Mit Hypnobirthing, einer Art Selbsthypnose, soll die Geburt schmerz- und angstfreier werden. Das Verfahren findet bei Frauen zunehmend Anklang, doch längst nicht alle Hebammen sind überzeugt.
Angelina Jolie und Prinzessin Kate haben ihre Kinder auf diese Weise bekommen und auch hierzulande ist der Trend zum Hypnobirthing schon länger angekommen. Schmerz- und angstfreier soll die Geburt mit dieser Methode werden, so zumindest das Versprechen. Die Idee beim Hypnobirthing ist, dass Frauen nicht nur intensiv über den Geburtsvorgang aufgeklärt werden, sondern auch ihren Körper besser kennenlernen. Dadurch sollen sie in der Lage sein, während der Geburt ihrem eigenen Empfinden zu folgen und intuitiv und selbstbestimmt zu gebären. Außerdem werden ihnen Atem- und Entspannungstechniken an die Hand gegeben. Das Gefühl, selbstbewusst und gut vorbereitet in die Geburt zu gehen, helfe vielen Frauen dabei, entspannt zu bleiben und angstfrei zu gebären. Im Optimalfall könne Hypnobirthing zu einem verkürzten Geburtsvorgang, weniger Schmerzen und einer schnelleren Erholung nach der Geburt führen, versprechen Vertreter des Hypnobirthings wie etwa die amerikanische Hypnosetherapeutin Marie Mongan. Sie schrieb bereits 1989 das Buch „Hypnobirthing: A Celebration of Life", auf das sich bis heute viele Hypnobirthing-Kurse stützen. Ursprünglich geht das Konzept des Hypnobirthing allerdings schon weiter zurück. Der englische Gynäkologe Dr. Grantly Dick-Read (1890‒1959) glaubte bereits, dass eine Geburt nicht zwangsläufig mit Schmerzen verbunden sein muss. Ihm zufolge würden diese im Wesentlichen durch Angst entstehen. Angst löse bei den Frauen Anspannung vor und während der Geburt aus, die dann dazu führe, dass sich der Geburtskanal verkrampfe. Nach Dick-Reads Theorie muss dieser Kreislauf aus Angst, Anspannung und Schmerz unterbrochen werden.
In Hypnobirthing-Kursen werden dazu Ängste visualisiert und aufgelöst. Das können beispielsweise Ängste sein, die aus der Erinnerung an vorangegangene Geburten resultieren. Teilnehmer könnten sich dann beispielsweise vorstellen, gedanklich im Buch des Lebens zu blättern und die Seiten mit negativen, angstbesetzten Bildern herauszureißen, erklärt die Hypnobirthing-Trainerin Jasmin Salazar Velez. Außerdem lernen Kursteilnehmerinnen Techniken der Tiefenentspannung. Dazu gehört etwa eine langsame, bewusste Bauchatmung, die die Wellenbewegungen der Kontraktionen unterstützt, aber auch Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung nach Jacobsen oder eine spezielle Berührungsmassage des Partners. Letzterer wird ohnehin stark eingebunden beim Hypnobirthing. Er oder sie wird als der wichtigste Geburtsbegleiter gesehen, der ebenso wie die Frau gut vorbereitet sein sollte. Der Partner soll der werdenden Mutter helfen, ihre Entspannung zu vertiefen oder gedanklich an ihren Wohlfühlort zu gehen. Damit das gelingen kann, lernen beide Elternteile „Anker zu setzen". Das kann beispielsweise eine leichte Berührung an der Schulter sein, die mental mit dem Wohlfühlort verknüpft wird. Verschiedene Visualisierungsübungen sollen den Frauen helfen, sich zu entspannen. Auch für die Geburt selbst haben Vertreter des Hypnobirthings Ideen. So könne man sich etwa eine sich öffnende Blüte vorstellen, für das Kind, das durch den Geburtskanal gleitet. Der Gebärmutterhals könne dabei als Gewinde aus Seidenbändern visualisiert werden, das während des Geburtsprozesses sanft auseinandergleitet.
Auch auf die korrekte Wortwahl wird beim Hypnobirthing starker Wert gelegt. Denn Hypnose zielt darauf ab, Geburt erst gar nicht mit Schmerz zu verbinden oder Schmerz zumindest nicht negativ zu bewerten: „Worte, die Schmerz suggerieren, kommen deshalb bei der Hypnose nicht vor: Wehen tun ja schon vom Wortklang her weh. Sie werden einfach Kontraktionen genannt", sagt die Psychologin Dr. Helga Hüsken-Janßen, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose. Sie hat in Deutschland die Hypnoreflexogene Geburtsvorbereitung mitbegründet. Wehe also heißt dann Kontraktion oder Welle. Statt Schmerz könne man Spannung sagen, aus Komplikationen werden spezielle Umstände und der Schleimpfropf wird zum Gebärmuttersiegel. Bei der Geburt selbst sollen die Frauen dann in einer Art Trance-Zustand sein. „Viele Schwangere vergleichen das Erleben einer Trance mit dem angenehmen Zustand kurz vor dem Einschlafen, wenn man eher in Bildern denkt, und der Körper zur Ruhe kommt", erklärt es Hüsken-Janßen.
Die Kurse umfassen in der Regel vier bis fünf Sitzungen, die jeweils zweieinhalb bis vier Stunden dauern. Je nach Gruppenstärke können die Kosten variieren, liegen aber meist bei 300 bis 500 Euro pro Kurs. Viele Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten. Neben den Kursen sollen die Übungen zu Hause mithilfe von Büchern und CDs trainiert werden.
