Ob eine E-Bike-Tankstelle oder mehr Fahrradständer für den Marktplatz: Monika Priesnitz lotst seit Februar saarländische Rathäuser und Landkreise durch den unübersichtlichen Förderdschungel. Sie weiß, wo das Geld für den dringend benötigten Ausbau von zweiradtauglicher Infrastruktur im Land beantragt wird.
Frau Priesnitz, Hand aufs Herz: Fahren Sie gerne Rad in ihrer Heimatgemeinde?
Ich besitze zwar ein Fahrrad, bin aber ehrlich gesagt in meinem Dorf bei Lebach fast ausschließlich zu Fuß unterwegs. Das ist aber eher einer persönlichen Vorliebe und meinem Vierbeiner geschuldet, weniger dem Umstand, dass man sich dort nicht gut und sicher mit dem Fahrrad fortbewegen könnte.
Das Saarland gilt als Autoland – wie werden wir denn nun ein Fahrradland?
Schaut man sich die bundesweite Statistik an, stellt man unweigerlich fest, dass das Auto noch das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel im Saarland ist. Wir haben die höchste Autodichte pro Einwohner in ganz Deutschland, die höchste Autobahndichte und ein wesentlicher Teil der saarländischen Wirtschaft basiert auf der Automobilindustrie. Individualverkehr hierzulande bedeutet zumeist Autofahren. Aber die Größe und Topografie unseres Bundeslandes und die technischen Entwicklungen hin zum E-Bike bieten auch die Möglichkeit, das Fahrrad als Fortbewegungsmittel stärker als bisher im Alltag zu nutzen. Dafür müssen die entsprechenden Grundlagen geschaffen werden: sei es durch Städtebau oder staatliche Förderung. Wenn wir hier unsere Hausaufgaben machen, sieht es in zehn Jahren hoffentlich ganz anders aus an der Saar.
Sie sind als Förderlotsin für Radverkehr die Ansprechpartnerin für die 52 Kommunen, die fünf Landkreise und den Regionalverband Saarbrücken. Warum braucht es eine solche Lotsin und wobei helfen Sie?
Die Stelle als Fahrrad-Förderlotsin wurde bereits 2018 durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr geschaffen. Ich selbst bin seit Februar unter anderem als Förderlotsin aktiv und damit Ansprechpartnerin für alle saarländischen Kommunen, Landkreise sowie den Regionalverband. Meine Aufgabe besteht vor allem darin, Kommunen fachlich zu beraten, wenn diese planen, etwas für den Alltagsradverkehr zu tun. Leider fehlen den Kommunen aber schlichtweg die Zeit und auch das Personal, das sich intensiv mit der Förderkulisse beschäftigen kann. Die Bandbreite reicht von Radverkehrskonzepten über den Bau von Fahrradwegen bis hin zur Errichtung von Radabstellanlagen mit oder ohne Ladevorrichtung für E-Bikes. Ich gebe den Verwaltungsmitarbeitern dann in einer ersten telefonischen Beratung oder auch per E-Mail Hilfestellung, welche staatlichen Fördertöpfe für die geplanten Maßnahmen sinnvoll sind und welche Fristen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Antragstellung eingehalten beziehungsweise erfüllt sein müssen. Generell ist das ja ein sehr spezialisierter Bereich. Da sind die Verwaltungsmitarbeiter immer sehr froh, wenn jemand an ihrer Seite ist, um sie durch den manchmal etwas unübersichtlichen Förderdschungel zu lotsen. Und für unsere finanzschwachen Kommunen im Saarland sind staatliche Förderquoten von teilweise bis zu 80 Prozent schlichtweg unverzichtbar, wenn man in den Alltagsradverkehr investieren möchte.
Wenn Sie eine Bilanz ziehen: Wie viele Kommunen haben Sie seit Februar bei der Beantragung von Fördermitteln aus Bundesprogrammen beraten? Und was ist aus den Projekten bisher entstanden?
Meine Erfahrungen als Fahrrad-Förderlotsin sind durchweg positiv. Die Kommunen wollen konkret handeln, und viele haben begriffen, dass es jetzt an der Zeit ist, in die passende Infrastruktur zu investieren, damit die Verkehrswende gelingen kann. Oft sind es auch einzelne engagierte Mitarbeiter oder die Verwaltungsleitung selbst, der es ein besonderes Anliegen ist, den Alltagsradverkehr zu fördern.
