Mehr als 160.000 Menschen mit iranischen Wurzeln leben in Deutschland, und der Migrationsdruck nimmt zu. Doch überhaupt bis hierher zu kommen, ist nicht so einfach – wie die Geschichte von Masi S. zeigt.
Masi, beim Vorgespräch zu diesem Interview saßen Sie noch im Sommerkleid hier, heute verschleiert und mit Sonnenbrille. Was ist passiert?
Es ist ganz einfach. Ich möchte nicht erkannt werden. Für mich als Frau ist es sehr gefährlich, wenn ich die Wahrheit und auch meine Meinung frei äußere. Ich weiß nicht, wie weit der Arm des iranischen Geheimdienstes reicht. Auch hier in Deutschland habe ich wahnsinnige Angst vor den Mullahs. Aber ich genieße es, mich in Deutschland so zu kleiden, wie ich es mir wünsche. Das war im Iran ganz anders.
Sie sind aber doch jetzt schon ein halbes Jahr in Deutschland. Sind Sie immer noch nicht angekommen, oder haben Sie wirklich Angst?
Ich habe Angst, dass die Iraner mich hier erreichen. Und dass ich Repressalien durch das islamische Regime zu befürchten habe. Als ich in Georgien war, sollte ich einmal Kontakt mit der iranischen Botschaft aufnehmen. Das habe ich sicherheitshalber telefonisch gemacht. Der Mitarbeiter der Botschaft der islamischen Republik Iran hat mir deutlich zu verstehen geben, dass ich, nach iranischem Recht, mich illegal mit einem deutschen und nicht muslimischen Mann verheiratet habe und auch keine Erlaubnis meines Vaters als schriftliche Erklärung und amtliches Dokument besitze. Außerdem muss mein Mann zum Islam konvertieren.
Warum hat Ihre Flucht aus dem Iran nach Deutschland fast ein Jahr gedauert?
Eigentlich bin ich nicht geflüchtet, denn ich bin legal mit einem nationalen Visum nach Deutschland eingereist. Davon haben die offiziellen Stellen im Iran Wind bekommen. Es kamen immer wieder Drohungen von unserer Polizei. Und dass nur, weil ich einen deutschen Mann geheiratet habe. Das kann für ein iranisches Mädchen schwere Strafen nach sich ziehen. Allerdings gab es für mich keine Möglichkeit, auf legalem Weg zu heiraten. Wir mussten auf internationaler Ebene unsere Ehe legalisieren und durch eine Art Härtefallregelung, über die deutsche Botschaft in Georgien, meine Familienzusammenführung beantragen.
Warum wollten Sie nicht weiter im Iran leben?
Ich habe mich mit meinen 28 Jahren sehr gut gebildet. Ich habe einen Bachelor und einen Master als Chemieingenieurin an international anerkannten Universitäten im Iran absolviert. Im Iran kenne ich viele sehr fleißige und gebildete Frauen. Sie sind Ärztinnen oder Ingenieurinnen, zum Teil über 40 Jahre alt. Die Familien – insbesondere die Väter, die Brüder und der Ehemann – haben zu 100 Prozent Macht über sie. Ich wollte immer meinen Mann frei wählen können. Dazu brauche ich aber die Erlaubnis meines Erzeugers, selbst wenn ich 40 Jahre und älter bin. Als mein Umfeld herausbekam, dass ich eine Beziehung mit einem deutschen Mann unterhalte, ging mein Martyrium richtig los. Ich erhielt psychischen und physischen Druck durch Drohungen und Schläge und täglich viel Ärger mit Iranern. Es ist für mich inakzeptabel, dass ich jahrelang studiert und hart gearbeitet habe und die Iraner mich wie eine Kriminelle behandeln. Iranische Männer können leicht ihre Ehefrau wählen und sogar eine zweite oder dritte, solange das Geld stimmt. Männer können auch auf Zeit eine Frau „leihen oder leasen". Voraussetzung dafür sind Geld und der Kontakt zum Imam.
Die USA haben erneut die Sanktionen gegen die islamische Republik Iran verschärft. Was bedeutet das für die Menschen dort?
Ich bin jetzt seit einem Jahr aus dem Iran weg. Ich habe die ersten Sanktionen erlebt, und es trifft nur die einfache Bevölkerung. Mittlerweile haben die nächsten Sanktionsstufen gezündet, und die Lage wird immer schwieriger für die zivile Bevölkerung. Zum Beispiel Medikamente: Es gibt keine zu kaufen. Die Arzneien, die im Iran zur Verfügung stehen, sind oft sehr schlecht für die Gesundheit und wirken meist nicht. Außerdem bedeuten Sanktionen eine kulturelle Isolation. Die Wirkung auf die Menschen ist kontraproduktiv, denn durch den Druck werden Menschenrechte und Menschenwürde noch schlimmer verletzt als zuvor.
Was würde ein Krieg der USA gegen den Iran vor allem für die Menschen, also auch für ihre Familie, dort bedeuten?
Ich denke, es wird ein furchtbarer Krieg zwischen den Weltmächten und dem Iran. Auch wenn es um kleine Gebiete geht, wie um den Persischen Golf. Ich bin mir sicher: Mit einem Krieg kann man dem Iran keine Demokratie überstülpen. Die kulturellen Probleme werden bleiben, die Männer werden keine Gleichbehandlung von Frauen zulassen. Auch wird kaum jemand so etwas wie Menschenrechte akzeptieren. Ich habe das deutsche Grundgesetz gelesen, dort stehen Frauen- und Menschenrechte geschrieben. Solange im Iran die Menschen nicht einmal die Frauenrechte achten, kann dieses Land auch nicht in die internationale Gemeinschaft eintreten.