Alle wollen hohe Qualität – und möglichst wenig dafür bezahlen. Das ist auch eine Mentalitätsfrage, meint der Präsident des saarländischen Bauernverbandes, Peter Hoffmann. Bauern wollen immer höhere Vorgaben erfüllen, aber gleichzeitig auch überleben. Ein Dilemma.
Herr Hoffmann, Sie als Präsident des Bauernverbandes Saar haben sicher oft mit neuen Verordnungen und Richtlinien zu kämpfen. Wer lenkt die deutsche Agrarpolitik, der Bund oder die EU?
Die meisten Richtlinien kommen von der EU. Dann geht es auf die Ebene der Mitgliedsstaaten und der Bundesländer runter. In Deutschland wird gerne noch eine Schippe draufgelegt und beispielsweise in etwas mehr Tierwohl investiert. Auch das Land kann eigene, meistens freiwillige Programme auflegen und zum Beispiel vorschlagen, einen Teil unserer Fläche in Blühfläche anzulegen. Dafür gibt es pro Hektar finanzielle Anreize.
Deutlich höhere Förderung gibt es bei der Umstellung auf ökologischen Landbau, weil die Betriebe es einfach brauchen. Eine solche Umstellung wird durch Landesprogramme kofinanziert. Unser Umweltminister Reinhold Jost sagte schon öfters, dass wir in diesem Bereich in der Champions League mitspielen. Mit knapp 20 Prozent haben wir im Saarland mitunter den höchsten Anteil an ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen. Zum Vergleich liegt der Bundesdurchschnitt beim Öko-Anteil unter acht Prozent. Obwohl im Moment auch eine gewisse Sättigung am Markt zu sehen ist.
Im Bio-Bereich?
Ja. In vielen Bereichen der Bio-Produktionen wird von den Abnehmern geraten den Betrieb erst dann umzustellen, wenn man schon feste Abnehmer hat. Die Molkereien beispielsweise werden momentan einfach nicht mehr Bio-Milch loswerden, als sie jetzt schon haben. Dabei hätten einige Betriebe Interesse ihre Produktion auf Bio umzustellen.
Die Begeisterung für Bio-Produkte wird doch immer größer …
Was Bio-Lebensmitteln etwas Aufschwung gegeben hat, waren die Discounter. Produkte mit Bioland-Siegel gab es vorher beispielsweise nur im Bioladen zu kaufen, und dann tauchten sie plötzlich in den Regalen von Lidl und Aldi auf. Einige sahen darin eine gute Chance auf Menge zu kommen. Die Fundamentalisten meinten dagegen, dass sie sich mit dem Verkauf ihrer Ware an die Discounter prostituieren würden. Das hat den Verband fast zerrissen.
Es kommt aber auch auf die Produkte an. Gemüse, Obst und Müsli werden beispielsweise gerne gekauft. Da ist sogar noch Luft nach oben. Dazu muss man aber auch sagen, dass die Preise in diesem Bio-Bereich vergleichsweise günstig bleiben. Fleisch wird dagegen schnell doppelt oder dreifach so teuer gehandelt wie konventionelle Ware. Das will und kann sich natürlich nicht jeder leisten. Muss man aber auch nicht. Das Schlimmste für ökologische Anbauer wäre es, sich preislich an konventionelle Betriebe anzunähern. Das könnten sie wirtschaftlich gar nicht tragen. Einer meiner Präsidentenkollegen aus Brandenburg, der einen großen Bio-Betrieb führt, hat mir die Tage erzählt, dass er bereits zum zweiten Mal seine Roggen-Ernte konventionell vermarkten musste, weil er keinen Abnehmer für seine Bio-Ware gefunden hat. Gleichzeitig würde aus der Ukraine Bio-Getreide in Qualitäten kommen, die er in Brandenburg auf seinen Sandböden gar nicht hinbekommt. Auch hier gibt es mittlerweile internationale Konkurrenz.
Sind die Verbraucher nicht bereit, mehr Geld für bessere Qualität auszugeben?
Wir Deutsche geben knapp zehn Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel aus. In Frankreich herrscht dagegen ein anderes Bewusstsein für Lebensmittel. Sie geben mehr Geld dafür aus und sind auch bereit, zehn Euro pro Kilo für ein Masthähnchen zu bezahlen. Das wäre in Deutschland gar nicht denkbar. Wenn das Hähnchen im Angebot ist, Tiefkühlhähnchen für 1,99 Euro, wird es gekauft. Weil es billig ist. Und dann spielt es keine Rolle, mit was es gefüttert wurde, oder wie es aufgewachsen ist.
