Wie ein alternder Frank Sinatra sitzt er da, der Tausendsassa. Nach einer durchzechten Nacht gibt er noch einen lässigen Gig in einer Hotelbar, nur von einem Piano und einem Whiskyglas begleitet. Zumindest ist das eines der Bilder, die Mike Patton mit dem Song „Chansons D‘Amour" heraufbeschwört. Der Vokalkünstler, wohl am besten bekannt als Sänger der Crossover-Helden Faith No More, zeigt mit seiner neuesten Kollaboration mal wieder eine ganz neue Seite seines künstlerischen Schaffens. Gemeinsam mit Jean-Claude Vannier legt er „Corpse Flower" vor, benannt nach dem Titanenwurz. Diese Pflanze wächst bis zu drei Meter hoch, sondert einen Aasgeruch ab und lässt sich aus dem Lateinischen etwa mit „unförmiger Riesenpenis" übersetzen. Und genau so klingt das Album: Großartig, morbide und mitten aus der Hüfte.
Vannier hat seinen Platz in der Musikhistorie unter anderem durch das Mitwirken an Serge Gainsbourgs Konzeptalbum „Histoire de Melody Nelson" sicher. Hier bettet der Franzose die zwölf Songs in maßgeschneiderte Arrangements ein. So stehen hier orchestrale Momente („Hungry Ghost") wie selbstverständlich neben Spoken-Word-Passagen („A Schoolgirl‘s Day"), Balkan-Anleihen („Insolubles") oder kitschigen Disney-Versatzstücken („Pink and Bleue"). Sogar für die ein oder andere explosive Gitarrenexkursion findet sich Zeit: „On Top Of The World" bietet dazu noch ein herrlich schräges Pfeifkonzert. Die Killerballade „Browning" („Bang, bang, bang – Bleed, bleed, bleed") ist eine Art lockerer Popmoment des Mikro-Magiers und klingt, als habe sie Patton nach einem Filmabend mit Tarantinos gesammelten Werken geschrieben. In dem sich wie ein voll beladener Lkw dahin schleppenden Stück „Camion" besingt er passend dazu das Leben auf der Straße.
Mike Patton, dem man einen stimmlichen Umfang von sechs Oktaven nachsagt, könnte auch eine Speisekarte vertonen. Etwas Ähnliches machen er und Jean-Claude Vannier übrigens tatsächlich mit dem Titelstück. „Filet mignon – Porchetta – Babi guling" – diese Kollaboration macht auf jeden Fall Appetit auf mehr.