Der badische Ingenieur Carl Friedrich Benz präsentierte 1886 das erste Auto der Welt. Anders als die Benz’schen Motoren war der dreirädrige „Patent-Motorwagen Nummer 1" aber zunächst ein Ladenhüter. 2019 jährt sich der 175. Geburtstag des Mannes, der in die Annalen einging.
Böse Zungen könnten den Verzicht auf den Namen des Automobil-Urvaters bei der Firmierung des Stuttgarter Weltkonzerns Daimler AG als Beleg für die ewige Rivalität zwischen Baden und Württemberg interpretieren. Und selbst bei der eingetragenen Handelsmarke dieser AG, Mercedes-Benz, wurde nicht etwa auf ein Modell Bezug genommen, das von dem einst in Mannheim ansässigen Carl Friedrich Benz entworfen wurde, sondern von der Firma seines langjährigen größten nationalen Konkurrenten Gottlieb Daimler in Stuttgart-Cannstatt. Diese für den schwäbischen Karossenbauer enervierende Namens-Problematik kann theoretisch im Fünf-Jahres-Rhythmus immer wieder auftauchen, weil die beiden Automobil-Pioniere immer im selben Jahr mit Jubiläen gefeiert werden. 2019 jährt sich daher sowohl der 185. Geburtstag von Daimler, als auch der 175. Geburtstag von Carl Friedrich Benz.
Zwar haben sich die Gemüter im Ländle seit der 2007 eingeführten und seinerzeit heftig umstrittenen Firmierung als Daimler AG inzwischen wieder deutlich beruhigt. Dennoch wird Carl Friedrich Benz in der offiziellen Daimler-Unternehmensgeschichte nicht klar und eindeutig der ihm eigentlich zustehende Ehrenrang als Erfinder des Automobils eingeräumt. Vielmehr steht auf der Daimler-Media-Seite steht zu lesen, dass um das Jahr 1866 „Carl Benz und Gottlieb Daimler unabhängig voneinander das Automobil" erfunden hätten. Was nicht ganz falsch ist, aber das erste weltweite Patent für einen praxistauglichen Kraftwagen wurde nun einmal Carl Friedrich Benz für ein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb", besser bekannt als „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1", am 2. November 1886 erteilt. Und im Unterschied zu Daimler, der ursprünglich nur eine herkömmliche Kutsche mit einem Motor ausrüsten wollte, hatte Benz sich der wesentlich ambitionierteren Aufgabe gestellt, ein gänzlich neues Gefährt inklusive möglichst innovativer Karosserie zu entwickeln.
Benz war begeisterter Radfahrer, sein Vater Lokomotivführer
Blickt man auf seine Vita zurück oder stöbert in den 1925 unter dem Titel „Lebensfahrt eines deutschen Erfinders" veröffentlichen Memoiren des Ingenieurs Benz, ist es natürlich leicht, seine Invention als fast schon zwangsläufige Folge seines seit seiner Jugend manifestierten Interesses an neuen Formen der Mobilität erscheinen zu lassen. Schließlich war Benz ein begeisterter Radfahrer, und als Sohn eines Lokomotivführers mag er sich durchaus schon früh Gedanken über mögliche Äquivalente der damals fortschrittlichen Bahn für die Straße gemacht haben. Es musste aus seiner Sicht einfach ein Vehikel gefunden werden, dass die damals omnipräsente Pferdekutsche ablösen konnte. „Dabei gab mir meine Lieblingsidee", so Benz, „die Lokomotive auf die Straße zu stellen, die innere Spannkraft. Sie sollte nicht mehr gebunden sein an die eiserne Linie der Schienen".
Karl Friedrich Michael Vaillant wurde am 25. November 1844 in Mühlberg als unehelicher Sohn von Josephine Vaillant und des Eisenbahners Johann Georg Benz geboren. Die Eltern heirateten ein Jahr später, der Vater starb jedoch im Sommer 1846. Für den Lebensunterhalt und die Ausbildung des Sohnes musste die Mutter die Witwenrente durch die Führung einer Privatpension aufbessern. Nach Abschluss des naturwissenschaftlich ausgerichteten Karlsruher Gymnasiums „Lyzeum" nahm der 15-Jährige 1860 das Maschinenbaustudium am Polytechnikum Karlsruhe auf. Und begann danach ab 1864 seine Berufslaufbahn zunächst als Schlosser in einer Karlsruher Maschinenfabrik, um 1866 als Zeichner und Konstrukteur zur Mannheimer Waagenfabrik Schweizer und 1868 als Konstrukteur zum auf Brückenbau spezialisierten Pforzheimer Unternehmen Benckiser zu wechseln.
1871 gründete er sein erstes Unternehmen in Mannheim, das ein Jahr später in „Karl Benz Mannheim, Eisengießerei und mechanische Werkstätte" umfirmiert wurde. 1872 heiratete er die aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Bertha Ringer, die seinem Unternehmen in schwierigen Phasen finanziell unter die Arme griff und mit der er fünf Kinder bekam. In den 1870er-Jahren war Benz vor allem mit der Entwicklung eines Verbrennungsmotors beschäftigt, der Legende nach war der Zweitakter in der Silvesternacht 1879 endlich funktionsbereit. Die Produktion und die Nachfrage nach den Benz’schen Gasmotoren stieg zwar stetig an. Doch bedurfte es viel Überzeugungsarbeit, um den Anteilseignern an der 1882 von Benz gegründeten „Gasmotorenfabrik in Mannheim A. G." und des Nachfolgers, der 1883 in Mannheim etablierten „Benz & Cie. Rheinische Gasmotorenfabrik", die Vision für die Verwendung des Motors zum Antrieb eines dadurch selbstfahrenden Fortbewegungsmittels zu vermitteln.
