Ein neuer Antikörper revolutioniert derzeit die Therapie-Möglichkeiten bei Entzündungen der Nasennebenhöhlen. Er soll jedoch zunächst nur Schwerstkranken vorbehalten bleiben. Denn die Kosten für das Medikament „Dupixent" sind enorm.
Rund jeder zehnte Deutsche leidet an einer dauerhaften/chronischen oder immer wiederkehrenden Entzündung der Nasenschleimhaut. Wenn diese dann anschwillt, kommt es zu einem Zuschwellen und einer daraus resultierenden Verstopfung der kleinen Verbindungskanälchen zwischen Nase und Nasenhöhlen. Wodurch der von den Schleimhautzellen kontinuierlich produzierte Sekretfilm nicht mehr in ausreichendem Maße über Nasenhöhle und Rachen abfließen kann. Das gestaute Sekret bildet einen idealen Nährboden für Krankheitserreger und führt letztlich zu einer Nebenhöhlenentzündung, die hierzulande längst zu einer Volkskrankheit geworden ist. Die Entzündung kann noch schwerer ausfallen, wenn sich zusätzlich Nasenpolypen gebildet haben. Dabei handelt es sich um die Atmung und das Riechvermögen beeinträchtigende gutartige Schleimhautwucherungen in Nase und Nasenebenhöhlen. Bislang beruhte die Behandlung einer hartnäckigen Nebenhöhlenentzündung, die im medizinischen Fachjargon als „Sinusitis" bezeichnet wird, im Wesentlichen auf zwei Säulen: einer Stufentherapie mit Cortison und, falls diese nicht ausreichend wirksam war, einer nachfolgenden Operation, die aber nicht immer eine dauerhafte Erfolgsgarantie versprechen konnte. Nun gibt es ein neues Wundermittel mit dem Handelsnamen „Dupixent", das hierzulande bereits für die Behandlung mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis und schweren Asthmas zugelassen ist. Seine Wirksamkeit konnte jüngst auch zur Behandlung von Erwachsenen mit chronischer Rhinosinusitis samt Nasenpolypen (Abkürzung: CRSwNP) durch zwei Placebo-kontrollierte Studien „Sinus-24" und „Sinus-52" eindrucksvoll nachgewiesen werden. Es wurde daher als Zusatztherapie für genau diese Erkrankung im vergangenen Sommer in den USA und im Herbst auch in der EU zugelassen.
Dupixent hatte in beiden Studien die wichtigsten Krankheitssymptome signifikant gesenkt, die Zahl der Polypen erheblich reduziert, Nasenverstopfung und Riechvermögen verbessert sowie den Bedarf an chirurgischen Eingriffen um 83 Prozent und bei Cortison um 75 Prozent drastisch verringert. Insgesamt wurde der Antikörper von den Probanden gut vertragen, es gab lediglich gewisse Irritationen rund um die Injektionsstelle, die Probanden erhielten alle zwei Wochen eine Spritze.
Zur begrifflichen Klärung: Auch wenn der Begriff „Sinusitis" viel gebräuchlicher ist, so liegt in den meisten Krankheitsfällen korrekterweise doch eine „Rhinosinusitis" vor, weil außer den Nasennebenhöhlen – lufthaltigen Hohlräumen, deren biologischer Nutzen der Wissenschaft noch immer Rätsel aufgibt – auch die „Rhinitis" getaufte Nasenschleimhaut mit entzündet ist. Im Unterschied zu einer akuten Rhinosinusitis, bei der die Beschwerden im Schnitt bis zu drei Wochen andauern, aber mehrmals im Jahr wiederkehren können, spricht man von einer chronischen Rhinosinusitis (CRS), wenn die Erkrankung mehr als zwölf Wochen anhält. In Europa sind etwa elf Prozent der Bevölkerung von CRS betroffen, unter dem noch schlimmeren, die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit noch drastischer reduzierenden und häufig zusätzlich mit Begleiterkrankungen wie Asthma oder Allergien verbundenen CRSwNP leiden zwei bis vier Prozent aller Europäer. Laut aktuellen Angaben der „Apotheken Umschau" wird inzwischen jeder siebte Deutsche mindestens einmal im Jahr von einer akuten Rhinosinusitis heimgesucht.
Der im Medikament Dupixent enthaltene Wirkstoff Dupilumab zählt zur neuen Klasse der sogenannten Biologika. Dabei handelt es sich um biotechnologisch hergestellte Proteine, in denen die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) eine „sinnvolle und dringend benötigte Ergänzung zur etablierten Therapie" sieht. Vor zwei Jahren wurden sie auf der Jahrestagung eben jener Gesellschaft sogar als „die Revolution schlechthin in der Behandlung von chronisch-entzündlichen Erkrankungen" bezeichnet.
Der Wirkstoff Dupilumab wird als „Revolution schlechthin" bezeichnet
Vereinfacht ausgedrückt können die verschiedenen Biologika den Entzündungsmechanismus in der Schleimhaut an ganz bestimmten Stellen blockieren. Dadurch können sie die ständige Kaskade der Erkrankung, die heute dem allergischen Formenkreis zugerechnet wird, weil an ihrer Entstehung Immunzellen und Botenstoffe beteiligt sind, durchbrechen. Zusätzlich können sie das Nachwachsen von Polypen unterbinden, die bislang nach der gängigen medikamentösen Behandlung oder nach der operativen Entfernung häufig wieder nachwachsen. In den meisten Fällen liegt bei der Erkrankung CRSwNP, ähnlich wie bei Asthma, eine spezielle Überreaktion des Immunsystems vor, für die unter anderem bestimmte körpereigene Botenstoffe verantwortlich sind. Und genau diese Überreaktion verspricht der Wirkstoff Dupilumab, bei dem es sich um einen sogenannten monoklonalen Antikörper handelt, auszubremsen, indem er als Immuntherapeutikum die entzündungsfördernden Botenstoffe, nämlich die Proteine oder Zytokinen IL-4 und IL-13, blockiert und deren Signalwege einschränkt.
