you do this?" Ich antwortete: „Yes, especially for you." Sie dankte mir und schenkte mir dafür ein zauberhaftes Lächeln.
Stehen Hüte jeder Frau?
Für jede Frau gibt es passende Hüte. Das ist als würden Sie mich fragen, ob jeder Frau Schuhe stehen …
Welche Hüte passen zu welcher Gesichtsform?
Oh je, das ist eine Wissenschaft für sich. Auf jeden Fall sollte man einen Hut vor dem Kauf anprobieren. Die Gesichtsform alleine sollte nicht darüber entscheiden. Auch Aspekte wie die Körpergröße sollten nicht außer Acht gelassen werden. Einer runden Gesichtsform begegnet man am besten mit Asymmetrie, zum Beispiel mit einer schräg aufgesetzten Mütze oder einer optischen Verschlankung durch einen Hut mit hoher Krone. Man sollte für sich ein Modell finden, das von den Rundungen des Gesichts weglenkt. Wenn man den Hut vorne schräg platziert, wird das Gesicht optisch in die Länge gezogen und erhält mehr Definition. Am einfachsten haben es Menschen mit einer eher ovalen Gesichtsform. Zu dieser Gesichtsform passt theoretisch jeder Hut. Hier könnte dann die Körpergröße darüber entscheiden, welches Modell passender ist. Einer länglichen Gesichtsform begegnet man am besten mit einer niedrigen Krone und einer breiten Krempe, da dies die Länge des Gesichts besonders gut ausgleicht. Zu einer herzförmigen Gesichtsform passen gut Hüte mit mittelbreiter Krempe oder ein Barett. Eine zu breite Krempe würde hier möglicherweise unvorteilhaft eine zu breite Stirn oder ein zu schmales Kinn hervorheben. Wer eine eher quadratische Gesichtsform hat, sollte dies mit runden Formen ausgleichen, etwa einem Glockenhut oder einer Baskenmütze, und eckige Modelle eher meiden, da dies die kantige Gesichtsform zusätzlich betont. Wer ein eher dreieckiges Gesicht hat, kann ähnlich wie bei der ovalen Gesichtsform fast alles tragen. Hier sollte man jedoch darauf achten, dass die Krone des Hutes schmaler ist als die Breite zwischen den Wangenknochen. Das klingt jetzt alles sehr theoretisch … Daher gilt: „Probieren geht über Studieren!"
Zu welchen Outfits kann man Hüte tragen?
Das kommt auf die Jahreszeit und den Anlass an. Im Sommer trägt man eher Strohhüte und Mützen aus leichten Stoffen. Auf Hochzeiten und der Pferderennbahn darf es dann für die Dame ein Fascinator oder ein großer Sinamay-Hut sein. Im Herbst und Winter Filzhüte, Mützen aus dickeren Stoffen und Fakefur – echten Pelz verarbeite ich nicht! Generell gibt es keinen Hut für keinen Anlass. Wer eine Verbindung zu einer meiner Kreationen herstellt, kann diese selbstbewusst zu jedem Outfit und Anlass tragen.
Zu welchen Gelegenheiten kann man Ihre auffälligen Fascinators tragen?
Wann immer einem danach ist. Es muss ja nicht immer die besagte Hochzeit oder auf der Pferderennbahn sein. Einmal wollte eine Kundin einen Fascinator, weil sie davon träumte, damit im Supermarkt einkaufen zu gehen. Das wünsche ich mir: weg vom Anlass hin zum Statement.
Tragen Sie selbst auch Mützen und Hüte? Und welche am liebsten?
Ich trage selbst natürlich auch Hüte und Mützen, aber nicht immer. Ich trage am liebsten meine schwarze sogenannte 3D-Melone – eine kleine Melone mit nach innen statt nach außen gewölbter Krempe. Oder gerne auch mal einen knallroten Trilby.
Warum haben Sie keinen Onlineshop – sollte man Hüte immer im Laden anprobieren?
Ich glaube, dieses Online-Shopping wird sich nicht durchsetzen … (lacht). Spaß beiseite … Wer eine meiner Kreationen erwirbt, sollte sich sicher sein, eine Verbindung dazu aufgebaut zu haben und sie vorher anprobiert haben. Ich mag es, meine Kunden mit meinen Kreationen persönlich zu krönen. Ich mag diese Mentalität des In-zwei-Größen-Bestellens-und-eine-oder-sogar-beide-wieder-Zurückschickens nicht. Ich fertige Unikate und möchte meiner Kundschaft bei Erwerb ein entsprechendes Ambiente bieten. Das ist mit einem Online-Shop so nicht möglich.
Weitere Infos: www.giuseppetella.com