Krankenschwestern, Pflegekräfte, Verkäuferinnen, Feuerwehrleute: Sie sind in der Corona-Pandemie die „Helden des Alltags". Ob das auch längerfristig das gesellschaftliche Ansehen dieser Berufe und ihre Bezahlung ändert, ist dennoch fraglich.
Ein leckeres von Sterneköchen zubereitetes Mittagessen aus regionalen Zutaten statt langweiliger Kantinenverpflegung. Abendlicher Balkonapplaus und spontane Ständchen sowie die Ankündigung von teilweise vierstelligen Bonuszahlungen. Jahrelang haben Krankenschwestern und Altenpfleger, aber auch Kita-Erzieherinnen, Rettungssanitäter oder Supermarktverkäuferinnen nicht mal einen Bruchteil dieser Aufmerksamkeit, dieser wahren Wertschätzungswelle erfahren. Doch seit das Coronavirus den Alltag weltweit im Griff hat, ist klar, dass viele Berufsgruppen, die normalerweise kein besonders großes Renommee genießen, jetzt die systemrelevanten sind. Schließlich kämpfen Krankenschwestern und -pfleger zum Teil unter erheblichem Ansteckungsrisiko an vorderster Front gegen Covid-19, schließlich ist die Versorgung bettlägeriger oder dementer Bewohner von Altenpflege-Einrichtungen durch die Hygiene-Auflagen noch schwieriger und anstrengender geworden. Denn Sanitäter müssen Corona-Verdachtsfälle schnell ins Krankenhaus transportieren, dabei oft genug die Sorge ausschalten, sie könnten den Patienten in der Eile vielleicht doch zu nah gekommen zu sein, sich angesteckt haben. Und die sonst so wenig beachteten Verkäuferinnen in den Supermärkten sorgen ein ordentliches Stück mit dafür, dass der Alltag trotz der Einschränkungen der vergangenen Wochen in erstaunlich geordneten Bahnen weiter laufen konnte.
Kein Wunder, dass es landauf, landab momentan zum guten politischen Ton gehört, all diesen „Helden des Alltags" nicht nur wiederholt zu danken, sondern auch ganz praktische Verbesserungen in ihrem momentanen Arbeitsalltag und vor allem eine höhere Vergütung in Aussicht zu stellen. Erst in der vergangenen Woche kündigte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ein Förderprogramm in Höhe von zehn Millionen Euro an, mit denen Pflegekräfte bei der Anmietung eines Leihwagens für den Weg von und zur Arbeit unterstützt werden sollen. Man wolle so den Menschen, die in systemrelevanten medizinischen Einrichtungen wie Kliniken, Pflegestationen oder Corona-Testlaboren arbeiteten, schnell und unbürokratisch helfen, so der Minister.
Bereits Anfang April hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder eine Bonuszahlung an die Pflegekräfte in seinem Bundesland in Höhe von 500 Euro angekündigt. Die Pflegevereinigung Bayerns kommentierte, das könne „gerade mal der Anfang sein". Und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller schlug erst kürzlich vor, die letztes Jahr beschlossene eigentlich ab November 2020 geltende Berlin-Zulage für Landesbedienstete in Höhe von 150 Euro monatlich „noch einmal zu überarbeiten". Auch als Reaktion auf einen ersten Vorstoß Anfang April – da hatte der Regierende zunächst Bonuszahlungen in Höhe von 150 Euro für die Mitarbeiter der Uniklinik Charité und der Vivantes-Krankenhäuser angekündigt – also für die Angestellten der kommunalen Krankenhäuser. Schnell meldete sich die Berliner Krankenhausgesellschaft zu Wort – sprach von Ungleichbehandlung. Schließlich gebe es in Berlin etwa 60 Krankenhäuser, auch in privater, kirchlicher, gemeinnütziger Trägerschaft. Die momentan alle ihren Teil zur Bewältigung der Krise leisteten.
Applaus allein ist zu wenig
Nun also hat Berlins Regierender Bürgermeister nachgelegt. Will auch Mitarbeiter in Kliniken, Arztpraxen, Sozialeinrichtungen, Laboren, Supermärkten, Apotheken, Drogerien, bei Polizei und Feuerwehr, der Strom- und Wasserversorgung, der Müllentsorgung, dem öffentlichem Nahverkehr und wichtigen Bereichen der Verwaltung in den Genuss der Zahlung kommen lassen.
Ein Vorschlag, der in der rot-rot-grünen Berliner Regierungskoalition für reichlich Skepsis sorgt, und der umgehend Kritiker auf den Plan gerufen hat. Andreas Splanemann etwa von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nannte „die Verteilung von Geldgeschenken nach dem Füllhornprinzip" ungünstig und befürchtet, dass es so zu Ungerechtigkeiten kommen könne. Eine Einschätzung, die in den sozialen Netzwerken wie Twitter schon lange geteilt wird. Wo auch Krankenschwestern und -pfleger, die an Häusern in nicht kommunaler Trägerschaft tätig sind, ihren Unmut darüber äußern, dass finanzielle Anerkennung in Form von Bonuszahlungen per Gießkanne ausgeteilt wird.
Überhaupt, so der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), reiche es nicht, in der Krise zu applaudieren und Prämienzahlungen in Aussicht zu stellen. Generell müsse sich Anerkennung in der Bezahlung sowie in guten Arbeitsbedingungen niederschlagen. Doch von einer langfristigen Änderung – der DBfK schlägt beispielsweise ein Brutto-Einstiegsgehalt für Pflegefachpersonal von 4.000 Euro vor – scheint man auf Arbeitgeberseite und in der Politik noch meilenweit entfernt. Stattdessen gibt es weiter Streit um die Finanzierung der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zugesagten Corona-Sonderprämie für Personal in der Altenpflege. Von 1.500 Euro pro Mitarbeiter war die Rede –
summieren würde sich das insgesamt auf etwa eine Milliarde Euro. Die Krankenkassen wehren sich bislang gegen die geplante Finanzierung durch die Pflegeversicherung. Schon jetzt ist klar, sollten sich Länder, Arbeitgeber und Pflegekassen nicht auf eine faire Kostenverteilung einigen können, dann würden wohl die Lasten auf die Pflegebedürftigen über höhere Zuzahlungen abgewälzt.
Strukturen der Abwertung
Bei so viel Gerangel um die Finanzierung der Prämien, bei dem bundesweiten Flickenteppich von Bonusvorschlägen, kann wohl noch nicht von einer wirklichen Anerkennung der geleisteten Arbeit in den systemrelevanten Berufen die Rede sein. Ob es in absehbarer Zeit deutliche Veränderungen – mal abgesehen von dem jetzt auf 15 Euro pro Stunde angehobenen Mindestlohn in der Pflege – geben wird?
Da ist auch Dr. Heike Pantelmann vom Margherita-von-Brentano-Zentrum der Freien Universität Berlin skeptisch. Sie sieht davon vor allem Frauen betroffen – sie machen etwa zwei Drittel aller Arbeitskräfte in den jetzt systemrelevanten Bereichen aus. Es gebe eine lange Tradition, diese eher schlecht bezahlten Tätigkeiten als Haushaltszuverdienst zu betrachten – das „drückten auch steuerliche, sozialpolitische oder Arbeitsmarktmaßnahmen aus wie zum Beispiel das Ehegattensplitting oder 450-Euro-Jobs. Die Strukturen der Abwertung und Geringschätzung seien hartnäckig – die jetzige Krise könne aber der Beginn einer langfristigen Änderung sein.