Eine Legalisierung von Cannabis kommt für ihn nicht infrage: Stephan Kolling, Landesdrogenbeauftragter des Saarlandes und CDU-Politiker, hält nicht viel von den Argumenten für eine Freigabe. Gesundheitliche Bedenken stehen im Vordergrund.
Herr Kolling, was spricht gegen eine Legalisierung von Drogen, beispielsweise Cannabis?
Es gibt zwei Gründe gegen eine Legalisierung: rechtliche und gesundheitspolitische. Was viele nicht wissen ist, dass Deutschland ein Abkommen mit den Vereinten Nationen geschlossen hat, das deutlich sagt: Es kann keine Freigabe geben! Das müsste erst einmal aufgehoben werden. Aber was sollen die Vorteile einer Legalisierung sein? Von den Befürwortern wird oft vorgebracht, es schaffe Steuereinnahmemöglichkeiten und sorge für eine bessere Qualität, was die Konsumenten schütze. Dem möchte ich entgegenhalten. Eine Legalisierung hat keine Vorteile! Sie verführt mehr Menschen zum Konsum. Sie erhält weiterhin einen Schwarzmarkt. Die Erfahrungen in Kanada und in Uruguay haben deutlich gezeigt, dass eine legale Abgabe nicht heißt, dass jeder alles bekommt. Es gibt eine Abgabe bestimmter Mengen für Menschen ab 18 Jahren in Apotheken oder zertifizierten Abgabestellen. Das heißt im Umkehrschluss: Jugendliche profitieren davon nicht. Und für sie wird es einen Schwarzmarkt geben. Das oberste Primat des Jugendschutzes wäre durch eine Legalisierung nicht gewahrt.
Würde der Schwarzmarkt auch volljährige Konsumenten anziehen?
Ja. Weil die Preise dort deutlich niedriger sein werden als in den entsprechenden Abgabestellen. Die Erfahrungen aus Kanada zeigen: Es gibt weiterhin einen großen Schwarzmarkt, und es ist weiterhin schwer, eine ordentliche Qualität zu erhalten. Etwa ein Drittel des Bedarfs wird in den legalen Stores verkauft, zwei Drittel weiterhin auf dem Schwarzmarkt.
Wirtschaftlich würde der Staat also nicht profitieren?
Nein, solang es den Schwarzmarkt gibt, wird der Staat auch nicht durch Steuereinnahmen profitieren. Steuern können nur für einen Markt erhoben werden, der reglementiert ist und unter einer staatlichen Kontrolle steht. Das ist aber auch ein teurerer Markt als der Schwarzmarkt. Im Übrigen reden wir immer über Steuereinnahmen, Qualität und rechtliche Rahmenbedingungen. Wir reden aber nicht über die Gesundheitsbeeinträchtigungen. Es geht in der Drogenpolitik nicht um die Generierung neuer Einnahmen, sondern um das Verhindern von Erkrankungen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man auch noch einmal deutlich macht: Der Konsum harter Drogen, von Cannabis, aber auch von Alkohol, ist gesundheitsschädlich. Deswegen kann es nicht die Motivation sein, entsprechende Legalisierungsbemühungen zu unterstützen. Wir müssen aber nicht nur die Legalisierung harter Drogen und Betäubungsmittel verhindern, sondern auch breite Beratungs- und Präventionsangebote betreffend der legalen Suchtmittel anbieten, damit Menschen erst gar nicht dazu greifen.
Welche Auswirkungen hätte eine Legalisierung auf die Gesellschaft?
In Kanada hat es die Auswirkung, dass viel mehr Menschen nach diesen legalisierten Drogen greifen, die vorher keine Konsumenten waren. Wir wissen aber, dass viele Menschen, die Cannabis ausprobieren, auch eine Abhängigkeit entwickeln. Für diejenigen, die in eine Abhängigkeit geraten und die Gesundheitsschäden davontragen, entstehen auch für die Gemeinschaft höhere Kosten bei den Betreuungs- und Behandlungsangeboten. Das wäre auch eine Folge, mit der man gesamtgesellschaftlich leben müsste – wenn auch nicht im großen Maße. Je nachdem, wie Gesetze ausgearbeitet werden, kann es auch zu einem Tourismus kommen. In Luxemburg kam man daher zu dem Ergebnis: Abgabe nur an Inländer.
Schauen wir über die Landesgrenze: Wie beurteilen Sie denn die Entwicklungen in Luxemburg?
