Und plötzlich sind alle Aufträge weg. Einfach so. Zumindest der allergrößte Teil. Wie so viele andere hat mich die Corona-Krise ziemlich kalt erwischt. Als freiberuflicher Journalist bin ich einer der zahlreichen Solo-Selbstständigen, der die Soforthilfe beantragt hat.
Etwa 2,25 Millionen gibt es davon in Deutschland: Licht- und Tontechniker, Zauberer, Musiker, Maler. Der allergrößte Teil davon setzt nun Hoffnung auf die Hilfspakete aus Land und Bund. Die wurden mit Beginn der Krise auch direkt angekündigt und klangen auch erst mal vielversprechend. Offensichtlich wurde jedoch bei der Kommunikation so manche Schludrigkeit betrieben. Das bemerke ich im Grunde bei jedem Gespräch, dass ich derzeit führe.
Wie zum Beispiel mit Matthias Bromba, einem befreundeten Freiberufler. Als Dozent in Integrationskursen stellt er seine Arbeitskraft der Volkshochschule des Regionalverbandes Saarbrücken zur Verfügung. Mit einer Kollegin zusammen betreut er zwei Kurse an vier bis fünf Tagen die Woche. Dort können zum Beispiel Flüchtlinge den B2-Kurs in Deutsch ablegen. Auch er wurde vom Coronavirus vor vollendete Tatsachen gestellt: Mit den Schulschließungen ab dem 16. März mussten auch die Volkshochschulen ihre Pforten zumachen. Er hat seitdem tatsächlich gar keine Aufträge mehr. Bis zum 26. April (Stand: 16. April, Anm. d Red.) bleibt das auch mindestens so.
Das sei noch einigermaßen zu verkraften, meint Matthias, da diese Zeit ohnehin in die Osterferien fällt, die Schulen zu wären: „Der April ist eh ein schlechter Monat." Doch wie sieht es danach aus? Ministerpräsident Tobias Hans ließ beim Saarländischen Rundfunk verlauten, dass es nicht möglich sein werde, dass das Schulleben „sofort normal beginnt". Wenn es für Matthias ganz dumm läuft, ist in den Volkshochschulen also im Mai ebenfalls kein Unterricht – und ab dem 6. Juli sollen bereits die Sommerferien beginnen.Zwei drittel der honorare fehlen
Zwei Drittel der Honorare fehlen
Für mich selbst läuft es auch gerade dumm. Die Berichterstattung auf lokaler Ebene einer saarländischen Tageszeitung liegt sozusagen auf Eis. Im Regelfall besteht diese aus „Termin-Journalismus": eine Schule oder ein Kindergarten führt ein Theaterstück auf, ein Verein feiert Jubiläum – derzeit ist das alles obsolet. Dieser fehlende Teil wäre finanziell auch noch zu stemmen. Was in meiner Situation „richtig reinhaut", ist jedoch das Wegfallen der redaktionellen Betreuung von Sonderbeilagen ebenjener Tageszeitung im Auftrag eines Dienstleisters. Diese werden derzeit kaum produziert, da sie vom Volumen der geschalteten Anzeigen abhängen. Wer möchte schon Werbung machen, wenn sein Geschäft geschlossen ist? Insofern bricht hier insgesamt einiges weg, geschätzt bis zu zwei Drittel an Honoraren.
Das Aufatmen war also groß, als die Landesregierung das Soforthilfe-Paket ankündigte. Laut erster Kommunikation, wie ich – und offensichtlich auch viele andere – sie verstand, waren für Freiberufler und Solo-Selbstständige 3.000 Euro vorgesehen; steuerfrei, sofort. Diese Summe solle drei Monate abdecken, also im Schnitt pro Monat 1.000 Euro. Das würde immerhin einiges abfangen, zumal ja noch das Bundes-Paket hinzukommen sollte. Hier war im Anfangsstadium kommuniziert worden, dass der Bund den Hartz-IV-Satz von 432 Euro pro Monat plus Mietkosten übernehmen würde. Das klang für mich wie ein guter Rettungsschirm.
Und tatsächlich schien sich die Politik richtig ins Zeug zu legen. Schon kurz nach den ersten Schließungen folgte im Landtag die Diskussion über die Soforthilfe und wurde am Dienstag, 24. März, verabschiedet. Das angenehm spartanisch gehaltene Formular ging abends noch online. Am Mittwoch füllte ich es aus, wollte jedoch noch die Debatte im Bundestag über die Bundesmittel am gleichen Tag abwarten. Am Donnerstagmorgen reagierte ich – und offensichtlich auch viele andere – überrascht, als ein neues Formular angekündigt und im Netz eingestellt wurde. Vereinfacht sollte dieses sein, was wohl aber jemand vergessen hatte, dem zuständigen Verfasser zu sagen.
