Aktivistinnen wollen das Tabu zum Thema machen, und Start-ups erschließen sich neue Geschäftsfelder. Bald muss sich der Bundestag mit der Sinnhaftigkeit der „Luxussteuer" auf Tampons und Co. befassen.
Über die Periode spricht man nicht. Diese ungeschriebene Regel hat Jahrtausende lang gegolten. Sämtliche Codenamen haben sich Frauen für diese Zeit im Monat einfallen lassen, nur um nicht erklären zu müssen, dass sie gerade ihre Periode haben. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Warum sich länger für etwas völlig Normales schämen? Das zumindest fordern Aktivistinnen.
Ein Facebook-Post der kanadischen Schriftstellerin Rupi Knaur hat bereits vor einigen Jahren für Aufruhr gesorgt. Auf einem Foto ist eine bekleidete Frau zu sehen, die mit dem Rücken zum Betrachter auf dem Bett liegt. Auf ihrer Hose und auf dem Bettlaken ist jeweils ein kleiner Blutfleck zu sehen. Zunächst hatte Knaur das Bild zweimal bei Instagram gepostet, dort wurde es zweimal gelöscht. Die Schriftstellerin setzte sich zur Wehr. „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich nicht das Ego und den Stolz einer misogynen Gesellschaft füttere, die meinen Körper in Unterwäsche, aber nicht mit einem kleinen Leck okay findet", schrieb sie an Instagram. Viele Userinnen haben daraufhin eigene Menstruationsfotos gepostet. Tausende Male wurde der Post geteilt und mehrere Millionen Male geklickt. Die BBC, der „Independent" und der „Telegraph" griffen Knaurs Post in ihrer Berichterstattung auf.
Immer mehr Frauen, insbesondere aus den jüngeren Generationen, sehen es nicht mehr ein, ihre Periode zu tabuisieren und versuchen den Umgang damit zu entkrampfen. Dass sich Letzterer so schwierig gestaltet, geht auf eine jahrtausendalte Betrachtungsweise zurück. In antiken medizinischen Texten etwa finden sich Formulierungen wie „Die Gebärmutter ist an allen Krankheiten Schuld. Sie ist die Ursache tausendfachen Übels." Auch der Arzt Paracelsus erklärte noch, es gäbe kein Gift das schädlicher sei als das Menstruum. Bis ins 20. Jahrhundert hinein hielt man Menstruationsblut tatsächlich für giftig, weil der Wiener Arzt Béla Schick 1920 im Schweiß menstruierender Frauen ein vermeintliches Gift ausgemacht hatte, das er als Menotoxin bezeichnete. Bis in die 70er-Jahre wurde die Existenz dieses Giftes in medizinischen Fachzeitschriften diskutiert. Symptome der Periode sollten Frauen weglächeln, überspielen und unterdrücken. In den 60er-Jahren ermahnte etwa ein Beipackzettel einer Tamponpackung dazu, Frauen sollten sich während ihrer Menstruation nicht zurückziehen, als ob sie krank seien, da sie dadurch die Gutmütigkeit ihres Mannes ausnutzten. Der hätte ja schließlich eine Vollzeitgattin und keine Teilzeitfrau geheiratet.
Auch heute noch wird häufig von Frauen erwartet, vollen Einsatz und gleichbleibende Leistung auch während ihrer Periode zu bringen. So hat 2016 beispielsweise die chinesische Schwimmerin Fu Yuanhui bei den Olympischen Spielen in Rio Aufmerksamkeit erregt, weil sie vor laufenden Fernsehkameras verriet, in der Nacht zuvor ihre Periode bekommen zu haben. Zuvor hatte Fu mit ihren drei Teamkolleginnen knapp die Medaillen bei der 4x100-Meter-Staffel verpasst. Als sie als Letzte der vier beim Fernsehinterview an die Reihe kam, kauerte die Schwimmerin erst auf dem Boden, stand dann auf und entschuldigte sich bei ihren Teamkolleginnen dafür, dass sie unter den Schmerzen nicht ihre übliche Leistung abrufen konnte. Fu sei die erste Athletin in Rio, die eingestehe, ihre Periode zu haben, feierten Nutzer anschließend bei Weibo, einem der wichtigsten sozialen Netzwerke in China. Auch andere Sportlerinnen hatten in der Vergangenheit kritisiert, die Menstruation sei eines der letzten Tabus im Sport.
