Ein ungewöhnlicher Film über das Aufwachsen in der NS-Zeit: Taika Waititis Satire „Jojo Rabbit" startet am 23. Januar in den Kinos und sorgt für Lacher und Erstaunen.
Deutschland, wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges: Jojo Betzler (Roman Griffin Davis) ist zehn Jahre alt, lebt in einer deutschen Kleinstadt und verehrt Adolf Hitler. An der Wand des Kinderzimmers hängt ein Foto des „Führers", daneben eine Hakenkreuz-Fahne. Stolz zieht Jojo seine Uniform an, es geht ins Lager des deutschen Jungvolks der Hitlerjugend. Neben ihm im Zimmer steht Hitler selbst, dargestellt von Taika Waititi, der bei der Satire auch Regie geführt hat. Mit dem Jungen übt er, wie der Hitlergruß richtig geht.
„Jojo Rabbit" ist ein sehr individueller Film mit einer ungewöhnlichen Herangehensweise an das Thema Jugend in der NS-Zeit. Auf viele Zuschauer mag ein derartiger Umgang mit den Themen Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg erst einmal befremdlich wirken. Glücklicherweise sind die Figuren in Taika Waititis Film derart überzeichnet, dass jedem sofort klar sein muss, dass hier nicht die Realität gezeigt wird.
Klar, dass der Diktator im Kinderzimmer nur eine Fantasiefigur im Kopf von Jojo ist. Eine Mischung aus dem Bild, das ihm eingetrichtert wurde und seinem Wunsch nach einer Vaterfigur. Denn zu seinem Vater hat Jojo seit zwei Jahren keinen Kontakt, seine Mutter sagt, er kämpfe als Soldat in Italien.
Kein Abbild der Realität
Angesichts des Mythos, der um Adolf Hitler in einer ganzen Reihe von Spielfilmen und Dokumentationen immer wieder aufgebaut wird, ist der respektlose Umgang in Taika Waititis Film geradezu wohltuend. Hitler am Küchentisch, Hitler im Kinderzimmer – durch die Nähe wird das Lächerliche offenbar, die Absurdität der Nazi-Ideologie wird offensichtlich.
Im Lager der Hitlerjugend erwarten Jojo und seinen Freund Yorki (Archie Yates) Kriegsspiele, ideologische Indoktrination und Mutproben. Jojo soll ein Kaninchen töten, doch das bringt er nicht fertig. Einer der Ausbilder beschimpft ihn daraufhin als Feigling – und gibt ihm den Namen Jojo Rabbit. Wütend und verwirrt flüchtet Jojo in den Wald, wo er mithilfe seines imaginären Freundes Adolf Hitler beschließt, allen seinen Mut zu beweisen. Und so schnappt er sich, als er im Lager fürs Handgranatenwerfen ansteht, eine Granate und wirft sie. Mit für ihn recht unangenehmen Folgen: Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus hat er eine Reihe hässlicher Narben im Gesicht.
„Jojo Rabbit" ist die filmische Umsetzung des Buchs „Caging Skies" der Schriftstellerin Christine Leunen aus dem Jahr 2004. Die in Tschechien gedrehte US-Produktion hat eine Reihe von Preisen gewonnen, unter anderem beim Toronto International Film Festival im September 2019. Der Film zeigt auch, wie Jojos idealisierte Nazi-Welt langsam zerbröckelt. Während er allein zu Hause ist, hört er im Haus merkwürdige Geräusche. Und entdeckt einen geheimen Raum und das jüdische Mädchen Elsa (Thomasin McKenzie), das von seiner Mutter (Scarlett Johansson) dort versteckt wird. Offenbar war Elsa eine Freundin von Jojos Schwester, die eine Weile zuvor an Grippe gestorben ist.
Mutter versteckt jüdisches Mädchen
Jojo steckt in der Klemme: Nach der Ideologie, die man ihm beigebracht hat, müsste er Elsa sofort verraten. Aber dann würde er auch seine Mutter, die er sehr liebt, verraten. Und sich selbst in Gefahr bringen, denn Elsa droht, ihn der Mithilfe zu bezichtigen. Mit dem imaginären Hitler in seinem Zimmer diskutiert Jojo, was er tun kann. Und gleichzeitig freundet er sich allmählich mit Elsa an. Denn, auch wenn er zu Beginn des Films das, was man ihm beigebracht hat, bereitwillig befolgt, ist Jojo kein von Grund auf schlechter Mensch. Und im Kontakt mit Elsa merkt er, dass die Stereotype, die er über Juden im Kopf hat, nicht stimmen können.
Taika Waititis Film ist auch ist ein leidenschaftlicher Appell, selbst zu denken, sich eine eigene Meinung zu bilden und nicht von Populisten instrumentalisieren zu lassen. Und damit sehr aktuell.