Per App morgens mit der U-Bahn zur Arbeit und abends mit Carsharing nach Hause fahren? Dabei hilft Moovster. Obendrauf erhalten Nutzer, die besonders klimaschonend unterwegs sind, eine besondere Belohnung. Ein Interview mit Gründer Mario Lochmüller.
Mario Lochmüllers Vision sind Städte mit weniger Autos, insgesamt weniger Verkehr und selteneren Staus, besserer Luft- und dafür mehr Lebensqualität. Annegret Handel-Kempf traf den Gründer und CEO von Moovster, einem Spin-off von BMW, in der IBM-Garage, hoch über den Dächern von München, wo er mit seinem Start-up-Team und der Künstlichen Intelligenz „Watson" ein digitales „Mobility-as-a-Service"-Angebot für nachhaltiges Mobilitätsverhalten kreiert und als bequeme Smartphone-App marktreif macht. Der begeisterte Tüftler und Wandler hatte schon in seinen Schuljahren versucht, seinen Computer zu beschleunigen. Tempo machen ließ den gebürtigen Bayreuther nie los. Der Experte für Digitalisierung und Smart Mobility Services arbeitete 15 Jahre in verschiedenen Führungspositionen beim Autobauer BMW.
Zuletzt war der 40-Jährige für Digital Business Model Innovations verantwortlich. Während seiner Zeit als Head of Technology Foresight bekam der Doktor der Ingenieurwissenschaften reichlich Einblicke in neue technologiegetriebene Trends auf der ganzen Welt, deren Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie und wie man aus diesen Erkenntnissen neue Geschäftsfelder erschließt.
Seine Strategie: Nutzer sollen von einem Mehrfach-Belohnungssystem, Arbeitgeber von ungestresst ankommenden und zufriedenen Mitarbeitern, sowie Städte, Menschen und Umwelt von Entlastung, Feinstaub- und CO2-Reduzierung profitieren.
Herr Lochmüller, wie kann flexible Mobilität ähnlich komfortabel werden wie ein Premium-Auto?
Im Stau stehen, macht, glaube ich, auch in einem Premium-Auto nicht wirklich Spaß. Wenngleich es vielleicht ein wenig bequemer ist, darin zu sitzen, als beispielsweise mit einer gut gefüllten U-Bahn zu fahren. Staus sind ja heute unser Hauptproblem in den Städten. Wie waren Komfort und Premium für die Gesellschaft bislang definiert? Ich denke sehr stark durch Besitz. Aber ist es nicht auch Flexibilität, die eine Form von Komfort darstellt? Ich glaube, dass wir uns bereits heute mitten in einer kompletten Neudefinition von Komfort und Premium im Bereich Mobilität befinden, auch gesellschaftlich. Mit Moovster wollen wir genau dieses Umdenken aktiv mitgestalten. Unser Service unterstützt den Wandel, indem wir flexibles und nachhaltiges Mobilitätsverhalten im urbanen Raum zum Beispiel mit attraktiven Benefits, etwa Wellness- und Fitness-Geschenken, belohnen.
Darüber hinaus geben wir Arbeitgebern mit Moovster eine einfache Möglichkeit, ihren Mitarbeitern Mobilität als Benefit zu geben, weil wir die Verwaltung dafür übernehmen. Das heißt, ich bekomme als Arbeitnehmer ein Mobilitätsbudget, das ich flexibel so nutzen kann, wie ich es selbst möchte. Mit anderen Worten: Mein Arbeitgeber zahlt meine Mobilität, was ja eine echt tolle Sache ist. Mit Moovster machen wir also mehr aus Deiner individuellen Mobilität. Das wird am Ende noch viel mehr Spaß machen als klassische Mobilität und ein völlig neues Erlebnis definieren.
Wie kamen Sie dazu, eine digitale Lösung für nachhaltige, urbane Mobilität zu entwickeln?
Eine auf das eigene Auto zentrierte Mobilität kann und wird insbesondere in Städten nicht mehr die Lösung der Zukunft sein. Der Städtebau rückte das Auto jahrzehntelang in den Fokus und man stellt immer öfter fest, dass auch die besten Infrastrukturmaßnahmen nicht mehr ausreichen, Herr der Lage zu werden. Das Gute ist aber, dass wir durch neue Technologien und Shared Mobility Services (das sind Dienstleistungen, mit deren Hilfe individuelle Fortbewegungsmittel wie Fahrräder, Autos und Roller geteilt, beziehungsweise nur zeit- und zweckgebunden genutzt werden, Anm. d. Red.) immer mehr echte Alternativen zum eigenen Auto haben.
Welches Verkehrsmittel bevorzugen Sie persönlich?