DamenÂhygieneartikel werden immer noch mit 19 Prozent besteuert
Diesem stillen Leiden rund um das vermeintliche Tabu-Thema Periode stellen sich nun auch zunehmend Künstlerinnen entgegen. Die Komikerin Carolin Kebekus beispielsweise besingt in einem Musikvideo die Menstruation. In einem knallroten Lederanzug schaukelt sie auf einem übergroßen Tampon und singt im Rammsteinstil den Zuschauern entgegen: „Wir verstecken uns nicht mehr! Wir bluten! Seht her! Menstruatiooon." Und auch ins Kino hat es das Thema mittlerweile geschafft. Ende Februar war bei der Oscar-Verleihung der Dokumentar-Kurzfilm Stigma Monatsblutung (Period. End of Sentence) zu sehen. Er zeigt indische Frauen, die im Hintergrund eine sexuelle Revolution einleiten. Eine Frauengruppe aus dem nordindischen Hapur wird dabei begleitet, wie sie die Bedienung einer Maschine erlernen, die kostengünstige, biologisch abbaubare Damenbinden herstellt, um diese günstig an andere Frauen verkaufen zu können. Ein anonym gebliebenes Jurymitglied der Preisverleihung soll damals dem Magazin „Hollywood Reporter" gesagt haben, der Film sei zwar gut gemacht, habe aber keine Chance. Kein Mann würde dafür stimmen, weil es einfach eklig sei. Er sollte sich irren, und der Kurzfilm über Menstruation gewann den Oscar.
Von diesem neuen Umgang mit der Periode geht eine Selbstermächtigung für Frauen aus – aber nicht nur das. Das Thema wird plötzlich so öffentlichkeitswirksam gespielt, dass Start-ups neue Geschäftsfelder entdecken. „Wir Frauen wollen in keinerlei Hinsicht mehr benachteiligt sein – auch nicht bei der TamponÂsteuer", sagt die Gründerin des Stuttgarter Start-ups Female Company Ann-Sophie Claus. Zusammen mit ihrer Mitgründerin hat sie das „Tampon Book" auf den Markt gebracht. In einer weißen Schachtel mit Buch-Layout verbergen sich 15 Bio-Tampons. Der Untertitel aber weist schon darauf hin, dass es um mehr geht: „Das Buch gegen Steuerdiskriminierung". Während in Deutschland bislang auf Artikel des täglichen Bedarfs wie Bücher – aber auch auf Trüffel und Kaviar – sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden, werden Damenhygieneprodukte mit dem Luxussteuersatz von 19 Prozent besteuert.
Mit diesem Problem wird sich nun der Bundestag befassen müssen, denn neben dem Stuttgarter Start-up haben auch andere Druck gemacht. Das Berliner Start-up Einhorn, das sowohl Kondome als auch Periodenprodukte vermarktet, hat gemeinsam mit anderen eine Petition initiiert. Verschiedene Stars wie etwa die Autorin Charlotte Roche oder Sängerin Lena Meyer-Landrut haben ebenso wie das Online-Magazin „Neon.de" zum Unterschreiben selbiger aufgerufen. Kürzlich hat die Petition mehr als 50.000 Unterzeichnungen bekommen. Damit wird das Thema im nächsten Petitionsausschuss des Bundestages diskutiert – und die Initiatorinnen müssen persönlich angehört werden. Zur Begründung heißt es: Die bisherige Regelung diskriminiere systematisch alle „Menstruierenden, meistens sind es Frauen, aller gesellschaftlichen Schichten und finanzieller Hintergründe". Die Periode sei unausweichlich. Frauen menstruierten etwa 40 Jahre ihres Lebens einmal im Monat für etwa drei bis fünf Tage – ob sie wollen oder nicht. Der Bundestag kann anschließend eine Empfehlung an die Bundesregierung geben, die sich dann dem Anliegen annehmen muss. Seitens des Finanzministeriums heißt es, dass eine ermäßigte Besteuerung von Frauenhygieneprodukten „nach EU-Vorgaben zulässig, aber nicht zwingend" sei.