Hier zeigt sich unsere gesellschaftliche Diskrepanz. Auf der einen Seite werden seitens der Verbraucher viele Forderungen an uns gestellt: Mehr Lebensqualität und Wohlergehen für Nutztiere, höhere Standards, mehr Auflagen. Das wäre auch vollkommen in Ordnung, wenn auf der anderen Seite nicht die Einsicht fehlen würde, dass diese Forderungen nur mit einem höheren Preis an der Ladentheke einhergehen können. Wenn ich etwas mehr haben möchte, muss ich auch bereit sein, dafür etwas mehr hinzulegen. Und das ist ein bisschen das Dilemma, in dem wir alle drinstecken.
Bestimmen also die Verbraucher die Preise?
Das ist eine ganz einfache Preisfindung, die am Markt stattfindet. Wenn wir Milch an die Molkerei verkaufen, wissen wir an dem Tag gar nicht, was wir dafür bekommen werden. Sie wird erst einen Monat später abgerechnet. Dazu kommen noch Ab- oder Zuschläge und die Mehrwertsteuer. Anschließend wird die Milch in der Molkerei zu allen möglichen Produkten verarbeitet und entweder direkt zum Lebensmitteleinzelhandel geliefert, oder sie gelangt über einen Zwischenhändler in den Verkauf. Natürlich möchte auch jeder etwas daran verdienen. Daraus errechnet sich dann der Preis, der uns gezahlt wird wie beispielsweise 31 Cent pro Liter Basisqualität.
Dabei sind die Preise nicht der einzige Grund für die Unzufriedenheit der Landwirte. Erst kürzlich gab es wieder Proteste …
Ja, zusätzliche Auflagen, das Agrarpaket und die Düngeverordnung brachten das Fass zum Überlaufen. (Nach EU-Recht dürften im Grundwasser maximal 50 Milligramm Nitrat pro Liter enthalten sein. In Deutschland wird dieser Grenzwert an vielen Messstellen überschritten. Das betrifft vor allem Messstellen in landwirtschaftlichen Gebieten, Anm. d. Red.). Wir alle sind von sauberem Grundwasser abhängig, und wenn die Landwirtschaft der Verursacher dieser Missstände ist, muss sie auch dafür Sorge tragen, dass es abgestellt wird. Jetzt geht es um das Wie und Warum.
Und hier gibt es viele politische Anregungen, die absolut nicht praxistauglich sind und an verschiedenen Stellen den eigentlichen Zweck, also den Grundwasserschutz, fast konterkarieren. Daran hat sich der Streit entzündet. Der Lösungsweg sollte mit uns zusammen gefunden und nicht von oben aufgezwungen werden.
Und wenn man es ganz grundsätzlich nimmt: Wie sieht die landwirtschaftliche Situation im Saarland aus?
In der Landwirtschaft unterscheiden wir zwischen begünstigten und weniger begünstigten Regionen. Das Saarland gehört zu fast 96 Prozent zu den sogenannten benachteiligten Gebieten. Das liegt an der Qualität unserer Böden und der Topografie im Saarland. In anderen Bundesländern beispielsweise ist der Boden fruchtbarer und das Gelände nicht so hügelig. In solchen Fällen ist es natürlich auch leichter Landwirtschaft zu gestalten, als in unserer Mittelgebirgslandschaft, wo es mal hoch und mal runter geht. An vielen dieser Stellen ist beispielsweise nur Grünland möglich und kein Ackerland. Deshalb arbeiten wir auch sehr extensiv im Saarland.
Was unsere Getreideerträge anbelangt, sind wir beispielsweise im unteren Drittel und des Öfteren auch am Ende der Ertragsskala in Deutschland.
Ein weiterer Punkt sind die klimatischen Bedingungen und Witterungsverhältnisse. Wir hatten zwei Trockenjahre, wie jeder weiß. Jetzt haben wir seit Herbst das genaue Gegenteil. Bei uns fällt gerade so viel Niederschlag, was in anderen Orten im ganzen Jahr nicht zusammenkommt. Das erschwert die Situation.
Macht es dann überhaupt noch Spaß, Bauer zu sein?
Ich habe es mir so ausgesucht und könnte mir auch nichts anderes vorstellen. Die Frage, die sich stellt: Würde ich es meinen Kindern empfehlen …
Wenn wir die Landwirtschaft in Deutschland gänzlich einstellen, werden die Regale nicht leer werden. Das würde der Weltmarkt schon irgendwie auffangen. Aber dann müssten wir wissen, dass es von außen kommt und vermutlich nicht den Standards entspricht, die wir heute haben. Das muss man dann akzeptieren.