Als Empfangsgebäude für die fünf wuchtigen Bauten auf der Berliner Museumsinsel ist die James-Simon-Galerie von Stararchitekt David Chipperfield konzipiert worden – mit breitem Aufgang und umlaufender Kolonnade aus fast filigranen Betonstützen.
Mit öffentlichen Neubauten hat Berlin nicht unbedingt eine glückliche Hand. Beim Hauptbahnhof ist das Dach zu kurz. Im Kanzleramt regnet es rein. Der neue Flughafen will einfach nicht fertig werden. Die Staatsoper Unter den Linden hat mit 440 Millionen Euro fast doppelt so viel gekostet wie geplant. Gerade verschoben worden auf das nächste Jahr ist die Eröffnung des Humboldt-Forums an der Stelle des ehemaligen Stadtschlosses.
Das 600 Millionen Euro teure Prestigeprojekt der Hauptstadt steht zwar schon wieder in seiner auf drei Seiten historischen Fassade. Doch das Innenleben macht Kummer. So fehlt noch die Klimaanlage. Ohne die weigern sich andere Museen jedoch, Werke als Leihgaben zur Verfügung zu stellen. Als Grund für die Verzögerung gelten unter anderen die Änderungen, die Gründungsintendant Neil MacGregor durchgesetzt hat.
Aber auch aus anderen Gründen sorgt das Humboldt-Forum immer wieder für hitzige Diskussionen. Umstritten ist nach wie vor die künftige Nutzung. Sollen nur Ausstellungen stattfinden? Oder braucht die Mitte Berlins nicht etwas Größeres und Bedeutenderes wie zum Beispiel große internationale Konferenzen? Gefragt wird aber auch, ob es richtig war, an dieser Stelle, wo die DDR ihren Palast der Republik hingestellt hatte, noch weiter in die Vergangenheit zurückzugehen und die historische Fassade des früheren Stadtschlosses wieder auferstehen zu lassen und damit eine Reminiszenz an Preußen zu schaffen. Für den Berliner „Tagesspiegel" ist der Fall klar. Für ihn ist das restaurierte Stadtschloss eine „langweilige Rekonstruktion, mutlos und platt historisierend." Die James-Simon-Galerie empfindet er jedoch als Bereicherung für die Stadt: „Sie steht für etwas. Sie steht für sich."
Auch dieser Neubau hätte schon vor fünf Jahren eröffnet werden sollen. Vor dreieinhalb Wochen wurde der neue Eingangsbereich für die Berliner Museumsinsel von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeweiht. Jetzt ist die „teuerste Garderobe der Welt", so die Berliner Schnauze, offen für alle – und das jeden Tag. Und nach 180 Jahren erfährt das Ensemble der Museumsinsel – seit 1999 Unesco-Welterbe – seine bauliche Vollendung.
Galerie kostet mit 134 Millionen doppelt so viel wie geplant
Das Gebäude ist freilich mit 134 Millionen Euro doppelt so teuer geworden wie ursprünglich geplant. Das ist wenig im Vergleich zur Hamburger Elbphilharmonie, deren Kosten sich auf 800 Millionen verzehnfacht hatten. Dafür erhalten die Berliner und die zweieinhalb Millionen Besucher im Jahr einen neuen, großzügig gestalteten und größtenteils frei zugänglichen Eingangsbereich mit großer Freitreppe und einer Sonnenterrasse entlang der gesamten Wasserseite. Damit werde der Neubau zur „Brücke zur Stadt", erklärt Architekt David Chipperfield.
Mit den schlanken Säulen führt der britische Stararchitekt den Kolonnadenring fort, den Friedrich August Stüler für den Bau des Neuen Museums ersann. Untergebracht sind hier nicht nur eine Garderobe, sondern auch ein Buch-Shop, ein Auditorium mit 300 Plätzen, ein Café und ein Restaurant. Angepasst an die Biegung des Flusses befindet sich im Untergeschoss ein Raum für Sonderausstellungen. Den Anfang macht eine Präsentation über den Namensgeber.
Der jüdische Kaufmann James Simon (1851-1932) war laut Hermann Parzinger der bedeutendste Mäzen der Berliner Kulturlandschaft. „Lange, zu lange Zeit hat in Berlin weder ein Platz noch eine Straße noch eine andere Art von Denkmal an James Simon erinnert", begründet der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Namensgebung. Das belege, „wie weitreichend selbst die Erinnerung an jüdische Mäzene durch das verheerende Wirken des Nationalsozialismus aus dem öffentlichen Bewusstsein in Deutschland verschwunden ist."
Der Name James Simon steht daher gleichzeitig für alle jüdischen Mäzene. In der NS-Zeit waren ihre Namen von allen Objektschildern getilgt worden. Dort stand dann nur noch „Geschenk". 1939 wurden die von Simon gestifteten Werke aus ihrem angestammten Kabinett entfernt. Nach 1945 war sein Name über Jahrzehnte vergessen. Erst 2011 wurde im Bode-Museum ein Raum eröffnet, der an sein Mäzenatentum erinnert.
Simon hat den Berliner Museen insgesamt 10.000 Exponate vermacht. Darunter befinden sich zahlreiche Meisterwerke der italienischen Renaissance wie Andrea Mantegnas „Madonna mit dem schlafenden Kind". Dazu hatte Simon zahlreiche Grabungen in Ägypten finanziert, dabei wurde unter anderem die Nofretete-Büste gefunden, die er 1920 den Berliner Museen schenkte.
Zu den dauerhaften Exponaten der Neuen Galerie zählt auch ein alter Pfahl, der den Vorgängerbau, einen profanen Packhof zum Entladen von Schiffen, vor dem Absinken in den Berliner Untergrund bewahrt hatte. Für den Neubau wurden 1.500 neue Pfähle aus einem Stahlkern mit Betonummantelung gefertigt. Sie reichen bis zu 35 Meter tief in den märkischen Sand.