An der Südlichen Weinstraße reihen sich wie auf einer voll besetzten Perlenschnur Weingüter dicht an dicht. Daneben sorgen historische Städtchen, schnuckelige Dörfer und kleine Museen für reichlich Abwechslung.
Gleich hinter Bad Bergzabern geht es bergauf. Nicht steil, aber stetig und in großgeschwungenen Serpentinen auf einem asphaltierten Weg hinein in die Weinberge. Wie gut, dass wir uns für ein E-Bike entschieden haben. Denn die Sonne sorgt dafür, dass unsere kleine Gruppe Genussradler bald ins Schwitzen kommt. Wenigstens gibt es eine Aussicht, und die wird immer lohnender, je höher wir uns Richtung Hügelkamm hinaufarbeiten. Der Blick von hier oben reicht von Bad Bergzabern mit Renaissance-Schloss, Riesentor und Resten der mittelalterlichen Stadtmauer zu kleinen Dörfern zwischen Weinbergen bis hinüber zum Pfälzer Wald.
Willkommen an der Südlichen Weinstraße oder vielmehr im gleichnamigen Landkreis im Süden von Rheinland-Pfalz. Eine Region, die ihrem Namen alle Ehre macht – sie ist nämlich vom Weinbau geprägt, die Dichte der Weingüter ist beachtlich. Zudem bietet sie viel Historie – von der Reichsburg Trifels bei Annweiler über die Villa Ludwigshöhe, dem einstigen Sommerschloss des bayerischen Königs, bis hin zu spektakulären archäologischen Funden bei Herxheim.
Für uns aber geht es erst einmal – nun zum Glück wieder ebener – am Haardtrand und der kleinen St.-Dionysius-Kapelle vorbei und auf das Muskateller-Dörfchen Gleiszellen-Gleishorbach zu. Schattig ist es in den mit Kopfstein gepflasterten Gassen. Blumenkästen sorgen vor altersschiefem Fachwerk für bunte Farbtupfer, Wasser sprudelt in die Tröge des aus Sandsteinblöcken gehauenen Brunnens. Und im großen Hof des ehemaligen Kurpfälzischen Amtshauses nimmt Manuela Meyer vom gleichnamigen Stiftsweingut ihre Gäste in Empfang. Nicht ohne mit ihnen zunächst einen Blick in den kühlen Zehntkeller mit seinen alten Holzfässern zu werfen, ein Raum, der – klar – Weinaromen aber auch reichlich Atmosphäre ausatmet. Wein, sagt Manuela Meyer, sei für sie und ihren Mann nicht nur Beruf sondern auch Leidenschaft. Ihre Arbeit vergleichen die beiden auch – zwar mit Augenzwinkern, dennoch sehr ernst gemeint – mit einer Sisyphos-Aufgabe. Denn jedes Jahr gehe es von neuem darum, unter wechselnden klimatischen Rahmenbedingungen, die höchstmögliche Qualität zu erzielen.
Brunnen aus Sandsteinblöcken
Genug der Theorie und hinein ins Verkosten. Weiß getüncht sind die alten Mauern des Probierraums, mit einem langen Holztisch als Herzstück, auf dem Winzerin Manuela Meyer bereits einige Flaschen und Gläser aufgebaut hat. Elf Hektar groß sei die Anbaufläche des Stiftsweinguts, zu denen auch einige sehr spezielle Lagen zählten, beispielsweise mit Muschelkalkboden. Hier sind geologische Schichten, die rund 230 Millionen Jahre alt sind. Häufig seien bei der Arbeit an den Reben noch Fossilien zu finden. Zu kosten gibt es „Roten Riesling", eine weiße Rebsorte mit roter Haut, die jahrelang in Vergessenheit geraten war. Manuela Meyer und ihr Mann bauen sie seit etwa vier Jahren wieder an, auf Kalkböden, was dem Wein eine ganz besondere mineralische Note verleiht.
Mit dem intensiven Geschmack auf der Zunge heißt es nun „Zurück aufs E-Bike!" Es geht schmale Wege entlang, an Weinbergen vorbei, und in Sichtweite ist die Burgruine Landeck. Ziel ist Leinsweiler, noch eines dieser südpfälzischen Dörfchen, die einem Bilderbuch entsprungen zu sein scheinen. Ein Ort, der seinen Namen der Freifrau Landswinda verdankt, die ihn von einem fränkischen König als Lehen erhielt, wohl auch als Huldigung ihrer Schönheit. Das 500-Einwohner-Dorf Leinsweiler gruppiert sich ums Rathaus von 1691, einem blumengeschmückten Fachwerkgebäude mit Arkadengang, und um den plätschernden Dorfbrunnen. Enge Gassen führen in verwinkelte Ecken mit efeubewachsenem Fachwerk. Einer, der die Lage des Ortes zwischen den sanft abfallenden Hängen der Weinberge und das Pittoreske der Architektur so schätzte, dass er sich hier niederließ, war der Impressionist Max Slevogt. 1898 hatte der Künstler Nini Finkler geheiratet, deren Familie der Meierhof oberhalb des Orts gehörte. Slevogt kaufte das Anwesen schließlich 1914, ließ es unter anderem um eine Bibliothek und einen Musiksaal erweitern, der aufwendig ausgemalt wurde – „mit einem Opernbilderbogen im Großen: Zauberflöte, Don Juan, Siegfried und Faust", wie er es beschrieb. Im vergangenen Jahr wurde in Leinsweiler und auf dem heute zum Museum umgestalteten Slevogt-Hof der 150.Geburtstag des Malers gefeiert – doch auch unabhängig von Jubiläen kann man sich heute auf einem Rundparcours Stationen aus Slevogts Leben und Werk erwandern.
