Moore galten jahrhundertelang als gefährliche und unheimliche Gebiete, in denen Menschen verschwanden und niemals zurückkehrten. Dabei hat das Moor eine heilende und lindernde Wirkung auf eine Vielzahl von Beschwerden.
Gruselige Geschichten über Moorleichen, Geister und Irrlichter erzählte man sich einst von den mystischen Sumpfgebieten, um die man besser einen großen Bogen machte. Doch die sieben Moorteiche im Gräflichen Park von Bad Driburg werden hoch geachtet. Sie strahlen Ruhe aus und gelten in dem 64 Hektar großen Landschaftspark im wahrsten Sinne des Wortes als Kraftorte. Sanft bewegt der Wind die zarten Gräser, die aus den Tümpeln von Torf, Moosen und tiefschwarzem Wasser hoch aufragen. Eine einzigartige Oase für Frösche, Krebse, Spinnen oder Libellen.
Auch der Mensch macht sich die wertvollen Pflanzenteile, die das Schwefelmoor so besonders machen, zunutze. Fast alle Moorpflanzen sind auch Heilkräuter, die wie andere nach ihrem Verwelken auf der Wiese, nicht verfaulen, sondern nach ihrem Verwelken unter die Wasserfläche verschwinden. Dort, unter dem Ausschluss von Sauerstoff, bleiben ihre wirksamen Verbindungen konserviert. So haben sich die Pflanzenteile über Jahrhunderte auf natürliche Weise zersetzt und ihre heilenden Wirkstoffe wie Huminsäure, Kieselsäure, Proteine, Stärke, Pflanzenhormone, ätherische Öle, Polyphenole, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Vitamine, Flavonoide, Harze, Spiraea-Säure, Schleimstoffe und andere entwickelt. Der dunkelbraune bioaktive Naturstoff werde täglich frisch im Gräflichen Park aufbereitet, erklärt die Leiterin des Therapiezentrums, Dana Peuschel – indem geht es abwärts in den Moorkeller.
Ein angenehm erdiger Geruch geht von den großen Moorhaufen aus, die hier über Förderbänder in große Behälter transportiert wurden. Im Maschinenraum betätigt Rolf Kubitz einige Schalter. Kreischend und laut ratternd setzen sich die Geräte in Bewegung. Kubitz, der „Moorkoch", befreit sie von Kleingestein, Strauch und Wurzelwerk und durchsiebt und verfeinert die schwarze Erde, die sich geschmeidig anfühlt. „Ich habe hier direkten Kontakt zu den Inhaltsstoffen und bin immer wieder tief beeindruckt, was die reine Natur hergibt und wie sie uns Menschen damit heilen kann." Vom Moorkeller wird die heilende Erde direkt in die Stahlwannen gepumpt. Sofort schießt das Moor mit enormem Druck hinein. Innerhalb kürzester Zeit ist die Wanne gefüllt. 200 Liter in 24 Sekunden. Ob Vollbad oder Körperpackung – eine Moortherapie habe eine außerordentliche Wirkung auf den Stützapparat, erklärt Dana Peuschel. Es mildere Gelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden, Beschwerden von Rheuma, Arthrose oder Verspannungen und rege langanhaltend den Stoffwechsel an. Die langfristige Reaktion auf eine Moorbadekur von etwa drei Wochen wirke bei Patienten mit rheumatischen Beschwerden im Schnitt noch ein halbes Jahr nach. Obendrein habe es entgiftende und entschlackende Eigenschaften und mache die Haut rein und schön. Denn durch die gerbende Wirkung stelle sich eine verfeinerte Hautkonsistenz ein.
Bereits das Einsteigen in das schwarze Nass ist ein Hochgenuss. Der anfängliche Wärmestoß beim Eintauchen wird rasch dadurch abgemildert, dass die Wärme des Moorbreies über die Haut in tiefere Körperschichten abgeleitet wird. Die mechanischen Wirkungen des Moores sind verblüffend. Der Körper erfährt eine Art „Auftrieb", das heißt, er fühlt sich im Moor um so viel leichter an, als das Gewicht des verdrängten Moores ausmacht. Der Auftrieb des Moorbades entlastet die Gelenke, und die Wärme führt zu Schmerzlinderung. Der Lymphrückfluss wird angeregt, und es kommt zu einer verstärkten Ausschüttung des körpereigenen Kortisons. Während das Moor einen draußen in das Erdreich ziehe, scheint man hier in der Wanne auf dem Moor zu schweben. Wie in einer Hängematte schwingt der schwarze Körper sanft in alle Richtungen, leicht und weich bewegt.