Generell lief seitdem die Kommunikation äußerst unglücklich ab. Dass man beispielsweise Stundungen bei der Finanzbehörde formlos beantragen könne, scheint nicht richtig zu sein. Matthias Bromba beispielsweise wurde auf ein im Internet zu findendes Formular verwiesen. Ein Kontakt zu einer Bank zwecks Kreditaufnahme schien mir – und offensichtlich vielen anderen – als nicht zweckdienlich, da man damit das Problem ja nur verschleppt und man sich im schlimmsten Fall mit unnötigen Zinsen verschuldet. Matthias möchte sich diese Option offenhalten, wenn alle Stricke reißen. Überhaupt sollte die Soforthilfe auch nur fließen, wenn man Liquiditätsprobleme hat. Nun können Freiberufler wie wir schon von unserer Arbeit leben, mal mehr, mal weniger, aber selten wirkliche Rücklagen bilden. So fragten wir uns beide: „Bis wann ist man liquide?"
Langfristige Auswirkungen für Künstler
Auch scheint seit dem Absenden der Anträge bei den meisten nicht viel passiert zu sein. Da muss man lediglich in die Facebook-Kommentarspalten der Liveübertragung der Pressekonferenz von Saarland.de von Anke Rehlinger und Tobias Hans vom 8. April schauen. Zahlreiche Zuschauer kritisieren, dass bislang nur die Eingangsbestätigung des Antrags eingegangen sei. Auch bei Matthias und mir ist bis zu diesem Datum nichts weiter passiert. Eine zugegeben kaum repräsentative Stichprobe bei bekannten und befreundeten Selbstständigen ergibt das gleiche Bild. Mein Gitarrenlehrer, der unter anderem ebenfalls bei der VHS doziert und etwa zeitgleich mit mir Mittel beantragte – nichts. Ein Mitunternehmer einer Sprachschule schickte das Formular noch früher als ich ab – nichts. Die Inhaberin eines Planungsbüros nutzte die Möglichkeit, Mittel beim Bund zu beantragen – sie hat ebenfalls noch nichts gehört.
Nun wurden im Saarland einen Tag nach Freischaltung bereits rund 4.000 bis 5.000 Anträge abgegeben. Das war auch in dieser Menge zu erwarten. Das Wirtschaftsministerium wollte diese nach eigenen Angaben mit einem Sonderstab von rund 40 Mitarbeitern abarbeiten; bereits ab Montag nach Freischaltung sollten erste Mittel geflossen sein. Wenn ein Mitarbeiter 20 Anträge täglich bearbeitet, käme der Stab auf 800 pro Tag. Somit wären die ersten eingesandten Anträge in fünf Tagen bearbeitet. Ich denke, das ist sehr positiv gerechnet.
Tatsächlich hat das Saarland nach Angaben des Wirtschaftsministeriums mittlerweile mehr als 13.000 Anträge seit 24. März erhalten, 12.000 davon positiv, bei vielen ist das Geld schon unterwegs. Dennoch gibt es vor allem in der Künstlerbranche Redebedarf. In einer bundesweiten Studie hat der Verband der Kreativförderer (PCI) über 6.600 Kultur- und Kreativschaffende zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre selbstständige Tätigkeit befragt. Darin wird klar: Die Krise hat weitreichende Wirkung und langfristige Auswirkungen: die erste, der jähe Auftragseinbruch, soll mit Landes- und Bundesmitteln aufgefangen werden. Vor allem Berufe rund um Großveranstaltungen, von der Musikerin bis zur Tontechnikerin, werden mit erheblicher Verspätung im Vergleich mit der Restwirtschaft wiedereinsteigen können: Großveranstaltungen bleiben weiterhin verboten, und bis neue Veranstaltungen mit ihrem teils aufwendigen Vorlauf stattfinden können, vergeht wiederum sehr viel – auftragslose – Zeit. Auch wird sich eine schlechte wirtschaftliche Gesamtlage zwangsläufig auch auf Kreativberufe auswirken, so die Ergebnisse der PCI-Befragung. Rund die Hälfte der Befragten haben beziehungsweise rechnen mit Umsatzeinbußen von über 30 Prozent. Jeder Fünfte rechnet sogar mit Umsatzverlusten von über 50 Prozent bezogen auf den Jahresumsatz.
Immerhin kann ich mittlerweile etwas durchatmen. Am 11. April kam Post mit einem positiven Bescheid des Ministeriums, am 14. April fand ich die Soforthilfe auf meinem Konto.
Mein Gitarrenlehrer und Matthias warten bis heute.