Damit könne Dupilumab laut der DGHNO-KHC stark betroffenen Patienten, denen die gängigen Therapien nicht helfen konnten, neue Hoffnungen schenken: „Es handelt sich dabei um einen therapeutischen Antikörper, der gezielt die allergietypischen Botenstoffe des Immunsystems blockiert – quasi ein Präzisionsinstrument." Das aber laut den Experten dieser Gesellschaft nur „besonders schwer betroffenen Patienten mit kompliziertem Verlauf vorbehalten" bleiben soll, während für alle anderen Betroffenen weiterhin Cortison und eventuelle Operation die Therapien erster Wahl bleiben sollen. Den Krankenkassen dürfte diese angeratene Einsatzbeschränkung des verschreibungspflichtigen Medikaments Dupixent sicherlich gefallen. Denn dessen Kosten sind astronomisch hoch, im Internet kosteten zum Beispiel sechs Spritzen 4.645 Euro. Es fanden sich jedoch auch Angaben, wonach der Jahrespreis bei rund 20.000 Euro liegen könnte.
Für den Hersteller Sanofi dürfte Dupixent jedenfalls so etwas wie eine Goldgrube werden, globale Marktanalysten rechnen für den neuen medizinischen Blockbuster bis 2025 mit einem Jahresumsatz von rund 5,6 Milliarden Euro. Allerdings gehen Experten wie Prof. Claus Bachert vom Universitätsklinikum im belgischen Gent davon aus, dass Sanofi in den kommenden Jahren Konkurrenz bekommen wird, weil voraussichtlich weitere Pharmaunternehmen neue Antiköper-Produkte auf den Markt bringen werden. Derzeit seien schon Antikörper wie Mepolizumab (Handelsname: Nucala), Benralizumab (Handelsname: Fasenra) und Omalizumab (Handelsname: Xolair) in der Testphase als künftige Alternativen zu Dupilumab/Dupixent.
Mit 5,6 Milliarden Euro Jahresumsatz wird für Dupixent bis 2025 gerechnet
Womöglich halten die Ärzte auch deshalb an der Operations-Option fest, weil diese zu den häufigsten Eingriffen in deutschen HNO-Kliniken zählt und daher für einen regelmäßigen Geldfluss sorgt. Auch wenn sich auf der schon angesprochenen Jahresversammlung der DGHNO-KHC 2018 einer der Hauptredner so weit vorgewagt hatte, dass er neben „einer Verbesserung der Symptome der Patienten" auch eine künftige Einsparung von Operationen dank der neuen Biologika für möglich gehalten hatte: „Durch diese individualisierten Behandlungsoptionen könnte künftig das Prinzip der ‚personalisierten Medizin‘ auch für die CRS realisiert werden." Sprich für sämtliche chronischen Rhinosinusitis-Fälle, was allerdings derzeit noch Zukunftsmusik sein dürfte.
Auf absehbare Zeit dürfte bei CRS daher weiterhin das Cortisonspray das Medikament erster Wahl bleiben. „Es kann entzündliche Prozesse und die Polypenbildung hemmen, die Schleimhäute abschwellen lassen und die Belüftung der Nebenhöhlen wiederherstellen", so Prof. Hans Behrbohm, Chefarzt der Abteilung Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Plastische Chirurgie an der Berliner Park-Klinik Weißensee jüngst in einem Beitrag der „Apotheken Umschau". Antibiotika sollte der Arzt nur bei einer bakteriellen Infektion verschreiben, bei Viren, den mit Abstand häufigsten Auslösern einer Nebenhöhlenerkrankung, sind sie wirkungslos.
Wenn die konservative Therapie mit Medikamenten keine ausreichende Besserung bringt, bleibt als nächster Schritt eigentlich nur noch die Operation, die heute meist per Endoskopie durch die Nasenlöcher mehrheitlich stationär und unter Vollnarkose in den Kliniken durchgeführt wird. In der Operations-Technik hat es in den letzten Jahren viele Verbesserungen gegeben. Während früher das aus Stirnhöhle, Kiefernhöhle, Keilbeinhöhle und Siebbein bestehende Nasennebenhöhlensystem und dessen knöchernes Labyrinth bei Operationen häufig komplett regelrecht ausgeräumt wurde, werden inzwischen schonendere OP-Verfahren angewandt. Beispielweise bei nicht so schweren CRS-Erkrankungen die minimalinvasive Ballondilatation, auch Sinuplastie genannt, bei der mittels eines an der Spitze eines Katheters eingeführten Ballons die verengten Gefäße geweitet werden. Oder die von Prof. Behrbohm entwickelte Biostatische Siebbeinchirurgie, bei der im Siebbein, wo fast alle Entzündungen der Kiefer- und Stirnhöhle entstehen, gewissermaßen einige tragende Wände erhalten bleiben. Dem Siebbein kommt ohnehin eine ganz zentrale Bedeutung bei, weil über dieses die anderen Nebenhöhlen mit der Nase verbunden sind und weil es eine Art Schleuse für Belüftung und den Sekretabfluss bildet.