Bisher hatte ich mit rund 30 Kommunen oder öffentlichen Institutionen Kontakt; Tendenz steigend. Ob es dann in allen Fällen zu einer Antragstellung kommt, ist von vielen Faktoren abhängig, und ich bin in den weiteren Verlauf solcher Projekte dann nicht mehr eingebunden. Das Steuer übernimmt nach erfolgter Beratung die jeweilige Kommune. Gegen Jahresende werde ich aber noch einmal alle interessierten Kommunen kontaktieren, um entsprechendes Feedback zu erhalten und gegebenenfalls für das kommende Jahr weitere Unterstützung anzubieten.
Aus welchen Fördertöpfen können die Saar-Kommunen Geld für den Radverkehr bekommen? Wie viel Geld steht dafür dem Land jährlich zur Verfügung, wie viel davon wird in konkreten Projekten ausgegeben?
Je nach geplanter Maßnahme gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten für saarländische Kommunen und öffentliche Einrichtungen. Der umfangreichste Fördertopf wird vom Bundesumweltministerium in Form der sogenannten Kommunalrichtlinie gestellt. Diese hat die Förderung des Klimaschutzes im kommunalen Umfeld zum Ziel, weshalb auch Projekte für klimafreundliche Mobilität, sprich Alltagsradverkehr, förderfähig sind. Der maximale Investitionszuschuss beträgt vonseiten des Bundes bis zu 500.000 Euro, wird mitunter durch das Saarland über die sogenannte EMOB-Richtlinie bei finanzschwachen Kommunen sogar um bis zu 20 Prozent aufgestockt. Auch eine direkte Antragstellung beim saarländischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr ist denkbar, beispielsweise, wenn man Fahrradabstellanlagen mit Ladefunktion für Elektro-Fahrräder plant.
Verkehrsministerin Anke Rehlinger hat die Schlüsselrolle der Kommunen in ihrer Radverkehrsstrategie hervorgehoben. Man müsse dort Mitstreiter, die sogenannten Umsetzer, gewinnen. Woran fehlt es in der Radverkehrsinfrastruktur den Kommunen am meisten? An Geld, an Ideen, am Willen?
Ich glaube, vielen Kommunen wird erst jetzt bewusst, dass in den letzten Jahrzehnten zu wenig für den Ausbau des Alltagsradverkehrs getan wurde. Natürlich spielt auch die teilweise sehr schwierige finanzielle Lage fast aller saarländischen Kommunen eine Rolle, warum in puncto Fahrradverkehr hierzulande noch viel Luft nach oben ist. Aber der Wille, etwas zu bewegen und das Thema anzupacken, der ist meiner Meinung nach durchaus da – und zwar vonseiten aller Interessengruppen. Das Bewusstsein ist mittlerweile durchaus vorhanden, und es finden sich immer mehr Umsetzer in Bau- und Umweltämtern, die vor Ort etwas bewirken wollen. So arbeiten zum Beispiel immer mehr kommunale Klimaschutzmanager in saarländischen Städten, Landkreisen und Gemeinden, die sich unter anderem diesem Thema annehmen. Aber es geht auch ohne, wie beispielsweise Illingen gerade aktuell beweist. Dort will man im kommenden Jahr einiges zur Förderung des Alltagsradverkehrs tun und möchte entsprechende Förderangebote nutzen. In anderen Kommunen, wie etwa Saarbrücken oder Saarlouis, ist schon vieles passiert. Trotzdem gibt es noch einiges zu tun.
Die Verkehrsministerin sagte jüngst auch, dass es am Ende möglicherweise nur noch dann einen Zuschuss gibt, wenn die Kommune ein Radkonzept erarbeitet hat. Was halten Sie davon?
Ich halte es für sinnvoll, gerade hinsichtlich weitreichender städtebaulicher Eingriffe und einer breiten Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung, zunächst ein Radverkehrskonzept zu entwickeln, bevor man in die konkrete Umsetzung geht. Auch weil eine sinnvolle Radverkehrsförderung kein Stückwerk sein sollte, sondern schlüssige und durchdachte Konzepte und damit eine Gesamtstrategie braucht, um erfolgreich zu sein. Radverkehrskonzepte umfassen dabei nicht nur den Bau neuer Radwege, sondern beispielsweise auch die Anlage von Schutzstreifen, die Errichtung von Fahrradabstellanlagen, die fahrradfreundliche Gestaltung von Verkehrsknotenpunkten, Beschilderung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Solch ein Konzept ist übrigens ebenfalls förderfähig, und zwar über die Förderrichtlinie EMOB mit bis zu 80 Prozent.