Ein südpfälzisches Dörfchen wie aus dem Bilderbuch
Nur wenige Kilometer östlich von Leinsweiler liegt Landau, die drittgrößte Stadt der Pfalz – und das Ziel des nächsten Tages. Denn auf dem mit Kopfstein gepflasterten Rathausplatz, den ein Reiterstandbild von Luitpold von Bayern dominiert, findet der Wochenmarkt statt. Dicht an dicht reihen sich Stände und Verkaufswagen mit überwiegend regionalen Produkten. Von Bauern aus dem weiteren Umkreis, die saisonales Gemüse und Obst im Angebot haben – leuchtend rote Knupperkirschen, knackige Bohnen, üppige Salatköpfe. Aber auch duftendes Brot aus dem Holzofen und Käse. An einem kleinen Tischchen mitten im Marktgewühl steht Elke Dietrich von der „Dampfnudelmanufaktur", die nur allzu gern erklärt, was es mit dieser Pfälzer Spezialität auf sich hat. Deftige Hausmannskost aus einfachen Zutaten seien die „Pälzer Hawwedampfnudle", sagt Elke und es gäbe eine ganze Reihe unterschiedlichster Rezepte. Die Hefeklöße – darf man sie so despektierlich nennen? – kommen nämlich mal deftig in Weinsoße, dann wieder mit süßer Kruste daher. Doch egal in welcher Variation – als substanzielle Mahlzeit kann man sie wohl in jedem Fall bezeichnen.
Wie gut, dass Stadtführer Walter Appel eine etwas längere Tour durch die Stadt inklusive kleiner Kletterpartie geplant hat. Schließlich hat Landau einiges an Historie zu bieten, erhielt im 13. Jahrhundert die Stadtrechte von Rudolph von Habsburg. Wurde zur ansehnlichen Reichstadt, wechselte im Dreißigjährigen Krieg siebenmal den Besitzer. 1680 begann die französische Besetzung und Baumeister Vauban ließ Landau zu einer Festungsstadt an der Nordostflanke Frankreichs ausbauen. Wie ein Stern sieht die Stadt aus der Vogelperspektive auf alten Stichen aus dem 18. Jahrhundert aus. Heute sind noch einige Teile der alten Festungsanlagen erhalten. Ein Verein bemüht sich, möglichst viel davon öffentlich zugänglich zu machen. Stadtführer Appelt lotst seine Gäste weg vom Rathausplatz mit der markanten Silhouette des Alten Kaufhauses, die ältesten Gebäudeteile stammen aus dem 15. Jahrhundert. Früher seien im Erdgeschoss die Waagen für den Markt untergebracht gewesen, erzählt Appelt, hier wurde geprüft, ob die Woll- oder Gemüsehändler bei den angegebenen Gewichten nicht geschummelt hätten. Eine Besonderheit: eine kleine Safranwaage habe es auch gegeben, denn einst wurde das Edelgewürz hier in der Region angebaut.
Landau wechselte im Dreißigjährigen Krieg mehrfach den Besitzer
Nur einige Schritte weiter – und man steht vor dem Frank-Loebschen Haus, einem dreigeschossigen Fachwerk-Schmuckstück. Rund umlaufende Holzgalerien fassen den Innenhof auf zwei Etagen ein. Eng ist dieses stattliche Gebäude mit der jüdischen Geschichte Landaus verbunden, denn 1870 hatte der Urgroßvater Anne Franks das Gebäude als Wohnhaus erworben. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde das Gebäude den in Landau ansässigen jüdischen Familien als Wohnort zugewiesen, 1940 wurden die hier lebenden Juden deportiert. Sowohl an ihr Schicksal aber auch an die jüdische Geschichte Landaus erinnert heute eine Dauerausstellung im Frank-Loebschen Haus, das sich zudem als Kulturzentrum einen Namen gemacht hat. Es ist auch Kulisse für die im Frühsommer stattfindenden Weintage der Südlichen Weinstraße.
Walter Appelt will zum Abschluss seiner Tour noch einmal hoch hinauf – auf den Turm der Stiftskirche, einem der Wahrzeichen Landaus. Eine enge Wendeltreppe geht es im 55 Meter hohen Turm empor, zunächst bis zur kleinen Türmerwohnung, die hier unter dem Dach im 18. Jahrhundert eingerichtet wurde. Und dann noch ein Treppchen höher – direkt unter die Turmspitze. Eine überwältigende Aussicht bietet sich hier: bei schönem Wetter bis nach Karlsruhe und auf der anderen Seite hin zum Pfälzer Wald und zum Trifels. Ein lohnendes Ziel für den nächsten Besuch.
Infos: www.suedlicheweinstrasse.de