Ich habe vor neun Jahren mein Auto abgeschafft und nutze seitdem Mobilität sehr situationsbezogen und flexibel. Tatsächlich habe ich kein favorisiertes Verkehrsmittel. Frühmorgens ins Büro nehme ich zumeist die U-Bahn, da die Strecke für das Fahrrad ein wenig zu weit wäre. Und wenn ich früh genug dran bin, bekomme ich auch noch einen Sitzplatz und kann die Zeit dann bereits ideal zum Arbeiten am Laptop nutzen oder auch einfach mal was lesen. Tagsüber sind für mich das Fahrrad-Sharing oder jetzt die neuen E-Scooter unschlagbar, um zum Beispiel schnell zu einem Meeting in der Nähe zu kommen. Da ist mir das Auto einfach zu aufwendig. Abends kommt es ganz darauf an, was auf dem Plan steht. Wenn es später wird im Office, dann ist es auch schon mal Carsharing, da dann die Straßen frei sind, und es um diese Zeit einfach am schnellsten geht. Wenn ich mich noch mit Freunden in der Stadt treffe, nutze ich eines der Bikesharing-Angebote, da ein wenig Bewegung nach einem Tag Büro guttut, und es in der Rushhour auch am schnellsten mit dem Fahrrad durch die Stadt geht.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit, wie sieht für Sie ein gelungener Feierabend aus?
Ich bin sehr gerne in der Natur, insbesondere in den Bergen. Im Sommer beim Wandern, im Winter gehe ich mit Freunden auf Skitour. Wenn ich es mal ans Meer schaffe, dann gerne dorthin, wo es auch Wellen gibt, denn mich hat der Virus Wellenreiten infiziert. Nur leider komme ich viel zu wenig dazu. Beides, Berge und Meer, geben mir Balance und Energie und zeigen jedem, der die dahinterstehenden Naturgewalten bewusst wahrnimmt, wie klein wir doch sind. Mir hilft das wunderbar zur Einordnung von größeren Zusammenhängen. Ein gelungener Feierabend beginnt früh – leider auch zu selten – mit einem kleinen Lauf an der Isar. Er endet mit selbst und frisch gekochtem Abendessen und einem Glas Rotwein, gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin.
Könnten Sie sich vorstellen, intelligente Empfehlungen auf der Moovster-App zu integrieren, die beispielsweise Tipps geben, welcher Weg zu meinem Ziel aktuell die sauberste Luft bietet?
Zunächst stehen natürlich noch unsere aktuellen Bausteine, das Bonusprogramm für Mobilität und das flexible Mobilitätsbudget, im Fokus. Aber intelligente Empfehlungen sind für uns ein sehr wichtiger Aspekt, Mobilität einfacher, flexibler und nachhaltiger zu gestalten. Hier haben wir schon ganz viele Ideen, angefangen von smarten Empfehlungen, zum Beispiel Unterstützung bei der Wahl der schnellsten, kostengünstigsten Mobilitätsoption, bis hin zur automatischen Reservierung oder Buchung des nächsten Mobilitätsservices, individuell abgestimmt auf mein persönliches Bedürfnis oder meinen Tagesablauf.
Wie ist es, wenn man in der hoch gelegenen IBM-Garage arbeitet?
Wir sind super glücklich, dass wir die Möglichkeit haben, mit Moovster die IBM-Garage zu nutzen. Hier bekommt man Top-Experten in den Bereichen Technologie und UX/UI (Bedienbarkeit und Anwendererlebnis; Anm. d. Red.), kann unkompliziert seine bisherigen Partner mitbringen und so schnell und effizient sein Konzept skalierbar umzusetzen. Der Zugriff auf die neuesten Technologien wie Cloud Computing oder Künstliche Intelligenz und das Arbeiten in einem super agilen und nutzerzentrierten, hochmotivierten Team sind hier sicherlich als Highlights zu betrachten. Daneben sind natürlich die rasanten Aufzüge und das Arbeiten hoch über den Dächern Münchens i-Tüpfelchen für das ganze Team.
Wann werden Sie die IBM-Garage wieder verlassen?
Aus dem IBM-Garagen-Modell ist für Moovster bereits eine strategische und partnerschaftliche Kooperation mit IBM geworden. Demnach bin ich mir gerade gar nicht sicher, ob wir noch davon sprechen können, in der Garage zu sein, beziehungsweise zu planen, wann wir diese verlassen werden. Jetzt geht es darum, den Service schnell im Markt zu platzieren, gemeinsam mit unseren Nutzern weiter zu verbessern und damit einen Beitrag zur Lösung des urbanen Mobilitätsproblems zu leisten.
Bekommen Sie Fördermittel für Ihr nachhaltiges Mobilitäts-Start-up?
Wir haben gerade die nächste Finanzierungsrunde abgeschlossen und arbeiten jetzt daran, auch Fördermittel zu beantragen. Es gibt Töpfe, die solche Themen unterstützen. Das Ganze ist aber leider immer sehr kompliziert.
Würden Sie Moovster wieder hergeben – an wen auch immer?
Natürlich sind mir Moovster und die damit verbundene Vision „Städte ohne Stau und damit weniger CO₂, bessere Luft und mehr Lebensqualität" ans Herz gewachsen. Allerdings sind wir sehr offen für alle notwendigen Schritte, die zur Umsetzung unserer Mission, Mobilität künftig einfacher, flexibler, belohnbar, nachhaltiger und günstiger zu machen, sinnvoll erscheinen. Im Übrigen glaube ich, dass wir das Mobilitätsproblem in Städten nur gemeinsam lösen können. Gemeinsam heißt dabei, mit den Stadtbewohnern, Städten, Unternehmen und starken Partnern. Jeder soll und muss mitmachen können.