Die Angst vor der natürlichen Geburt soll durch Hypnobirthing genommen werden
Hilft das tatsächlich? In den USA, in denen Hypnobirthing seit rund 20 Jahren angewandt wird, weisen erste Studien darauf hin, dass es durch Hypnobirthing seltener zu Kaiserschnitten oder dem Einsatz von Schmerzmitteln kommt. Auch hierzulande werden Kaiserschnitte häufig als Argument angeführt. Denn tatsächlich ist die Rate laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu hoch. 32 Prozent der Kinder kommen in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt. Der Anteil hat sich in den vergangenen 20 Jahren annähernd verdoppelt.
Die WHO hält aber nur eine Rate von 15 Prozent für medizinisch begründet. In konkreten Zahlen heißt das: Jedes dritte Kind kommt operativ auf die Welt, das sind knapp 230.000 Kinder pro Jahr. Bei mindestens 5.000 davon steckt nach Schätzungen der Bertelsmann-Stiftung die Angst der Mütter dahinter. Hierbei handele es sich um „Wunschkaiserschnitte", also Eingriffe, die ohne medizinische Indikation vorgenommen werden. Soziologen zufolge sind diese vor allem ein Phänomen, das bei gut ausgebildeten Frauen, Anfang bis Mitte 30 auftrete, die beruflich erfolgreich seien und nichts dem Zufall überlassen wollten. Hier wollen die Vertreter des Hypnobirthings helfen, Ängste nehmen und das Schmerzempfinden verringern, um eine natürliche Geburt möglich zu machen.
Da Hypnobirthing in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, ist die Studienlage dazu sehr dünn. Eine Untersuchung, die zu einem positiven Ergebnis kam, hat Helga Hüske-Jansen zusammen mit der Uni Tübingen und dem Westfälischen Institut für Hypnose und Hypnosetherapie durchgeführt. Bei erstgebärenden Frauen, die sich mit Hypnose auf die Entbindung vorbereitet hatten, dauerte die Geburt durchschnittlich zwei Stunden kürzer als bei der Vergleichsgruppe. Rund 80 Prozent der Frauen in der Kontrollgruppe gaben dabei an, „fürchterlich starke Schmerzen" gehabt zu haben. In der Hypnose-Gruppe waren es 50 Prozent. Hüske-Jansen ist überzeugt vom Hypnobirthing: „Die Entbindung wird in Trance wieder und wieder durchgespielt. Die Schwangeren üben es so intensiv, dass sie es bei der realen Geburt relativ einfach abrufen können."
Die Berliner Hebamme Jana Friedrich, die den Blog hebammenblog.de betreibt, hat in der Praxis jedoch Erfahrungen gemacht, die den positiven Studienergebnissen widersprechen. Sie habe in der Klinik fast ausschließlich schlechte Erlebnisse mit Hypnobirthing-Geburten gehabt. Die Frauen seien zwar sehr gut informiert, hätten aber ein so festes Bild davon im Kopf, wie ihre Geburt zu sein habe, dass sie im Verlauf nicht mehr die Fähigkeit besäßen, flexibel mit den tatsächlichen Ereignissen umzugehen, schildert es die Hebamme. „Es war ganz so, als würden sie ein starres und dogmatisches Sonderprogramm absolvieren. Alle Hypnobirther, die mir oder meinen Kolleginnen begegnet sind, waren sämtlichem Klinikpersonal sehr misstrauisch gegenüber und trauten unseren Einschätzungen überhaupt gar nicht. Leider wurden aus den Befürchtungen immer, bis auf ein einziges Mal, selbsterfüllende Prophezeiungen: Die Geburten endeten mit dem Kaiserschnitt", so Friedrich.
Sie wollte verstehen, warum die Studienergebnisse und ihre persönliche Erfahrungen so auseinandergingen. Deshalb fragte sie bei Frauen nach, die mit Hypnobirthing ihr Kind zur Welt gebracht hatten. Dabei machte sie eine entscheidende Entdeckung: Besonders zufrieden waren vor allem die Frauen, die nicht in ein Krankenhaus gegangen waren. Sie berichteten zwar von Schmerzen, beschrieben die aber als erträglich. Die Klinik-Patientinnen hingegen konnten sich nicht richtig fallen lassen und erzählten von starren Routinen und Vorschriften in den Krankenhäusern. „Womit die Hypnobirthing-Lehre total recht hat", so Friedrich, „ist, dass eine Schwangerschaft keine Krankheit ist und eine Geburt nichts Pathologisches." Vertreter des Hynobirthings glauben, dass vor allem die westliche Gesellschaft mit ständigen Warnungen vor möglichen Komplikationen und Schmerzen, die Geburt zu einem komplizierten und angstbesetzten Prozess hat werden lassen. Schwangere würden heute von Beginn an medizinisch so intensiv betreut wie nie zuvor. Dadurch könne man zwar Probleme schneller entdecken, aber auch die Verunsicherung wachse. Der Begründer des Hypnobirthings Dr. Dick-Read schrieb dazu: „Die Geburt an sich ist ein ganz normaler und natürlicher Vorgang, der nur im Zeitalter der Angst und der Neurosen zu einem schmerzhaften Operationsakt degenerierte." Jana Friedrich glaubt, bei aller Skepsis gegenüber dem Hypnobirthing, dass man sich grundlegend die Frage stellen müsse, warum sich so viele Frauen eine andere Geburt wünschten.