Künstliches Fieber wirkt sich positiv auf das Immunsystem aus
Luise Schrade ist Gymnastiklehrerin. Ganz in schwarz gekleidet, tritt sie den Patienten frohgelaunt entgegen und bereitet ihnen das Moorbad in dem mit Wasser vermischten Badetorf, eine dickbreiige Masse, die sich durch die besondere Konsistenz und Wärmeleitfähigkeit auszeichnet. „Durch die Wärme kann sich die Muskulatur entspannen, die Gefäße erweitern sich, und die Immunabwehr wird gestärkt", erläutert sie. „Die Wärme geht über einen längeren Zeitraum, im wahrsten Sinne des Wortes‚ tief unter die Haut’ in tiefere Muskelschichten." Schrade achtet genau auf die Temperatur. Die Patienten sind erstaunt über die Höhe von etwa 42 Grad, fühlt es sich doch wesentlich niedriger an. Die Wärme der Moorbäder wird langsam auf den Körper übertragen und zwar deutlich langsamer als Wasser. Dadurch lassen sich wesentlich höhere Temperaturen ertragen als in einem Wasserbad. Im Moor findet die Haut genügend Zeit, die ihr zugeführte Wärme in den Körper abzugeben. Diese Tiefenwirkung ist es auch, die einen besonderen Heilfaktor des Moores darstellt. Nach etwa 20 Minuten steigt die Körpertemperatur im Moorbad um etwa zwei Grad an. Dieses künstliche Fieber wirkt sich positiv auf das Immunsystem aus. Die Funktionen von Magen und Darm verbessern sich. Zudem lösen sich durch die angenehme Wärme Verkrampfungen. Die Gelenke werden während eines Moorbades um bis zu 90 Prozent entlastet. Das Moor wirke antibakteriell, antiviral, krebshemmend, blutstillend und ausgleichend.
Moorpackungen und Moorbäder werden vor allem bei degenerativen und rheumatischen, bei gynäkologischen und urologischen Erkrankungen sowie chronischen Magen-Darm-Beschwerden verwendet. „Menschen, deren entzündete Gelenke keine Wärme vertragen, können auf eine Kaltmoorpackung zurückgreifen. Diese sollten dann nur punktuell an den akuten Stellen aufgetragen werden", empfiehlt Luise Schrade. Mit Recht kann gesagt werden: Nach einer Moorbadekur fühlt man sich wie neugeboren.
Auch in ökologischer Hinsicht sind die Bäder von Vorteil. „Es kommt nichts weg in diesem Kreislauf der Natur. Das frische Moor wird regelmäßig abgetragen, und verbrauchtes Moor gelangt zurück in die Moorfelder", freut sich Dana Peuchel. „Zur Regeneration des Moores lagert es dann fünf bis sieben Jahre in den Moorteichen. Erst danach wird es in der hauseigenen Moorküche im Verhältnis von 1:1 mit frischem Heiltorf gemischt, um es erneut verwenden zu können."
Die Heilwirkung des Moores nutzten bereits die alten Ägypter vor rund 4.000 Jahren. Damals schon wurden Wunden und rheumatische Erkrankungen mit dem heilenden Schlamm des Nils behandelt. Auch die Griechen heilten ihre Wunden nach Kampfhandlungen in der schlammigen Erde. In Europa sind Moorbäder seit mehr als 200 Jahren eine Säule der Naturheilmedizin.
Ein Geheimtipp verrät Dana Peuschel noch: Moorbäder können sogar auf ganz natürliche Weise zum Babyglück verhelfen. Im Moor seien pflanzliche östrogen-ähnliche Substanzen vorhanden, die für hormonelle Wirkungen verantwortlich sind und während eines Moorbades über die Haut in den Körper aufgenommen werden. Zudem regt die Wärme des Moores die Durchblutung der Eierstöcke an. Weil die Moorbehandlungen völlig ohne Nebenwirkungen sind, sollten sie am Anfang jeder Therapie stehen. Wer allerdings stark erhöhten Blutdruck habe, dem sei vom Moor abgeraten. Ebenso Schwangeren, Menschen mit Kreislauferkrankungen, Tumoren, Herzerkrankungen und offenen Wunden. Die Konsultation eines Arztes ist vor allem bei den Moorvollbädern erforderlich, da die Anwendungen sehr intensiv und auch anstrengend für den Organismus sind.