Das Jahr hat gerade begonnen, da kommt die Bundesregierung außenpolitisch schon unter erheblichen Druck. Im eskalierenden Konflikt zwischen den USA und Iran versuchen Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas per Pendeldiplomatie zu vermitteln.
Der DAX ist nicht nur ein Maß für den Wert der deutschen Unternehmen, er gilt auch als Indikator für Stimmungen, zeigt damit auch drastisch, wenn Verunsicherungen Raum greifen. Nach einem guten Start in das neue Jahr rauschte der Leitindex Anfang der ersten vollen Januarwoche in den Keller, der Goldpreis dagegen erreicht seinen Höchststand seit sechs Jahren. Auch der Ölpreis sprang auf seinen Höchstkurs.
Nach der doppelten Drohnen-Attacke der USA gegen iranische Top-Militärs im Irak liegt Krieg in der Luft. Wobei auf dieser Welt ohnehin jeden Tag irgendwo ein Krieg entweder unvermindert weitergeht oder wieder neu aufflammt. Der mittlerweile offene militärische Konflikt zwischen dem Iran und den USA hat eine besonders bedrohliche Qualität. Die Weltmacht USA, hochgerüstet, provoziert die Atommacht in spe am Golf. Doch ist der Iran tatsächlich noch eine Großmacht am Persischen Golf, die nur damit droht, eine Atombombe zu bauen? Oder haben die Mullahs in Teheran diese nicht längst in ihren Bunkern? Die US-Geheimdienste halten dies für nicht unwahrscheinlich, aber die gingen ja auch schon mal davon aus, dass Iraks Ex-Diktator Saddam Hussein über Giftwaffen verfügt.
Die Eskalation am Golf rief auch in Deutschland warnende Stimmen auf den Plan. Eine von ihnen gehört Ex-BND-Chef August Hanning. Der gab seinen Befürchtungen Ausdruck und mutmaßte, dass die Mullahs in Teheran spätestens jetzt alles dransetzen würden, schnell eine Atombombe zu bauen. „Mit jeder Verschärfung des Konflikts zwischen dem Iran, den USA und Israel steigt auch die Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland", legte der ehemalige Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes noch einen drauf und sprach gleich mal von einer gestiegenen Gefahr der „asymmetrischen Bedrohung der Menschen auf der Straße". Für die Menschen im Land wenig beruhigend. Dazu kommt, dass die Bundesregierung offensichtlich auf diese Eskalationsstufe überhaupt nicht vorbereitet war, obwohl das US-Säbelrasseln am Persischen Golf ja nun nicht gerade erst gestern angefangen hat.
In der Not frisst der Teufel Fliegen heißt es in einem Sprichwort. So ähnlich ist es der Kanzlerin ergangen. Anstatt nach Washington zum Verbündeten Nr. 1 zu fliegen, tritt die Kanzlerin eine Reise in umgekehrte Richtung nach Moskau an. Ausgerechnet bei Wladimir Putin startet sie ihre Friedens- oder besser Vermittlungsgespräche für den Iran. Die deutsche Kanzlerin und der russische Präsident pflegen seit Jahren eine herzliche Antipathie. Putin spricht perfekt Deutsch, doch mit Merkel spricht er vorzugsweise Russisch, wird aus dem Umfeld der Kanzlerin kolportiert. „Russland ist ein wichtiger Akteur auf der Weltbühne" bringt es einige Tage vor der Reise Regierungssprecher Stefan Seibert vor der überraschten Hauptstadtpresse auf den Punkt. Nun versucht Merkel mit Putin offensichtlich einen Friedensplan für den Nahen und vor allem Mittleren Osten zu entwickeln.
Neben Syrien geht es derzeit natürlich vor allem um die Eskalation zwischen den USA und dem Iran. Dazu musste nun die Kanzlerin, mangels anderer Alternativen, über ihren Schatten springen und nach Moskau fliegen, Außenminister Maas überraschenderweise gleich mit im Gepäck. Doch die neue, sehr offene deutsch-russische Annäherung erweckt bei manchem den Eindruck von Symbolpolitik. Wenn man das Verhältnis der Kanzlerin zum russischen Präsidenten diplomatisch „schwierig" nennen möchte, dann kann das zu US-Präsidenten Donald Trump als „gestört" bezeichnet werden. Wobei bei Letzterem die deutsche Seite keine Schuld hat.
Der Einzige, der noch irgendwie regelmäßig Kontakt zur US-Administration in Washington hat, scheint Außenminister Heiko Maas zu sein. „Der Außenminister steht in ständigem Kontakt mit seinem Amtskollegen Mike Pompeo", so Außenamts-Sprecher Breul gegenüber FORUM. Dabei scheint aber auch der 56-jährige US-Amtskollege von Maas im Umgang etwas gewöhnungsbedürftig zu sein. Nach der ganzen auch deutschen Aufregung über den US-Drohnenschlag gegen Soleimani twitterte Pompeo, dass der deutsche Außenminister vor dem Drohnenschlag gegen den iranischen General Qassem Soleimani von ihm telefonisch informiert wurde. „Wir kommentieren keine Tweeds, sondern sprechen mit den Beteiligten" versuchte AA-Sprecher Breul zurückhaltend Druck aus der Geschichte zu nehmen. Allerdings stellte das Auswärtige Amt klar: „Das erste, diesbezügliche Telefonat hat erst nach dem Schlag stattgefunden". Schon diese Geschichte zeigt, wie kaputt die deutsch-amerikanischen Beziehungen auch auf der diplomatischen Ebene offenbar sind, und das in dieser angespannten Lage.
Rückzug der Bundeswehr und Diplomatieversuche
Eine weitere Frage bei dem Luftschlag gegen General Soleimani und seine Entourage bleibt allerdings vom Auswärtigen Amt unbeantwortet: Wurde die Drohnenoperation vom US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein aus geführt. Dass dem so ist, kann eigentlich als gegeben angenommen werden, denn soweit bekannt, werden seit ihrer Einführung alle Drohnen-Operationen der US-Army im Mittleren und Nahen Osten von Ramstein aus geleitet. Dort sind von der Air Force die Cyber-Piloten für diesen Bereich stationiert, ihre Befehle bekommen sie vom Headquarter in Tampa in Florida. Damit würden von deutschem Boden aus womöglich Menschenrechtsverletzungen begangen. Entsprechende Anfragen werden von der Linken im Bundestag bereits für die aktuelle Stunde vorbereitet. Auf die Nachfrage, welche Rolle Ramstein beim Drohnen-Doppelschlag gespielt hat, wird man im Kanzler- und Auswärtigen Amt einsilbig. „Wir haben ein sehr enges und vertrauensvolles Verhältnis zu unseren amerikanischen Verbündeten", lässt Regierungssprecher Seibert die Hauptstadtpresse wissen.
Aus deutscher Sicht geht es jetzt vor allem darum, die Vereinbarungen zum iranischen Atomprogramm zu retten, das ja nun auch von Teheran aus aufgekündigt worden ist, nachdem die USA schon vor einem Jahr ausgestiegen sind. Außenminister Heiko Maas hatte umgehend die Idee, zu einer internationalen Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn zu laden. Doch auch dazu wird es offensichtlich nicht kommen, diesbezüglich hat der frisch wiedergewählte österreichische Kanzler Sebastian Kurz seine Hauptstadt ins Gespräch gebracht, schließlich ist in Wien auch der Atomvertrag mit den Iranern ausgehandelt worden.