Im Gegensatz zu Deutschland gibt es Länder, die es mit großer Wahrscheinlichkeit schaffen könnten, bis 2050 klimaneutral zu sein. Eines dieser Länder ist Dänemark, das bereits konkrete Konzepte hat.
Ausgerechnet das kleine Königreich Dänemark zeigt seinem großen Nachbarn Deutschland, wie Maßnahmen zum Klimaschutz konkret, über Lippenbekenntnisse hinaus, in Angriff genommen werden können. Denn die dänische Regierung hat Anfang Dezember nicht nur das weltweit wohl ehrgeizigste Vorhaben zur Bekämpfung von Klimawandel und Klimakrise beschlossen, sondern die Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 70 Prozent im Vergleich zum Wert von 1990 sogar rechtlich verbindlich festschreiben lassen. Bis 2050 soll Dänemark dann sogar klimaneutral sein. Auch künftige Regierungen werden sich an die Vereinbarung halten müssen, da vorab alle wesentlichen im Parlament vertretenen Parteien ihre Zustimmung erteilt hatten.
Die Dänische Gesellschaft für Naturschutz lobte den überparteilichen Klimapakt, der vom nationalen Wirtschaftsverband bis hin zu Greenpeace begrüßt wurde, als „historisch". Schon wenige Tage später kündigte die dänische Regierung an, wie sie ihre ambitionierten Klimaziele konkret erreichen möchte und präsentierte dafür das Konzept einer künstlichen Windpark-Energieinsel als Herzstück der neuen Klimastrategie. Die Energieinsel soll größtenteils nicht aus staatlichen Mitteln, sondern durch private Kapitalgeber realisiert werden.
Im Vergleich zum dänischen Klimagesetz mutet das von der hiesigen Groko beschlossene Klimapaket wirklich wie eine von vielen Kritikern bemäkelte Mogelpackung an. Man könnte es durchaus als (Alibi-)„Paketchen" bezeichnen, mit dessen Hilfe den Protesten der von einer immer breiteren gesellschaftlichen Öffentlichkeit unterstützten Umwelt- und Klimaaktivisten etwas der Wind aus den Segeln genommen werden soll. Die Verteuerung fossiler Energien, das Verbot neuer Öl-Heizungen oder das Promoten von Elektroautos, die die Mehrzahl der deutschen Verbraucher allerdings nicht haben will, dürften die Treibhausgasemissionen kaum in ausreichendem Maße reduzieren können. Wohl aber ein Pushen des Hoffnungsträgers unter den erneuerbaren Energien, nämlich der Windkraft. Aber diesbezüglich ist die Bundesregierung unter Federführung des von Peter Altmaier geleiteten Wirtschaftsministeriums auf die Bremse getreten, weil das Problem des Ausbaus des Energienetzes, mit dessen Hilfe der immer günstiger und zuverlässiger zu produzierende Meeresstrom vom Norden in die südlichen Ballungszentren geleitet werden müsste, nach wie vor ungelöst ist. Stichwort Stromtrassen.
Ãœberparteilicher Klimapakt
Ziemlich peinlich, dass die Bundesrepublik in einer im Dezember veröffentlichten Untersuchung des Climate Action Tracker (CAT), einer unabhängigen wissenschaftlichen Web-Plattform, die die Klimapolitik von 36 Staaten in Hinblick auf die Erfüllung der Vorgaben des Pariser Klimaabkommens von Ende 2015 bewertet hat, mit der Note „hoch ungenügend" abgestraft wurde. Damit erhielt sie die gleiche Bewertung wie der weltgrößte Verschmutzer China. Nur die USA schnitten noch schlechter ab. Obwohl China mit seinem wachsenden CO₂-Ausstoß einen beträchtlichen Anteil am globalen Anstieg der Treibhausgasemissionen hat, bescheinigten die CAT-Autoren der Volksrepublik immerhin, dass seine Lenker die richtigen energiepolitischen Weichenstellungen eingeleitet hätten.
Denn China hat inzwischen den weltgrößten Markt für Windenergie aufgebaut, China ist globaler Spitzenreiter nicht nur bei Windanlagen auf dem Land, sondern auch offshore. Auch die Briten haben mithilfe des deutsch-spanischen Turbinenherstellers Siemens Gamesa vor der Küste Yorkshires eine gigantische Offshore-Anlage errichtet, die 2020 mit einer Kapazität von 1,2 Gigawatt zum weltgrößten Hochseewindpark aufsteigen wird. Und die Briten planen auch schon das nächste Mega-Projekt „Dogger Bank" mit gleich drei 1,2 Gigawatt-Windparks vor der Yorkshire-Küste – mit dem Ziel, Großbritannien bis 2050 klimaneutral zu machen.
