Oliver Georgi hat jeden Tag mit Politikeraussagen zu tun, die alles und nichts heißen können. Der 42-jährige Journalist hat einiges davon unter dem Titel „Und täglich grüßt das Phrasenschwein" (Duden-Verlag) zusammengefasst.
Herr Georgi, ist die Wahlkampfzeit die absolute Hochphase der Phrasen?
Nein, Phrasenzeit ist immer, das ganze Jahr hindurch. Nur momentan fällt es uns einfach mehr auf. Zum einen tauchen die Politiker in den elektronischen Medien noch mehr auf, als sie das ohnehin schon machen. Nun kommt aber noch hinzu, dass die Parteien ihre Werbung schalten. Damit stehen wir im Auto an der roten Ampel und können dann auch noch die Phrasen lesen. Denn die Wahlkämpfer erzählen ja deckungsgleich das, was auch auf den Plakaten steht. Und dann wird das auch noch im Fernsehen wiederholt. Dadurch entsteht der Eindruck, dass wir momentan die Phrasen viel mehr als sonst hören.
Warum machen das die Parteien, warum die Politiker?
„Wir wollen die Zukunft gestalten" zum Beispiel klingt richtig gut. Da ist Zukunft drin, das ist immer positiv und dann wollen wir die auch noch gestalten. Also Wir, eine Gemeinschaft, wollen zusammen kreativ sein. Toll. Der Fehler aus Sicht des Politikers wäre, jetzt zu sagen, was er genau machen will. Da würde er eine Position beziehen und damit auch sagen, was er auf keinen Fall vorhat. Damit macht er sich ja in erster Linie generell angreifbar. Er könnte aber auch Menschen verprellen, die anderer Meinung sind und diesen Politiker mit einer eigenen Meinung bislang sympathisch fanden. Und noch viel schlimmer. Wird dieser Beispielpolitiker gewählt, könnten die Menschen vor der nächsten Wahl nachfragen, warum er das, was er versprochen hat, nicht auch umgesetzt hat.
Aber war das nicht immer schon so?
Nein ich glaube, das hat sich gerade in den letzten 20 Jahren sehr verstärkt und das liegt auch mit an uns Wählern und den Medien. Wir Wähler wollen über immer mehr Kanälen immer schneller Antworten haben. Auch auf hochkomplexe Dinge. Die Medien wollen diese Antworten ihren Usern, also uns, natürlich auch sehr schnell liefern. Nehmen sie beispielsweise den Höhepunkt des Phrasendreschens, den Wahlabend. Ein Politiker wurde knapp gewählt und bereits um kurz nach 18 Uhr soll er konkret sagen, was seine Regierungslinie sein wird. Da kommt dann so was raus wie: „Wir wollen Politik für die kleinen Leute machen." Was soll er auch zu diesem Zeitpunkt sagen, er weiß ja noch gar nicht, was seine möglichen Koalitionspartner wollen. Aber wir Wähler wollen schnelle Antworten, und die Medien bemühen sich, diese zu liefern. Geholfen, ist unterm Strich, eigentlich niemanden damit.
Oliver Georgi: Und täglich grüßt das Phrasenschwein. Warum Politiker keinen Klartext reden – und wieso das auch an uns liegt
Duden-Verlag, 224 Seiten, 18 Euro, ISBN: 978-3-411-71776-7