In den 1890ern folgten weitere Automodelle
Carl Benz, der seinen Vornamen im Zuge der modischen Französisierungstendenzen ab etwa 1882 nur noch mit C schrieb, präsentierte mit seinem dreirädrigen „Patent-Motorwagen Nummer 1", der einem Fahrrad ähnlich sah, 1886 das erste Automobil der Welt. Doch blieb doch die Produktion von Stationärmotoren bis Anfang der 1890er-Jahre das Kerngeschäft seines Unternehmens, das als zweitgrößte Motorenfabrik Deutschlands 1893 seinen 1.000. Motor fertigte. Niemand wollte den schwer lenkbaren und tanklosen Motorwagen kaufen, und das, obwohl dieser auf Industriemessen mit Preisen ausgezeichnet wurde und seine Fahrtauglichkeit durch die von Bertha Benz gemeinsam mit ihren beiden Söhnen im August 1888 unternommene erste Fernfahrt der Geschichte von Mannheim nach Pforzheim nachgewiesen hatte.
Doch ab Mitte der 1890er-Jahre wurde die Autoproduktion bei „Benz & Cie" immer wichtiger. Dicht zuletzt dank einer 1893 patentierten neuen Steuerung und dem Beginn der Herstellung mehrzylindriger Motoren ab 1896, darunter mit dem sogenannten Contra-Motor, dem Prototypen des späteren Boxer-Motors. Der erste mit der sogenannten Achselschenkelsteuerung und nun auch mit vier Rädern ausgestattete Wagen für zwei bis drei Personen wurde 1893 auf den Namen „Victoria" getauft. Es folgte noch im selben Jahr das viersitzige Modell „Vis-à-Vis". 1894 kam mit dem „Velociped", kurz auch „Velo" genannt, das weltweit erste Klein- und Serienautomobil auf den Markt, das nicht zuletzt dank seines günstigeren Preises und einer zusätzlichen Komfort-Ausführung bis zum Produktionsende 1901 rund 1.200 Mal verkauft werden konnte, wobei die Motorleistung von anfangs 1,5 auf 3,5 PS gesteigert wurde. Da der Anstieg der Produktion zu einem erhöhten Kapitalbedarf geführt hatte, musste Benz seine Firma 1899 in eine AG verwandeln, an der er selbst zu einem Drittel beteiligt war.
Um die Jahrtausendwende war die „Benz & Cie. AG" die größte Automobilfabrik der Welt, insgesamt hatte es Benz bis dahin auf rund 2.000 Fahrzeuge gebracht. Und doch war das Auto für die meisten Zeitgenossen noch ein absoluter Exot – im Deutschen Reich wurden im Jahr 1900 gerade mal 800 Exemplare von diversen Herstellern in aufwendiger Handarbeit zusammengeschraubt, deren Zahl zwischen 1901 und 1909 von zwölf auf 54 steigen sollte. In einer Ende 1899 von der „Berliner Illustrierten Zeitung" veröffentlichten Umfrage über die wichtigsten Erfindungen des 19. Jahrhunderts fand das Auto überhaupt noch keine Erwähnung. Doch ausgerechnet in der Phase, in der das Automobil langsam populärer wurde, lancierte die Daimler-Motoren-Gesellschaft 1900 das erste Mercedes-Modell, das mit seiner Leistungsstärke die Benz-Wagen weit übertraf. Bei den ersten prestigeträchtigen Autorennen verwies dieses die Konkurrenz auf die hinteren Plätze und brachte dadurch die Nachfrage nach Benz-Autos praktisch zum Erliegen.
Residierte zuletzt auf Schloss in Ladenburg
Die verheerende Geschäftslage und auseinandergehenden Meinungen über die künftige Modell-Politik veranlassten Benz 1903 zum Ausscheiden aus dem Vorstand der „Benz & Cie. AG", in die er jedoch ein Jahr später wieder als Aufsichtsrat zurückkehrte. Zwischenzeitlich hatte er sich in dem zwischen Mannheim und Heidelberg liegenden Städtchen Ladenburg niedergelassen, wo er 1906 eine neue Firma namens „Carl Benz Söhne" gründete, die 1912 in den Alleinbesitz der Söhne Eugen und Richard überging. Zwischen 1908 und 1924 wurden in Ladenburg vor allem Fahrgestelle für rund 350 Autos hergestellt. Aus der Ferne in seinem Ladenburger Schlösschen, das heute die Daimler und Benz Stiftung beherbergt, verfolgte Benz die von der Deutschen Bank eingefädelte und die dem zunehmend härteren Wettbewerb zwischen den internationalen Automobil-Marken geschuldete Fusion der Unternehmen „Benz & Cie" und der „Daimler-Motoren-Gesellschaft" zur „Daimler-Benz AG" im Juni 1926. Am 4. April 1929 starb Carl Benz mit 84 Jahren in seiner Residenz an den Folgen einer Bronchitis und fand auf dem Ladenburger Friedhof seine letzte Ruhestätte.