Dänemark, das längst schon dank des spezialisierten Energiekonzerns Orsted, des renommierten Turbinenherstellers Vestas und der Nordsee-Offshore-Anlage Horns Rev 3 eine globale Offshore-Windmacht ist und 2018 als europäischer Spitzenreiter rund 41 Prozent seines Strombedarfs aus Windenergie decken konnte, steht also in Sachen Hochseewindparks keineswegs auf einsamem Posten da. Doch die Idee der Energieinsel, die von verschiedenen Unternehmen der Energiewirtschaft wie dem deutsch-niederländischen Übertragungsnetzbetreiber TenneT oder dem Konsortium North Sea Wind Power Hub entwickelt wurde, hat bislang noch niemand umgesetzt. Und die geplante Größe der Anlage wird mit einer Spitzenleistung von zehn Giga-Watt (wofür rund 1.000 Windräder benötigt werden) alles in den Schatten stellen, was bislang gebaut wurde. Zehn Millionen Haushalte könnten mit Strom versorgt werden, weitaus mehr als Dänemark mit seinen 5,6 Millionen Einwohnern benötigt. Daher könnten auch Nachbarn wie Schweden oder Deutschland mit dem grünen Strom beliefert werden.
Kosten für Windanlagen deutlich gesunken
Die Kosten für die Energieinsel, deren Standort derzeit zwischen Kattegat, Ostsee oder Nordsee noch sondiert wird, sollen sich auf 27 bis 40 Milliarden Euro belaufen. Der dänische Staat möchte sich dabei im Wesentlichen auf die Finanzierung der dafür benötigten Hochtechnologien beschränken, während der Großteil der Investitionen von privaten Kapitalgebern stammen sollte. Ein recht realistisches Szenario, da Offshore-Windparks als lukrative Investments gelten. Daher wurden als mögliche Geldgeber beispielsweise dänische Pensionsfonds ins Spiel gebracht, die
angesichts niedriger Zinsen händeÂringend nach besseren Anlagemöglichkeiten für ihre Milliardenrücklagen suchen. Auch ausländische Investoren können einsteigen.
Die Standortsuche und das Genehmigungsverfahren für die Energieinsel sollen bis spätestens 2021 abgeschlossen sein, danach soll zügig mit dem Bau begonnen werden. „Wir werden 2028 in unserem Stromnetz 100 Prozent erneuerbare Energien haben", so Dänemarks Klima- und Energieminister Dan Jorgensen gegenüber dem „Spiegel". Laut Jorgensen gebe es schon jetzt Hochseewindparks, die ganz ohne Subventionen auskommen und bereits billigeren Strom liefern könnten als Kohle- oder Atomkraftwerke. Das liegt daran, dass die Kosten der Anlagen dank der enormen technischen Fortschritte der letzten Jahre deutlich gesenkt werden konnten.
Viel spricht dafür, dass die Nordsee als Standort auserwählt wird. Dort kann man nicht nur auf verlässliche Winde vertrauen, auch der Boden ist weit draußen auf dem Meer noch relativ flach, was die Installierung einer künstlichen Insel erheblich erleichtern dürfte. Um diese Insel herum sollen die bis zu 200 Meter hohen Windräder errichtet werden. Angedacht ist, auf der Insel selbst Anlagen zu bauen, mit deren Hilfe der Windstrom in speicherbare Energieträger wie Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe oder Gas umgewandelt werden kann. Möglicherweise wird es aber auch nötig sein, diese sogenannten Power-to-X-Anlagen auf dem Festland zu errichten, wofür dann die gewonnene Energie mittels Unterseekabeln vom Meer herantransportiert werden müsste. „Diese Insel wird es möglich machen, erneuerbaren Strom im großen Stil umzuwandeln und die Energie zu speichern", erklärte Jorgensen gegenüber dem „Spiegel". Damit nicht genug. Jorgensen: „Offshore-Wind ist zentral für den grünen Wandel. Wenn wir das enorme Potenzial der Offshore-Energie ernsthaft nutzen wollen, müssen wir die Technologien von Morgen entwickeln, um den grünen Energieträger für Flugzeuge, Schiffe und die Industrie zu nutzen." Falls Deutschland Interesse an einer Kooperation haben sollte, wäre es durchaus machbar, das grüne Gas in das vorhandene Gasnetz einzuspeisen. Beim Wasserstoff würde sich hingegen wieder das leidige Energienetzwerk-Problem stellen.