Es wird oft die Diskussion geführt, warum das Saarland nicht ähnlich wie Luxemburg versucht, die Legalisierung auf die politische Agenda zu nehmen. Ich glaube, hier zeigt ein ehrlicher Blick über die Landesgrenze, dass gerade diese Herausforderung in Luxemburg gescheitert ist. Ich habe Kontakt mit meinem Kollegen, Gesundheitsminister Etienne Schneider, aufgenommen, der ja das Ziel hatte, eine Legalisierung innerhalb dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Wir müssen jetzt in Luxemburg feststellen, dass man dort mit der Frage der Umsetzung nicht weitergekommen ist. Weder eine Verordnung, noch ein entsprechender Gesetzesentwurf wurden dem Ministerrat vorgelegt. Daher glaube ich, dass dieses Vorhaben der Luxemburger Regierung gescheitert ist. Ich finde es aber auch gut, dass man keinen Schnellschuss gewagt, sondern genau geschaut hat, wie die Entwicklung in Kanada verlief. Das wäre auch mein Petitum: Wir müssen schauen, wie sich diese Bemühungen der Legalisierung mittel- und langfristig entwickelt haben. Erst dann sollte politisch entschieden werden. Insofern sehe ich im Moment in Deutschland und im Saarland keinen Boden für die Legalisierungsdebatte.
Was halten Sie von der aktuellen Rechtslage in Deutschland?
Es geht hierbei ja auch um die Frage der Strafbarkeit. Das deutsche Strafrecht hat dort eine gute Lösung gefunden. Der Besitz kleiner Mengen – bis zu sechs Gramm – muss nicht strafrechtlich verfolgt werden. Das heißt: Dem Bürger ist klar, der Besitz könnte strafbar sein, aber die Behörden müssen keine Strafverfolgung durchführen. Ich halte das für einen guten repressiven Ansatz, weil jeder Bürger weiß, welche Gefahren drohen. Bei größeren Mengen ist klar, dass über den Eigenbesitz hinaus eine Strafbarkeit besteht. Es braucht in der Gesellschaft klare Vorgaben und Regeln, wie man mit Betäubungsmitteln umgeht, und ich glaube, die jetzige Rechtslage ist eine Gute. Daher verteidige ich sie auch.
Welche Gefahren sehen Sie, besonders junge Menschen betreffend?
Die wenigen Länder, die sich für eine Legalisierung entschieden haben, haben klar gesagt, dass es eine Abgabe erst für Menschen über 18 Jahren geben darf – auch bei Cannabis. Cannabis ist psychoaktiv und hat somit auch Auswirkungen auf die Gesundheit, die Psyche und die Entwicklung des Gehirns junger Menschen. Deswegen müssen wir alles dafür tun, auf die Gefahren aufmerksam zu machen und Menschen in der Selbstbestimmung so stark zu machen, dass sie mit diesen Gefahren auch umgehen können. Hier sind auch die Elternhäuser und die Schulen gefordert. Hier ist Gesellschaft insgesamt gefordert. Deswegen können wir Drogenberatung und Drogenaufklärung nur gemeinsam vorantreiben. Das beginnt im Elternhaus und setzt sich über die Gesundheitsbehörden fort.
Wie könnte man den Jugendschutz also gewährleisten? Gerade auch bei legalen Suchtmitteln?
Da gibt es zwei Ansätze. Der eine ist, Verantwortungsbewusstsein zu stärken. Reine Verbote sind nicht immer von Nutzen. Man muss aber über die Risiken und darüber, welche Gesundheitsschädigungen man sich selbst durch Konsum zufügt, informiert sein. Deswegen sind Aufklärung und Beratung wichtig, und deswegen ist es auch wichtig, dass Werbung zum Schutz der Jugend verboten wird. Das betrifft auch Tabakkonsum, E-Zigaretten, Alkohol und andere Drogen. Werbung hat hier nichts verloren. Das zweite ist die gesellschaftliche Debatte, die wir führen müssen. Es ist nicht alles cool, was möglich ist. Man muss auch schauen, wie sich ein Staat auf so etwas einstellt. Was verbietet er? Wo muss er auch gesellschaftspolitisch Verantwortung zeigen?
Als „cool“ zählen auch cannabishaltige Beauty- und Pflegeprodukte. Wie stehen Sie dazu?
Hier geht es nicht um den Wirkstoff THC, sondern um CBD, sozusagen die – in Anführungsstrichen – gesunden Wirkstoffe von Hanf. Dennoch glaube ich, dass auch hier Vorsicht und Besonnenheit geboten sind, wenngleich es jedem frei steht, bei CBD-Produkten seine autonome Kaufentscheidung zu treffen. Es gibt da einen starken, gewinnorientierten Markt mit viel Marketing und viel Lifestyle. Der kritische Verbraucher sollte sich – insbesondere bei Nahrungsergänzungsmitteln, die für viel Geld auf den Markt geworfen werden, – sehr genau anschauen, welche Inhaltsstoffe diese Produkte haben und welche Wirkung versprochen wird. Hier gilt der Grundsatz: Safety first, denn nicht alle Produkte sind ungefährlich. Positiv sehe ich lediglich ärztlich verordnete Mittel, die Vorteile für die kurative Behandlung bieten.