Für Digitalisierung, für die Umwelt, für Verbrennungsmotoren. Jugendliche und junge Erwachsene, die sich als politisch konservativ ansehen, scheren sich nicht um das Parteienspektrum – was wie Umweltschutz einst als traditionell linkes Thema galt, reklamieren sie mittlerweile für sich.
Konservativ sein bedeutet nicht das Weitertragen der Asche, sondern das Bewahren des Feuers“, sprudelt es geradezu leidenschaftlich aus Philipp Amthor heraus. Er ist einer der jüngsten Bundestagsabgeordneten überhaupt im Hohen Haus, die satirische „Heute-Show“ adelte ihn als „ältesten 26-Jährigen deutschlandweit“. Für Amthor heißt das, „jung, selbstreflektiert, skeptisch, aber auf keinen Fall skeptisch gegenüber der Zukunft“ zu sein, „denn die gehört uns“. Dieses Selbstbewusstsein erlaubt sich der Abiturient mit Abschlussnote 1,4 und einem Jurastudium mit „Prädikatsexamen“. Der heute 27-Jährige ist dementsprechend kaum zu bremsen und hat schon eine neue Idee: Er will demnächst Deutschlands jüngster CDU-Landeschef werden. „Ich glaube, es ist immer besser, unterschätzt und nicht überschätzt zu werden. Wer mich nur aufs Alter reduziert und nicht meine Inhalte wahrnimmt, wird ganz schnell baden gehen.“ Vielleicht hat er Glück, denn derzeit ist der Posten des Vorsitzenden des CDU-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern vakant. Und für den umtriebigen Amthor soll das nur eine Fingerübung werden, angeblich hat er mächtige Unterstützer innerhalb der Landes-CDU – und den Segen der Kirche. Denn der konservative Bundestagsabgeordnete hat sich erst im vergangenen Jahr taufen lassen.
„Jung, skeptisch, selbstreflektiert“
Auch Gerrit* ist römisch-katholisch getauft, aber das war nicht seine Entscheidung, sondern die seiner Eltern. Gerrit ist 23, geboren im sächsischen Weißwasser und bezeichnet sich ebenfalls als konservativ. Aber „eher national, im christlichen Sinne der Schöpfung. Alle Menschen haben den ihnen zuerkannten bestimmten Platz, und den sollten sie auch behalten.“ Gerrit lebt zwischen Hoyerswerda, Cottbus und Bautzen, ist aktiv in der Jungen Alternative, der jugendlichen Kaderschmiede der AfD. Dort macht er mit beim Straßenwahlkampf in Sachsen, Brandenburg oder auch in Thüringen, da, wo er gebraucht wird. Der gelernte Tischler hat einen festen Job und wird dafür „auch wirklich gut bezahlt“. Gerrit kommt beruflich wie auch politisch viel herum in seiner Gegend und versteht nicht, dass Gleichaltrige „in der Jungen Union abhängen, da passiert doch nichts. Das sind doch alles Typen, denen es weniger um die politische Ausrichtung geht, als vielmehr um das eigene Fortkommen“, so Gerrit im FORUM-Gespräch. Dass bei der Jungen Alternative die Frauen fehlen, stört ihn dabei weniger, „Frauen sind an Politik sowieso nicht so interessiert wie Männer, aber das ist ganz normal, das war schon immer so“. Ist also Konservatismus reine Männersache?
Das glaubt Laura Menzel nun ganz und gar nicht. Sie ist eine konservative, politische Frau. Die 25-jährige Wirtschaftsingenieurin ist allerdings noch unentschieden zwischen CDU und FDP, die AfD käme für sie nie infrage. „Ich bin eigentlich geprägt durch meine Mutter, und sie ist eine Grüne“, gibt Laura zu bedenken. „Aber rein wirtschaftlich scheint mir das, was die Grünen derzeit aufrufen, alles nicht wirklich bis zum Ende durchdacht zu sein, obwohl Umweltschutz in meinem Leben schon eine große Rolle spielt.“ Doch für die Hamburgerin ist eines entscheidend: die Digitalisierung. „Und da gibt es doch einen ganz großen Nachholbedarf, immerhin steht Deutschland bei der Flächenversorgung im Digitalfunk hinter Albanien, das kann es dann doch nicht wirklich sein.“ Darum ist für Laura Menzel eigentlich die FDP politisch die erste Wahl. „Die haben die Digitalisierung wirklich auf dem Schirm.“
Das muss dann auch Mark Hauptmann einräumen. Er ist der Vorsitzende der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Mitglied in dieser Gruppe werden kann nur, wer bis zu seiner Wahl maximal 35 Jahre alt war. „Konservativ zu sein, heißt, nachhaltig zu wirtschaften, die Umwelt vor Schäden zu bewahren, und darum ist das jetzt gerade eine Sternstunde konservativer Politik. Denn wir wollen in dieser Umwelt in den nächsten Jahrzehnten leben.“ Klare Ansage an Fridays for Future und die Grünen: Die Konservativen wollen den Schülern und dem politischen Gegner in Sachen Umweltschutz das Feld nicht kampflos überlassen. Für Mark Hauptmann ist die CDU denn auch eine Umweltpartei.
„Konservativ heißt nachhaltig wirtschaften“
Selbst Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, hat sich soweit noch nicht rausgetraut. Für Kuban „gehört das Steak auf dem Grill einfach dazu“ wie auch der Verbrennungsmotor zur deutschen Wirtschaft, auch in den nächsten Jahren. Mark Hauptmann ist da einen Schritt weiter. „Wir müssen die Grünen stellen, wenn wir bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr erfolgreich sein wollen. Und das heißt: Wir Konservativen sind die Bewahrer der Schöpfung“, so der Vorsitzende der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Bundestag. Das hatten sich die Christdemokraten lange nicht mehr so prominent auf die Fahnen geschrieben – auch wenn sie das so wohl nicht zugeben würden. Mark Hauptmann beschreitet einen Weg, der von der Bundespartei so noch nicht vorgegeben wurde, von jüngeren Abgeordneten oder auch Ministerpräsidenten wie Tobias Hans aber immer öfter öffentlich erwähnt wird. Denn irgendwie müssen der „Grünen-Hype“ und deren hochfliegenden Umfragewerte der vergangenen Monate wieder eingefangen werden. Sonst heißt in spätestens einem Jahr der Bundeskanzler womöglich noch Robert Habeck.
Bei aller Taktiererei um Wählerstimmen und junge Neumitglieder gibt es aber offenbar eine Grenze: Konservatismus im CDU-Mainstream ist ein anderer als derjenige der erzkonservativen „Werte-Union“, die, wohlgemerkt, kein Flügel der CDU ist, sondern ein eingetragener Verein außerhalb der Partei. Dies zu betonen, werden die Christdemokraten derzeit nicht müde. Will man jedoch mehr konservative Jugendliche als Parteimitglieder heranziehen, braucht es klare Linien: Junge Menschen neigen „zu klaren, eindeutigen Entscheidungen“, so der Chef des Umfrageinstituts Forsa, Manfred Güllner. Das heißt für die Union, sie muss sich rasch positionieren, zum Beispiel bei der Zuwanderung, bei der Asylpolitik und beim Ausbau der Digitalisierung und beim Umweltschutz. „Da ist die CDU beliebig und austauschbar geworden, hier muss sie sich wieder profilieren“, so Manfred Güllner. Dieser Prozess läuft gerade auf Hochtouren – in Sachen Grundsatzprogramm, das die Noch-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer initiiert hat, wie auch bei der Suche nach ihrem Nachfolger.
*Name von der Redaktion geändert